Gemeinderatssitzung – ein irritierter Blick in die Arena

6. Oktober 2021
Gastbeitrag von Dieter Fellhofer

Vorab, ich bin ein Zugereister und kenne nicht alle Persönlichkeiten in Vorchdorf. Doch seit dem auffällig heißen Vorchdorfer Wahlkampf und seit Erscheinen des INVO.reports haben sich meine Interessen auf die Ortspolitik erweitert. Warum also nicht einmal live bei einer Gemeinderatssitzung dabei sein?

28. September. Ich bin überpünktlich in der Kitzmantelfabrik gestellt, um ja einen Sitzplatz zu ergattern, aber gleich einmal überrascht, wie wenige Zuhörer sich eingefunden haben.

Höflichen Begrüßungsworten durch den Vorsitzenden folgt gleich der Antrag auf einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt wegen des Unfalls eines Feuerwehrfahrzeuges. Gut, denke ich mir, dass eine Gemeinde hier rasch Hilfe bei dieser für die Gemeinschaft so wichtigen Organisation leisten will.

Thema Budget: Erstmals komme ich in´s Staunen. „Ein Budget würde schon am nächsten Tage nicht stimmen“, so die Worte des Vorsitzenden. Wozu macht man denn einen Finanzplan, wenn morgen eh schon alles obsolet sein soll, denke ich mir? In meinem Brotberuf ginge das definitiv nicht durch. Erste Seitenhiebe folgen, da politische Gegner im Wahlkampf wohl von einer Verschuldung der Gemeinde gesprochen haben. Danach ein knochentrockener Vortrag vieler Zahlen des dafür zuständigen Ausschussobmanns. Keine zeitgemäße Präsentationstechnik, einfach monoton runtergelesen. Eine Schulung der Gemeinderäte, damit diese das Budget besser verstehen können, wird besprochen. Heißt das, dass hier Leute sitzen, die über Dinge abstimmen, die sie gar nicht verstehen?

Batterien leer? – Publikum im Aus

Als Zuhörer habe ich größte Mühe, alle Wortspenden zu verstehen. Man versucht zwar, ein zweites Mikrofon in Betrieb zu nehmen, aber hier scheinen die Batterien leer zu sein. Schade eigentlich. Dann einige Fakten zum Projekt Kulturhauptstadt 2024. Dahinter scheint viel Engagement und Initiative zu stecken. Gut, so soll Gemeindearbeit sein.

Die Information über ein angeblich ausgeglichenes Ergebnis wird in ruhiger Art und Weise von Grün hinterfragt. Und dann: Man bedankt sich für die Wortmeldung, keine Antwort, und weiter geht´s. Ich bin nun richtig irritiert. Dann geht es um einen Antrag für ein „Mehr an Sicherheit im Straßenverkehr“. Antragsteller und Vorsitzender sind ganz offenbar keine Freunde, aber warum der Vorsitzende den Inhalt des Antrages nicht verstehen will, über den man doch schon im Juni abgestimmt hat, entzieht sich meinem Verständnis. Ein eher peinliches Hick-Hack greift Raum, sodass eine Dame von den Blauen den Wunsch äußert, persönliche Befindlichkeiten bitteschön hintanzustellen. Recht hat sie, denke ich mir!

Am Pranger

Plötzlich geht es um Wahlkampftransparente. Ein ÖVPler deutet hyperaktiv ins Publikum auf eine wohl zukünftige Gemeinderätin einer neuen Liste und referiert über irgendwelche Facebook-Schlachten mit ihr. Dazu muss man wissen, dass das Publikum kein Rederecht hat. Nicht sehr fair also, wenn man Anschuldigungen nicht beantworten kann und einfach nur bloßgestellt wird.

Als dann Schwarz über schlechte (INVO.report) und gute (Krone) Recherche zum Fehler bei der Stimmenzählung herzieht, dabei aber die umgehende Korrektur des betreffenden Berichts unterschlägt, wird mir klar, was Politik auch heißen kann: Alles nur eine Frage der Darstellung, man muss ja nicht immer alles sagen; Hauptsache, es bleibt irgendetwas hängen – auch wenn das dann der Halbwahrheit entspricht.

Mit gemischten Gefühlen

Nach einigen weiteren Punkten ist der Zauber auch schon vorbei. Etwas deprimiert rücke ich ab: Der Ton war mir phasenweise deutlich zu rau und angriffig, wenig anregende Diskussion. Am nächsten Tag erkenne ich einen Grünen am Parkplatz wieder. Meine Anerkennung über seine ruhige und konstruktive Fragestellung am Vorabend scheint ihn zu freuen. Er gesteht mir aber auch ganz offen, dass er ob der wilden Wortgefechte nicht gut geschlafen habe. Für mich beruhigend, wenn auch direkt Beteiligten diese Sitzung ins Gemüt gefahren ist.

Mein Fazit: Höchste Anerkennung für alle, die sich in der Gemeinde engagieren! Man kann nur hoffen, dass die Wildwest-Manieren dem Wahlkampf geschuldet waren und sich in Zukunft die guten Ideen, egal von welcher Fraktion, zum Wohle der Gemeinde durchsetzen können. Es war gut, das einmal erlebt zu haben. Ich kann das nur Jedermann*frau empfehlen. Ehrliche und engagierte Leute bereichern die Gemeindearbeit, da bin ich mir sicher. Aber ein Mindestmaß an Respekt und Wertschätzung kann auch nicht schaden.

Ein Gedanke zu „Gemeinderatssitzung – ein irritierter Blick in die Arena

  1. Michael Praschma Beitragsautor

    1. Es bleibt unerfindlich, warum jemand ein Dankeschön für diesen Bericht sowie eine harmlose Frage ANONYM schreibt. Wir veröffentlichen das nur unter bestimmten Auflagen. Das steht groß ganz oben auf der Startseite!
    2. Die Frage könnte trotzdem interessieren, darum hier die Antwort: Wann Gemeinderatssitzungen stattfinden, ist auf vorchdorf.at unter Politik > Gemeinderat > Sitzungsplan zu finden. Mitunter werden Sitzungen aktuell dazwischengeschoben; das verrät diese Liste nicht.

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