Ein Jahr Liste Vorchdorf im Gemeinderat: Eine Achterbahn der Gefühle

31. Oktober 2022

Seit der Gemeinderatswahl ist schon wieder ein Jahr vergangen. Für eine erste Zwischenbilanz haben wir uns mit Albert Sprung, Obmann der Liste Vorchdorf, und Gemeinderat Martin Rauscher (links am Bild) unterhalten.

Albert Sprung erinnert sich zurück, als er Anfang 2021 vor einer persönlichen Entscheidung stand: Sich entweder völlig zurückzunehmen und aus der Ortspolitik auszusteigen oder aber nochmals ganz neu durchzustarten. Bekanntlich entschied er sich für Letzteres. Ausschlaggebend waren viel Zuspruch für sein Projekt „Liste Vorchdorf“ und sein Wille zur Veränderung.

Die Gründung einer Bürgerliste wurde zum Absprung aus dem eingefahrenen ÖVP-Zug, hinein ins kalte Wasser. Einer seiner Wegbegleiter ist Martin Rauscher, der vor über 10 Jahren mit seiner Übersiedlung von Pettenbach in die Lederau zum Vorchdorfer wurde – und danach mit dem damaligen Bürgermeister in Kontakt kam. Ein, wie er sich heute erinnert, sehr einprägsames Erlebnis mit der Erkenntnis: „Das muss doch besser gehen“. In der Liste Vorchdorf sah er dann eine Möglichkeit, sich in der Ortspolitik zu engagieren.

Das Ergebnis der Wahl 2021 hat Rauscher beeindruckt, hätte er es doch nicht für möglich gehalten, dass man quasi von Null weg etablierte Parteien hinter sich lassen könne. Er führt den Erfolg auf die starke Präsenz der Liste Vorchdorf im Wahlkampf wie auch auf ihre Schwerpunktthemen zurück. Albert Sprung hingegen sieht das Wahlergebnis durchaus innerhalb der angepeilten Range: Mandatsmäßig gleichauf mit der FPÖ als zweitstärkster Fraktion, auf die gerade einmal 9 Stimmen gefehlt haben – womit auch der Anspruch auf den Vize-Bürgermeister knapp verpasst wurde.

Wenig sachorientierte Diskussionen

Schnappatmung habe es danach im Herbst 2021 bei den anderen Fraktionen gegeben, konstatiert Sprung. Rauscher ergänzt, dass diese bis heute nicht wirklich abgeflaut sei – leider, wie er betont- Denn damit sei auch die Ablehnung und der Widerstand erklärbar. Eigentlich, so sieht es Rauscher, sollten nun alle Beteiligten schön langsam einen Cut machen und Altes abschließen, um endlich gemeinsam Neues anzupacken. Es müssten doch endlich essenzielle Themen angegangen werden, solche, bei denen es um die Zukunft geht. Er vermisst die Möglichkeit, wichtige Projekte mit anderen Fraktionen unvoreingenommen durchzusprechen. Eine sachorientiertere Diskussion aller Beteiligten wäre ihm wichtig, persönliche Befindlichkeiten müssten dabei hintangestellt werden. Als Beispiel führt er den umfangreichen Themenkomplex INKOBA, den er als „einen Elefanten im Raum“ bezeichnet, „den aber noch gar nicht alle als solchen wahrgenommen haben“.

Ein weiteres wichtiges Thema für die Liste Vorchdorf sind organisatorische Herausforderungen wie die rechtzeitige Bereitstellung von Unterlagen, gerne auch schon in digitaler Form. Da werde immer wieder einmal gebremst, teilweise sogar blockiert. Die Beharrlichkeit der LV zeige jedoch langsam, aber sicher Wirkung, sind beide überzeugt. Die neue Amtsleiterin trage jedenfalls zu einem Sinneswandel und erkennbaren Verbesserungen bei.

Die Gemeinderät*innen der Liste Vorchdorf sind in den Ausschüssen sehr engagiert und darum bemüht, gut vorbereitet in die Sitzungen zu gehen. „Das ist eines unserer Erfolgskriterien“, so Sprung. In den Ausschüssen gebe es im Übrigen durchaus eine sehr gute Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen, was der Öffentlichkeit jedoch weitgehend verborgen bleibe.

Ein konkretes Beispiel von Martin Rauscher stellt der Umweltausschuss dar, in den er selbst viel von seinen beruflichen Erfahrungen als Unternehmer im Bereich Energietechnik einbringen kann. Das würden auch die anderen politischen Lager anerkennen. Aber es liege sicherlich auch an den Ausschussmitgliedern selbst, sich ihre Kompetenzen zu erarbeiten. Die Motivation seiner Gemeinderäte sei diesbezüglich sehr, sehr hoch, wie Albert Sprung durchaus stolz betont.

Lohnt sich die Mühe?

Bekommt man denn eigentlich aus der Bevölkerung etwas zurück, wenn man sich in der Gemeindepolitik engagiert? Beide überlegen diesmal etwas länger. „Eher wenig“, lautet dann die ehrliche Antwort. Ein Erfolgserlebnis sieht Sprung aber in dem von ihm noch vor der letzten Wahl eingebrachten Baulandsicherungsvertrag, der einstimmig beschlossen wurde und jetzt dazu führt, dass Umwidmungen nicht mehr einfach durchgewunken werden. Damit werde leistbares Wohnen unterstützt und das führe in der Bevölkerung dann sehr wohl zu positivem Feedback. Das sei wiederum Anerkennung genug.
Schmerzen bereiten dagegen die Seitenhiebe vom politischen Mitbewerb, die leider immer wieder einmal unter die Gürtellinie gehen. Ist man dann auch noch von der Sachebene weit entfernt, tut Rauscher „öfters fast schon körperlich weh, wie Diskussionen geführt werden“. In diesem Zusammenhang erinnert er sich an seine erste Gemeinderatssitzung. In der letzten Reihe sitzend dachte er sich damals, da ziehe bei den Abstimmungen irgendwer an einer unsichtbaren Schnur und plötzlich gingen alle Hände fast gleichzeitig in die Höhe. Hoffnung mache ihm aber die letzte Gemeinderatssitzung, in dem sich das Diskussionsverhalten stückweise verbessert habe. Vielleicht sei das ja auch auf den von der Liste Vorchdorf organisierten Live-Stream zurückzuführen. Immerhin würden mehr und mehr Mitbürger*innen diese zeitgemäße Möglichkeit nützen, um sich ein Bild von der Ortspolitik zu machen.

Geht es um die Gemeinderatssitzungen, ist es Sprung und Rauscher ein Anliegen, den immer wieder geäußerten Vorwurf fast inflationärer Anträge der LV ins rechte Licht zu rücken. Vielmehr sei es die Strategie, die Positionen ihrer Liste zu bestimmten Themen ganz unmissverständlich klarzulegen. Damit liege es dann an den anderen Fraktionen, sich damit auseinanderzusetzen und ihren eigenen Standpunkt zu deklarieren.

Gibt es denn nach zwölf Monaten auch schon konkrete Umsetzungserfolge? Ja, denn die Forderung nach einem gesteigerten Bewusstsein für ein Mehr an „Sicherheit im Straßenverkehr“ hat zur Querungshilfe in Weidach und einer Verbreiterung des Gehwegs im Bereich Tanglberg geführt. Den endlich umgesetzten Spielplatz in der Lindacher Straße reklamiert man als Erfolg für sich. Ebenso wurde die Forderung nach einem schlüssigen Verkehrskonzept in Feldham, erstellt durch professionelle Verkehrsplaner, letztendlich übernommen.

Was wäre, wenn …?

Hätte man rückblickend auch etwas anders machen können? Keine Frage, man hätte noch mehr unternehmen sollen, um der tendenziell schlechten Stimmung entgegenzuwirken! Alle in der Fraktion würden darunter leiden, wenn Initiativen nur deswegen abschlägig behandelt werden, weil sie eben von der Liste Vorchdorf kommen. Man habe erkannt, dass es nicht nur ausreicht, den anderen Parteien die Hände zu reichen, man müsse ihnen noch konsequenter entgegengehen, wenn sie sich schon nicht selbst bewegen.

Wäre die Bürgermeisterstichwahl im Oktober 2021 zu seinen Gunsten ausgegangen, was hätte denn ein Bürgermeister Sprung anders gemacht? Es kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ich hätte den Schulneubau massiver vorangetrieben, wäre selbst in den Inkoba-Verband hineingegangen und hätte mich in diesem Gremium für eine für alle transparentere Entwicklung eingesetzt. Ein Bemühen für die Rückabwicklung des ‚Ein-Euro-Grundstückverkaufs‘ wäre wohl auch auf der Agenda gestanden.“

Die Möglichkeit, die zukünftige Entwicklung seines eigenen Lebensraumes mitzugestalten, sei eine hervorragende Motivation, sich in der Ortspolitik zu engagieren. Die Liste Vorchdorf lade junge Menschen ein, ihren Beitrag zu einem weiterhin lebens- und liebenswerten Vorchdorf zu leisten.

Anmerkung: Beim erstmaligen Antreten erhielt die Liste Vorchdorf bei der Gemeinderatswahl 2021 18,1 % der Stimmen und belegt damit Platz 3 (hinter der ÖVP und 9 Stimmen hinter der FPÖ). Man stellt damit 7 der insgesamt 37 Gemeinderäte. Albert Sprung erreichte außerdem die Bürgermeister-Stichwahl, unterlag dann aber Hans Mitterlehner.

 

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