Er würde es wieder tun

6. November 2022

Reinhard Ammer im InterviewReinhard Ammers Zwischenbilanz nach einem Jahr im Landtag fällt differenziert aus – oder durchwachsen, wenn man anders draufschaut. Aber wohl auf eine Art durchwachsen, dass bei ihm deshalb kein Motivationseinbruch zu erkennen ist. Das hängt nicht zuletzt mit einem besonderen Umstand seiner Tätigkeit zusammen.

Eigentlich hätte der Vorchdorfer Grünen-Politiker jetzt drei Baustellen; das Familienleben mit zwei Kindern und berufstätiger Frau („eine große logistische Aufgabe“) nicht mitgerechnet. Hätte – doch der AHS-Lehrer und Vorchdorfer Gemeinderat, beides seit fast 20 Jahren, daneben seit 2010 auch Mitglied des Landesvorstands der Grünen, nicht zu vergessen seit 2019 Bezirkssprecher, also eigentlich bisher schon fast Multifunktionär, Ammer hat jedenfalls einen wohl sehr vernünftigen Schritt gesetzt: Er hat sich von seinem schulischen Brotberuf außer Dienst stellen lassen. Er ist also seit seiner Angelobung am 23. Oktober letzten Jahres Vollzeitpolitiker.

Wenn (!) die persönlichen Umstände passen …

Das muss man wissen, und er erwähnt es auch, wenn man ihn fragt: Würdest du heute wieder für den Landtag kandidieren oder es anderen empfehlen? Ja, ist die Antwort, aber man muss sich das eben einteilen können. Und zwar vor allem als Mitglied eines kleineren Klubs im Landtag. Denn es gibt ja viele Themen, zu denen man sich informieren und mit denen man politisch umgehen muss. „Wir als grüner Landtagsklub mit sieben Abgeordneten beackern die gleichen Themen wie die ÖVP mit 22.“ Zeitkapazität, das ist leicht zu verstehen, ist da ein echter Gamechanger.

Und nicht zuletzt damit hängt es offenbar zusammen, dass da jemand aus dem politischen Betrieb, von dem sich derzeit viele mit Schaudern abwenden, dass Reinhard Ammer also von seiner Landtagsarbeit auch immer wieder mit leuchtenden Augen erzählt. Und das, obwohl er z. B. als Bildungs-Bereichssprecher (aber eben aus einer Minderheitsfraktion) keiner ist, der mit einem Federstrich Millionen bewegen könnte, um seine Ziele umzusetzen. Die Erfahrung im Gemeinderat hat ihm dabei geholfen.

Politik als schmutziges Geschäft? – Ja, etwa beim Match Politik–Presse (v.l.n.r.: Landesgrüne Severin Mayr, Stefan Kaineder,Reinhard Ammer, Rudi Hemetsgerger)

Und apropos Ansehen der Politik: Angesprochen auf Politik als das schmutzige Geschäft, als dass sie sich auf Bundesebene gerade präsentiert, also, ob er das in Linz schon erlebt hat oder selbst Adressat unmoralischer Angebote geworden ist, verneint Ammer das für sich selbst, und von anderen Abgeordneten habe er das zumindest dezidiert nicht mitbekommen.

„Es würde Jahre dauern, bis man diesen Betrieb kennengelernt hat“

Die Einarbeitung ist nicht nur für den Grünen-Klub herausfordernd, wo fünf von sieben erstmals dabei sind. Insgesamt sind rund die Hälfte aller Abgeordneten im Landtag neu. Und müssen z. B. die Kniffe der Geschäftsordnung mit 65 Paragraphen und 42 Druckseiten kennen, um zu bestehen.

„Es würde Jahre dauern“, sagt Ammer, und das ist nur möglich mit einem eingespielten Team, also Referent:innen und etwa einer Klubdirektorin, die den Betrieb kennt, seitdem die Grünen vor 25 Jahren erstmals in den Landtag kamen. Aber: „Ich lerne jeden Tag dazu. Es ist sehr abwechslungsreich.“ Trotzdem fällt Ammer kein Beispiel dafür ein, dass er mit irgendetwas gar nicht gerechnet hätte. Es war auch klar, dass aller „offener, kollegialer, einfacher Kontakt“ zu Angehörigen der Regierungsparteien auf informeller Ebene (und man ist meist per „Du“) am Ende des Tages nicht dazu führt, dass anders als auf Parteilinie abgestimmt wird.

Was für eine Art von Spagat das sei? – Was man sich eigentlich als frustrierende Erfahrung vorstellt, das hat sich Ammer etwa so zurechtgelegt: Er suche eigentlich immer nach Gemeinsamkeiten. Im direkten Gespräch ergeben sich dann manchmal überraschende Überschneidungen; gemeinsame Bekannte, Bezüge zu Orten etc. Und ähnlich wie unter Gemeinderäten ergibt sich immer die Möglichkeit, Sachthemen gut zu diskutieren. Zugleich: Obwohl z. B. im Bildungsbereich klar ist, dass da mehr Geld erforderlich ist und wenn dann im Dezember die Budgetdebatte kommt, dann „ist klar, wenn ich da einen Antrag stelle, dass ich damit nicht durchkommen werde.“

Am Ende des Tages entscheidet die Parteiraison

Doch „… dieses Kollegiale, das Du-Wort, sehe ich als große Chance … zu verstehen, warum jemand so agiert, den Hintergrund zu kennen; und mir ist auch immer wieder wichtig zu versuchen, das aufzubrechen.“ Also klatscht er auch zu Redebeiträgen eines Freiheitlichen, wenn der etwas Richtiges sagt. – Aber hat das einen Effekt für das Abstimmungsverhalten? Da holt Ammer etwas weiter aus: Das sei das, was Bürger:innen sich erwarten – einen Wettstreit der Ideen.

Der Vertrauensverlust der Politik beschäftigt ihn, dem müsse man auf diese Weise entgegenwirken. Und es bewirkt, so Ammers Eindruck schon etwas, auch wenn die Parteiraison am Ende des Tages überwiege. „Ich habe schon ein-, zweimal gemerkt, dass über meinen Ansatz, meine Rede nachgedacht wird.“ Und zwar vor dem Hintergrund, dass er bewusst auch zu Veranstaltungen geht, wo noch nie ein Grüner war (bis hin zu den Jungjägern) und dort Dinge erfährt, die sich dann in der politischen Debatte nicht so leicht von der Hand weisen lassen. Etwa, dass auch landwirtschaftliche Schulen wie die in Schlierbach dringend das Geld brauchen, um gute Lehrkräfte anzuziehen.

Die offene Frage sei, auch wenn das alle dann so sehen, ob es auch umgesetzt werde. Aber „da bin ich desillusioniert, weil das einfach klar ist, dass es ein Koalitionsübereinkommen gibt, wo ich nicht durchkomme.“ Aber es bleibe ein langfristiges Ziel, daran auch wieder etwas zu ändern, sagt Ammer mit Hinblick auf die nächste Regierungsbildung. Und auf die Frage, was er nach einem Jahr Erfahrung anders machen würde, nach kurzer Pause die doch starke Ansage: „Nichts.“ Das sagt er vor allem in Hinblick auf die Gespräche „draußen“. Etwas weiterbringen zu wollen und zugleich „die Demut, nicht alles zu wissen und einer von 56 zu sein, der wirklich Menschen vertreten darf.“

Bildungscampus war „zu sehr Chefsache“

Bei Stichwort „etwas weiterbringen“ war die Frage nach dem – gefühlt seit Ewigkeiten auf Eis liegenden – Bildungscampus aufgelegt. Bildung ist Ammers Domäne, und das Land hat die Sache in der Hand. „Hier ist die Gefahr, dass das in ein Licht gestellt wird, wo ich befürchte, dass wir nicht weiterkommen. Der Bildungscampus ist ein Projekt, das über diesen Beteiligungsprozess gut gestartet worden ist, dann sind gewisse Fehler passiert; vor allem habe ich den Eindruck, dass es auch zu sehr Chefsache war und dass man das Potential zu wenig genützt hat. Jetzt sehe ich die Gefahr, dass das populistisch mit irgendwelchen Schottermillionen in Verbindung gebracht wird, was einfach nicht redlich ist.“ Bettina Hutterer (Bildungsausschuss) und der Bürgermeister seien schon sehr bemüht, etwas weiterzubringen. Aufzuarbeiten, warum Monate und Jahre verloren wurden, sei jetzt nicht zweckmäßig, sondern mit den Beteiligten besser zu kommunizieren. Politik zu kommunizieren sei überhaupt auf allen Ebenen absolut notwendig. Richtig sei: Im Grunde genommen liegt alles auf dem Tisch, und zwar in Linz, und man wartet. Er selbst sei allerdings trotz entsprechenden Angebots von der Gemeinde noch nicht eingeschaltet worden. Das könne aber darauf beruhen, dass man es nicht für zielführend hält, ausgerechnet einen Grünen einzuspannen.

Was aber offenbar noch nicht bei allen angekommen sei: Wie wichtig die Schule für den Standort Vorchdorf ist; dafür, wie attraktiv man als Arbeitsplatz für gute Lehrer:innen ist – und das hänge eben auch von der Atmosphäre Schule–Gemeinde ab, wie man da im Gespräch sei.

Fazit: Tätest du es wieder? Für den Landtag kandidieren? – „Ich würde jedem raten, sich das von der persönlichen Situation, von der Motivation, von den anderen Lebensbereichen her sehr gut anzuschauen. Ich würde immer dazu raten, das auf der einfacheren, auf der gemeindepolitischen Ebene anzuschauen. Also da unbedingt; auf der landespolitischen Ebene eben sehr gut auf die eigene Situation schauen … wenn das gegeben ist: Natürlich kandidiere ich wieder. Für mich der Weg nach dem einen Jahr nicht zu Ende.“

Weiterführende Links:

(Interview: Michael Praschma)

4 Gedanken zu „Er würde es wieder tun

  1. Franz Steinhaeusler

    Ich bin etwas befangen, hier etwas zu schreiben, zumal der stets freundliche und nette Reinhard Ammer lange Zeit auch mein Nachbar war.

    Der lange Artikel besteht zum Großteil aus viel allgemeimen Blabla und bietet wenig Konkretes.

    Eine Hilfe war Herr Ammer beim damaligen Problem mit der Pfeiferei der Stern & Hafferl Bahn nicht – bei der täglichen 38-maligen nervtötenden Pfeiferei, und der jahrein, jahraus werktäglichfahrende Zug, beginnend von 04:30 bis 21:00 (samstages fuhr der erste Zug um 06:00 und Sonntags um 08:00 in einer etwas geringeren Frequenz) wegen der damals immer noch nicht gebauten Lichtampelanlage. Diese wurde, lang ersehnt, schlussendlich doch im Septemer 2021 errichtet, und die Beendigung der aufreibenden Pfeiferei wegen der Querung der Kösselwangerstraße war für mich und auch die ältere Nachbarin die jahrelang herbeigesehnte Wohltat. Der damalige Bürgermeister Schimpl zeigte ohnehin nur wenig Interesse an der Sache: „Dann musst‘ halt umziehen, wenn dir das nicht passt“, war seine lapidar-abfällige Antwort. Man kann das auch als“abgeschaßelt worden sein“ bezeichnen.

    Die Grünen haben das Inkoba-Gewerbegebiet Feldham mit unterstützt. Es ist eine riesige Flächenversiegelung, zumal es in vielen Nebengemeinden ebenfalls viele neu herausgestampfte Gewerbegebiete gibt. Zu befürchten ist, dass große Logistikunternehmen mit weniger als 40 Mitarbeitern pro Hektar hierherkommen.
    Es ist weiters zu befürchten, und das wird sicher passieren, dass einmal eine große Rezession kommen wird (ewig exponentielles Wirtschaftswachstum wird es nicht für immer und ewig geben), dann haben wir die leerstehenden Gebäude vor unserer Nase stehen und können uns täglich an der Verschandelung von „Feldham, ahm „Betonham“, „erfreuen“, wo andererseits Wiesen, Äcker und Waldgebiete stehen könnten, die aufgrund der rasanten Bodeversiegelung in Österreich in rasantem Maße verschwinden – (irgendwann wird Österreich aufgrund von zu wenig Kulturland zum abhängigen Nahrungsmittelimporteur werden), wo es anstelle Lkw- und Straßenlärm ruhig sein könnte und die Luft besser wäre und die ganze Lebensqualität höher wäre. In 25 Jahren sollte der nicht nachvollziebare ungünstige Inkobavertrag für Vorchdorf gedreht werden? In 25 Jahren??? Da leben ja viele gar nicht mehr.

    Ist das der Beitrag der Grünen für Natur- und Klimaschutz?

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  2. Bernhard Ettinger

    Wenn man sich die letzte Seite der Grünen-Parteizeitung ansieht, ist man erstaunt bezüglich des “Krääächz-Beitrags” zu “Billa 3”. Schließlich hat die Grüne Fraktion am 02.07.19 fast geschlossen für die Widmung (Genehmigungsbeschluss) gestimmt (4 Stimmen dafür, 1 dagegen), trotz Einwendungen der Nachbar:innen. Norbert Ellinger stimmte genauso zu wie z. B. auch Eva Brandstötter-Eiersebner in Vertretung für Reinhard Ammer.

    Hingegen die Schottermillionen: Das wäre ein adäquates Mittel gewesen, fehlendes Geld für den Neubau der Schule aufzustellen. Nachdem Vorchdorf das nächste Vierteljahrhundert von Inkoba nicht profitieren wird, wäre dies eine gute Möglichkeit gewesen, nachzujustieren. Die Grüne Fraktion war geschlossen dagegen.

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  3. Albert Sprung

    Der Neubau der Schule ist zu wichtig, um Chancen auszulassen, damit dieser endlich nach fast einem Jahrzehnt erfolgt. Und wenn aus einem Gewerbegebiet, welches auch zu einem Teil Vorchdorf gehört, um Millionen von Euros Schotter abtransportiert wird, dann würde ich schon sagen, dass wir auch Anspruch auf dieses Geld erheben dürfen.

    Diese Forderung jetzt als populistisch abzutun, das beschämt mich schon zutiefst. Und ich würde anraten, sich ernsthaft mit der Begriffsdefinition von „populistisch“ auseinandersetzen.

    Dass die Schottermillionen nach Vorchdorf gehen sollen, ist nämlich ganz und gar keine unmögliche Forderung. Es bedürfte halt eines politischen Willens (den offenbar nur die Liste für Vorchdorf hat) und einer durchsetzungsstarken Person im INKOBA Vorstand von Seiten Vorchdorfs. Dann würde da sicher was gehen.

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  4. Albert Sprung

    Begriffsdefinitionen: Campus. Mit Campus bezeichnet man lockere, moderne Gebäudekomplexe, die besonders für die Lehre und Forschung angelegt werden. Inbesondere bezeichnet der Begriff Campus in den USA seit dem 18. Jahrhundert die außerhalb der Stadt errichteten Gebäude einer Universität, die üblicherweise von parkähnlichen Anlagen umgeben sind. Der Begriff wurde erstmals beim 1746 gegründeten College of New Jersey (heute Princeton University) verwendet [1].
    Wir sprechen lieber von Schulneubau und nicht von Campus. Wie man sieht, bringt ein „schöner Name“ ein solches Projekt auch nicht weiter oder schneller voran. Und unter Schulneubau kann sich jeder das vorstellen was es auch ist: ein Neubau der Schule.
    [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Campus

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