„Wenn es eine Mehrheit gibt, akzeptiere ich sie“

17. November 2022
Bericht und Kommentar

Der sogenannte 1-Euro-Deal alias Boardinghouse alias Bahnhofstraße 14 ist wieder auf dem Tisch. Es geht um eine sechsstellige Summe Euro mehr oder weniger in der Gemeindekasse. Denn jetzt kann die Gemeinde das vor fünf Jahren quasi verschenkte Grundstück zurückkaufen und mit Gewinn verwerten. Bürgermeister Johann Mitterlehner wartet ab.


Im Wahlkampf vor gut einem Jahr und auch davor schon ein großer Aufreger, der bis dato auch nicht restlos erklärt werden konnte: 1.535 Quadratmeter in bester Ortskernlage, früher Standort der Feuerwehr und des Roten Kreuzes, dann geplanter Platz für ein Boardinghouse, also eine Art Zwitter aus Appartmentvermietung und Hotel, bis heute eine Brache. Auf politischer Ebene skandalisierte vor allem die Liste Vorchdorf (LV), dass das Grundstück für nur einen Euro den Besitzer wechselte – und zwar an eine Firma, bei der Johannes Huemer, damals u. a. ÖVP-Fraktionsobmann, Geschäftsführer war. An der Begründung für die Kaufsumme gibt es bis heute Zweifel, nämlich: Das Risiko sei zu groß gewesen, dass die Abrisskosten höher sein könnten als der anschließende Verkaufserlös.

Wegen Untätigkeit ist jetzt ein Rückkauf möglich

Insider wissen es seit Langem, die Liste Vorchdorf ging nun damit an die Öffentlichkeit: Der damals abgeschlossene Kaufvertrag – er liegt dem INVO.report ebenfalls seit geraumer Zeit vor – räumt der Gemeinde ein Rückkaufrecht ein, wenn nicht nach einer bestimmten Zeit mindestens ein Rohbau steht. Das ist offensichtlich nicht der Fall, aus welchen Gründen auch immer. Die Frist ist jetzt abgelaufen.

Der Preis ist natürlich heute nicht mehr 1 Euro, sondern – nach Lage der Dinge und laut Kaufvertrag – die von einem Sachverständigen zu ermittelnden Abbruchkosten. Diese dürften aber aufgrund des erfolgten Abrisses konkret vorliegen. Ein Sachverständiger könnte höchstens Einwände gegen unglaubhaft hoch angegebene Kosten Einwände erheben.

Albert Sprung (LV) hat es jetzt als Chance für Vorchdorf bezeichnet, die Option zum Rückkauf des Grundstücks wahrzunehmen. Er rechnet mit einem Kaufpreis (= Abrisskosten) von 100.000 Euro und einem Marktwert von bis zu einer halben Million. Schätzungen aus der Branche gehen von Quadratmeterpreisen zwischen 200 und 300 Euro aus, also mit ca. 310.000 bis 460.000 Euro etwas weniger. Welchen Preis die Gemeinde erzielt, hängt aber zum erheblichen Teil auch von Auflagen für den Käufer, zulässiger Geschoßzahl etc. ab. Es erscheint jedenfalls heute nicht nachvollziehbar, dass dabei ein Verlustgeschäft herauskommt.

Wird es gelingen, die Parteipolitik  außen vor zu lassen?

Der öffentliche Vorstoß der LV ist – von vereinzelten Seitenhieben abgesehen – durch weitestgehenden Verzicht auf Skandalisierung der bisherigen Vorgänge geprägt. Sprung erklärt denn auch, die LV wolle mit den anderen Fraktionen intern und konsensorientiert die Rückkauf-Forderung diskutieren, um dann in der Gemeinderatssitzung im Dezember einen möglichst einmütigen Beschluss zu fassen. Sollte dies gelingen, wäre zumindest eine der Kühe vom Eis, die im zurückliegenden ersten Jahr der Gemeinderatsperiode für böses Blut gesorgt haben.


Kommentar
von Michael Praschma

Von der Kronenzeitung zum Rückkaufvorschlag befragt, zeigte Bürgermeister Johann Mitterlehner sich überrascht, da noch keine der Gemeinderatsfraktionen an ihn herangetreten sei, aber „… wenn es eine Mehrheit gibt, akzeptiere ich sie.“ Das ist zunächst in der Sache erfreulich, andererseits aber ohnehin eine Selbstverständlichkeit.

Keine Selbstverständlichkeit ist diese Äußerung allerdings bezüglich des Amtsverständnisses des Bürgermeisters – im Gegenteil! Wenn Mitterlehner hier korrekt und vollständig wiedergegeben wurde, ist das zutiefst irritierend. Denn es ließe sich schwer anders interpretieren, als dass er selbst die soeben eröffnete, aber von Anfang an bekannte Rückkaufmöglichkeit nicht im Blick hatte – und dass er dazu selbst keinen Standpunkt hat. Nun ist es zwar eine der Aufgaben eines Bürgermeisters, die Beschlüsse der Gemeindevertretung auszuführen, doch zugleich hat er doch auch die gesamte Verwaltung der Gemeinde zu leiten – und man kann von ihm als direkt gewähltem Mandatar, der mit einem gewissen Programm kandidiert hat, auch erwarten, dass er gestaltend und eigeninitiativ tätig ist.

 

Ein Gedanke zu „„Wenn es eine Mehrheit gibt, akzeptiere ich sie“

  1. Johann Limberger

    Sehr geehrte INVO.report-Leser:innen!
    Es ist bezeichnend, dass nun nach der Veröffentlichung der 1-€-Grundstücks-Rückwidmungs-Problematik plötzlich der Bürgermeister und vermutlich weitere ÖVP-ler auf den fahrenden Zug Richtung Rückkauf des Grundstücks aufspringen (möchten).
    Der Bürgermeister meint JETZT (also nach der Veröffentlichung), dass er das um 1 Euro verschenkte Grundstück ohnedies auf den Tisch bringen wollte. Aber wann?
    Ich habe vor geraumer Zeit mit dem Parteiobmann der ÖVP, Herrn Beisl, über das 1-€-Grundstück und die notwendige Rückabwicklung gesprochen. Es ist aber diesbezüglich seit damals nichts passiert. Vermutlich war es der ÖVP nicht wichtig. Mittlerweile ist es den Österreicher:innen ja bewusst, dass die ÖVP, vom Bund bis ins Dorf, fast immer nur auf öffentlichen Druck hin auf Anliegen reagiert. Nach dem Motto: Wenn´s halt gar nicht mehr anders geht, dann müss´ ma halt auch!!!
    Aber vielleicht kommen wir alle (Gemeinderäte) doch einmal auf eine gemeinsame Meinung und ein gemeinsames Ziel: „Für unser Vorchdorf gemeinsam Arbeiten“.
    Johann Limberger

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