Der Schwarzbau und die Vorchdorfer Staatsphilosophie

18. Dezember 2022
Kommentar von Michael Praschma

Die Liste Vorchdorf skandalisiert die „Reparatur“ per Gemeinderatsbeschluss eines vor Jahrzenten errichteten Schwarzbaus. Wegen Partei- und Freunderlwirtschaft sowie möglichen Amtsmissbrauchs – eine „Ungeheuerlichkeit“. Hier läuft nun wirklich alles aus dem Ruder.

Der Anlassfall ist rasch berichtet: Schon vor einiger Zeit hatte ÖVP-Gemeinderat Mario Mayr von einem Onkel eine Liegenschaft übernommen, auf der, das ist unstrittig, unter anderem eine nicht genehmigte, aber genehmigungspflichtige Hütte steht, vulgo: Schwarzbau, und das seit rund drei Jahrzehnten. Mayr wollte das nun geraderücken, die Gemeinde spielte mit – möglicherweise im Graubereich oder gar außerhalb des Ermessensspielraums, weswegen die Agrarbehörde einen Lokalaugenschein vornimmt.

Die Liste Vorchdorf argumentiert ihren Protest unter anderem mit dem Raumordnungsgesetz, das für derartige Fälle nachträgliche Umwidmungen – das Instrument, das der Gemeinderat wählte – ausschließt. Aber hier soll es ausnahmsweise nicht um Juristerei gehen, sondern um das Funktionieren Vorchdorfs.

Lauter kleine Elefanten im Raum

Ich behaupte, wer hier niemanden kennt, wenigstens um zwei Ecken, der einen Schwarzbau auf seinem Grund hat, der kennt nicht Viele. Vorchdorf ist da kein Einzelfall, und oft sind das Bauten, die gefühlte Ewigkeiten stehen. Ich rede nicht von den wenigen in die Presse gerutschten prominenten Überschreitungen von Bewilligungen, sondern von den Anbauten, Hütten, Aufstockungen usw., die offenbar nie jemanden gestört haben.

Die Gemeinde darf da nicht wegschauen, aber wie mir vor vielen Jahren ein Mitarbeiter der Verwaltung sinngemäß sagte: So viel könnten wir gar nicht arbeiten, wie wir da abreißen lassen müssten. Das war früher kein Problem, so lange niemand offiziell darauf hinwies, doch die Digitalisierung der Verwaltung und Satellitenphotos ermöglichen wesentlich effizientere Kontrollen, und die Angst, wegen Amtsmissbrauchs in die Bredouille zu kommen (was die Liste Vorchdorf Bürgermeister Mitterlehner androht) geht durchaus in den Amtsstuben vieler Landgemeinden um. Wenn ich heute Gemeindemitarbeiter wäre, würde ich einem wie Mayr wahrscheinlich sagen: „Hab einen schönen Tag; du bis nie da gewesen, verstehst du mich?“

Ist das nicht das Ende des Rechtsstaats?

Ich bin herkunftsbedingt eigentlich Anhänger einer preußischen Beamtenpflichterfüllung, bei der auch nur der Anschein einer Gefälligkeit als praktisch undenkbar gilt. In Österreich habe ich die etwas geschmeidigere Anwendung des Rechts gegenüber „Endnutzern“ kennengelernt. Allerdings: Das reicht, wie wir alle wissen, vom echten Erbarmen mit kleinen Missetätern oder Dingen, die in gutem Glauben rechtswidrig gelaufen sind, aber schwer rückgängig zu machen – bis hin zu den Korruptionsfällen, die teils sogar international Schlagzeilen gemacht haben.

Allgemein ist klar: Parteibuchwirtschaft, gar Korruption, und systematische Rechtsbeugung ruinieren das Vertrauen in den Staat und damit am Ende den Staat selbst, und natürlich gilt das bis hinunter in die Gemeindeebene. Zugleich vermischt sich hier das Zwischenmenschliche mit der an sich guten Idee einer sauberen Verwaltung. Was heißt das?

Je näher ich am Einzelnen und im Einzelfall bin, desto absurder kann (!) es werden, jedes Gesetz auf Punkt und Beistrich anzuwenden. Es kann durchaus die Rechtstreue erhöhen, wenn ich ein Auge zudrücke, wo dies niemandem und keinem öffentlichen Interesse schadet.

Die Zen-Meisterschaft der Bauabteilung

Dass genau dies nicht ins Chaos führt, ist aber abhängig von einer Zen-artigen Synthese von Vernunft, Menschenkenntnis und Gefühl, einem Begriff fürs Ganze sowie natürlich Urteilsvermögen beim Gemeindebediensteten oder sogar beim Bürgermeister. Weder darf es eine Ungleichbehandlung nach persönlichen oder parteipolitischen Vorlieben geben, noch reine Gefälligkeiten, wo etwa die eigenen Ziele der Gemeinde z. B. hinsichtlich der Ortsentwicklung spürbar durchkreuzt werden.

Das ganze basiert auf Vertrauen: begründetem, nicht blindem Vertrauen, dass auch solche Dinge, die eben „vertraulich“ durchgezogen werden, zwar rechtlich mindestens im Graubereich liegen, aber mit Hausverstand betrachtet für die Allgemeinheit eben nicht schädlich sind. Es braucht, ganz altmodisch, Moral. Und das Wissen, wo die Grenzen sind. Dieses Vertrauen funktioniert in Vorchdorf derzeit leider nicht. Zen ist eine Kunst.

3 Gedanken zu „Der Schwarzbau und die Vorchdorfer Staatsphilosophie

  1. Thomas Edtmeier

    Was seit der letzten GR-Wahl in Vorchdorfs Kommunalpolitik abgeht, ist nicht nur auf vielen Ebenen verstörend, das Ganze ist darüber hinaus in etwa so überflüssig, wie Vogelfutter für eine Kuckucksuhr. Bereits kürzlich habe ich meine Vermutung geäußert, dass die Lokalpolitik im ‚Markt voller Leben‘ in umliegenden Gemeinden mittlerweile als Satireprojekt angesehen wird. Ein Verdacht, der sich seit der letzten GR-Sitzung einmal mehr erhärtet hat.

    Ja, ein Gemeindemandatar der LV hat sich im Ton vergriffen und augenscheinlich auch insgesamt in der Veranstaltung geirrt – übrigens nicht zum ersten Mal. Denn Privates in den politischen Diskurs einzuflechten, ist wirklich nur in ganz seltenen Ausnahmefällen und bei schwersten Verfehlungen akzeptabel.

    Ebenso wenig akzeptabel ist es aber auch, wenn politische Ahnungslosigkeit, machtversessene Untätigkeit, parteiabhängige Entscheidungen und vor allem mangelndes Fingerspitzengefühl in der Öffentlichkeitsarbeit mehr und mehr um sich greifen. Wenn die (sozial-)mediale Schlammschlacht der letzten Tage wenigstens gut gemacht und fundiert argumentiert wäre, könnte man diese mit viel Wohlwollen noch als spannenden Ausklang des heurigen Gemeinderatsjahres ansehen. So aber geben sich ALLE Protagonisten regelrecht der Lächerlichkeit preis und beschädigen nicht nur sich selbst, sondern einmal mehr das Ansehen der gesamten Vorchdorfer Ortspolitik – oder was davon noch übrig ist.

    Ich selbst habe wahrlich viele Sträuße im Gemeinderat ausgefochten und war dabei nicht gerade zimperlich. Wenngleich ich auch ziemlich viel einstecken musste, bin ich dabei nicht – wie aktuell vor allem auf Sozialen Medien anscheinend modern – reflexartig in eine weinerliche Selbstbemitleidung und einen berserkerartigen ‚Anpatzwahn‘ verfallen, sondern habe tunlichst versucht, meine politischen Mitbewerber mit weiteren stichhaltigen Argumenten zu überzeugen.

    Wenn ich höre, dass man „wieder mehr miteinander reden müsse und aufeinander zugehen wolle“, dann ist das für mich ein reines Lippenbekenntnis. Denn nur durchs Reden hat sich noch nie etwas geändert, erst das gemeinsame Handeln sowie das Umsetzen des Angekündigten schaffen neue Fakten und Rahmenbedingungen.

    Daher empfehle ich dem „Hansi“, dem „Würstelverkäufer“, dem „Rücktrittsaufforderer“, dem „Pumuckl“, der „IKD-Verweigerin“, der „verbalen Axt im GR-Wald“, den „LIVE-Stream-Zensoren“ und allen anderen handelnden Akteuren im Vorchdorfer Gemeinderat: Einmal bitte ein bisschen öfter durch die Nase atmen, Druck rausnehmen, persönliche Animositäten sowie daraus entstandene Altlasten als solche behandeln und euren Forderungen nach einer besseren Gesprächsbasis unter ALLEN Fraktionen endlich auch Taten folgen lassen.

    Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!

    Edtmeier Ende!

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    1. Claudia Edlinger

      Herr Edtmeier,
      Perfekt auf den Punkt gebracht, danke für ihre Worte, genau so sollte es sein. Alles andere ist nur noch Kasperltheater.
      Schöne und besinnliche Weihnachten.

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  2. Albert Sprung

    Die Liste für Vorchdorf ist bei Widmungen für eine einheitliche Lösung für alle Gemeindebürger interessiert. Gleiches Recht für alle Bürger in Vorchdorf. Das war ursprünglich auch die Intention des Rückführungsantrags in den Raumordnungs-Ausschuss im Gemeinderat durch die Liste Vorchdorf. Dort hätte man dann diese einheitliche Lösung für alle Bürger Vorchdorfs festgelegen bzw. vereinbaren können. Und das wäre dann die Vorgabe für zukünftige „Bereinigungen“ gewesen.

    Damit wäre der Willkür ein Ende gesetzt, und wir hätten eine klare Regelung.

    Wünschenswert wäre aber natürlich eine Gesetzesänderung auf Landesebene. Und wir fordern die vertretenen Landes-Parteien auf, hier praxisnähere Gesetze zu erlassen. Damit Gesetze auch die Lebensrealität abbilden.

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