Der Livestream-Beschluss: Es bleibt ein leichtes Unbehagen

9. Mai 2023
Kommentar von Michael Praschma

Vergangene Woche hat der Gemeinderat mehrheitlich die Durchführung des Livestreams seiner Sitzungen in Eigenregie beschlossen. Wohlgemerkt: ohne dass die Aufzeichnung für einen späteren Abruf online verfügbar bleibt. Die Begründung dieser Entscheidung ist ebenso „durchwachsen“ wie ihre Auswirkungen. Und in mancherlei Hinsicht auch absurd.

Die bisherige Videoaufzeichnung durch die Liste Vorchdorf (LV) geschah aus Eigeninitiative, weil der Gemeinderat sich nicht zu einem Beschluss wie jetzt durchringen konnte, und die LV widersetzte sich standhaft Widerständen vor allem aus den Reihen der ÖVP sowie sogar einer Klage wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Das war verdienstvoll – und erfolgreich: durchschnittlich über 700 Nutzer:innen haben auf jede Aufzeichnung zugegriffen.

Beeinträchtigt wurde dieser Erfolg durch eine peinliche Panne zum Auftakt, als der YouTube-Kanal der LV während des Livestreams von unappetitlichen „Kommentaren“ mit pornographischem Bezug geflutet wurde. Berechtigt war später die Kritik daran, dass die LV eine Videosequenz ausgeschnitten hatte, wo ein befremdlicher Auszucker eines ihrer Mandatare mitzuerleben war. Dass der politische Mitbewerb dies als „Zensur“ bei einer Partei, die vor allem Transparenz auf ihre Fahnen schreibt, geißelt, ist nachvollziehbar. Die oftmals schlechte Tonqualität wiederum ist zwar ein Mangel, der allerdings nicht der LV vorzuwerfen ist: Aus unerfindlichen Gründen wurde es nicht ermöglicht, den Ton aus der Technikanlage der Kitzmantelfabrik direkt einzuspeisen.

Befürchten kann man ja vieles, aber was hat das nun womit zu tun?

Passieren wird jetzt Folgendes: Der Livestream – wenn die Gemeinde sich denn einmal einig ist, wer das Ganze tatsächlich macht und wie – wird übertragen, hoffentlich akustisch verständlich und ohne Zensur, und verschwindet dann wieder. Die Liste Vorchdorf wird die Sitzungen weiterhin aufzeichnen (vermutlich nach wie vor ohne technische Unterstützung) und nach der Sitzung auf YouTube stellen. Das ist zuletzt sogar nutzerfreundlich unterteilt nach Tagesordnungspunkten passiert, was mühseliges Suchen erspart. Wer sich privat eine Aufzeichnung in guter Tonqualität behalten will, wird den Livestream der Gemeinde am eigenen Computer mitschneiden – technisch kein Problem und rechtlich nicht zu beanstanden, solange das nicht öffentlich zur Verfügung gestellt wird.

Wirklich kindisch wird unter diesen Umständen einiges an Befürchtungen und Argumenten, die bis zuletzt ins Feld geführt wurden, um entweder den Livestream durch die LV oder aber die anschließende öffentlich zugängliche Aufzeichnung zu verhindern. Höflicher ausgedrückt: Da ist manches schwer nachvollziehbar.

Das Land vertritt seit kurzem die Rechtsansicht, ein Livestream sei nur bei Durchführung durch die Gemeinde selbst gesetzlich gedeckt. In einem juristisch etwas abenteuerlichen Umkehrschluss soll das bedeuten, die (im Übrigen unstrittig zulässige) Videoaufzeichnung durch andere Personen sei gesetzeswidrig, wenn sie live übertragen wird. Abgesehen davon begründet das Land seine Ansicht damit, bei privaten Aufzeichnungen gebe es nicht dieselben gesetzlichen Einschränkungen z. B. hinsichtlich des Persönlichkeitsschutzes. Das trifft allerdings nur insoweit zu, als die Gemeinde darauf achten muss, dass keine Personen im Publikum ins Bild kommen. Der sogenannte mediale Druck, der in der Vorstellung des Landes bei privaten Aufnahmen im Livestream angeblich schwerer auf den gefilmten Mandataren lastet, ist nun überhaupt nicht erkennbar, wenn ein Video eben sowohl während als auch nach der Sitzung zur Verfügung steht – nur jeweils von verschiedenen Akteuren aufgenommen.

„Wir wollen das nicht“ ist der wahre Grund

Gibt es einen vernünftiges Argument, weswegen die Gemeinde den grundsätzlich begrüßenswerten Livestream nicht auch quasi in einer Mediathek und dann eben in guter Tonqualität stehen lässt? – Nein. Dahinter steckt nur das trotzige „Wir wollen das nicht“, das Bürgermeister Johann Mitterlehner in frappierender Offenherzigkeit zum Livestream generell ausgekommen ist und durch das Abstimmungsverhalten hauptsächlich seiner Partei manifestiert wurde. Es wird damit ja nicht einmal verhindert, dass sie Aufzeichnungen online bleiben – abgewatscht sind einzig die vielen interessierten Vorchdorfer:innen, die auch zukünftig mit der schlechteren Tonqualität zu kämpfen haben werden.

Sowohl zu diesem Punkt wie auch zu der überraschenden Volte des Landes OÖ binnen weniger als 12 Monaten hinsichtlich der Rechtslage ist nur zu wünschen, dass irgendwer einmal ein förmliches Ersuchen stellt, privat die Gemeinderatssitzungen live zu übertragen, im Ablehnungsfall eine bescheidmäßige Erledigung verlangt und diese dann verwaltungsgerichtlich durchficht. Bisher gibt es hier nämlich nur ein Gesetz und – bei allem Respekt vor der Fachkenntnis der Landesjurist:innen – weitgehend freihändige Auslegungen dieses Gesetzes, aber keine gerichtlichen Entscheidungen.

Aber das alles ist Nebensache, verglichen mit dem Elefanten im Raum: Woran es unserer Gemeindespitze komplett fehlt, ist die unbedingte Bereitschaft zur Transparenz.

4 Gedanken zu „Der Livestream-Beschluss: Es bleibt ein leichtes Unbehagen

  1. Albert Sprung

    99-mal wurde der Live-Hinweis auf YouTube der Liste FÜR Vorchdorf, dass kein Live-Stream durchgeführt werden darf, während der letzten Gemeinderatssitzung aufgerufen.

    475-mal wurde seitdem die Aufzeichnung dieser Gemeinderatssitzung auf YouTube angeklickt.

    Das ist ein Service für die Vorchdorfer, um am politischen Geschehen teilhaben zu können, und das möglichst zeitnah. Also maximale Transparenz.

    Warum kann das ein Lokalpolitiker nicht wollen? Das ist wohl die große Frage. Warum?

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  2. Thomas Edtmeier

    Über die Vernunft (Achtung: Text kann Spuren von expliziter Deutlichkeit enthalten)

    Es ist wahrlich bedauernswert, um nicht zu sagen bemitleidenswert, auf welchem menschlichen aber auch fachlichen Niveau die Vorchdorfer Ortspolitik herumgrundelt. Ahnungslosigkeit jagt Wurschtigkeit. Die Intrige ist omnipräsent. Vorchdorf wird visionslos und altbacken mehr oder weniger dem Zufall überlassen.

    Diese seit Jahren andauernde und systemimmanente Nabelschau kotzt mich unglaublich an. Denn ehrlich gesagt dachte ich, dass auch die Dümmsten der handelnden Akteure irgendwann zur Vernunft kommen. (…)*. Heutzutage sitzen sogar mehrere (…)* im Gemeinderat und erdreisten sich, eine Marktgemeinde mit 8.000 Einwohnern verantwortungslos und mit sich selbst beschäftigt in den Stillstand zu führen. Schilda lässt grüßen.

    Man hat sich in den letzten Jahren zur Lachnummer im Bereich der Lokalpolitik gemacht. In umliegenden Gemeindeparlamenten ist der Begriff „Sitten wie in Vorchdorf“ zum Running Gag geworden. Leute, eignet euch endlich ein Mindestmaß an politischer Handwerkskunst an oder kommt wenigstens menschlich zur Vernunft.

    Der Philosoph Immanuel Kant beschrieb in seinem Hauptwerk unter anderem, dass sich die Vernunft als oberstes Erkenntnisvermögen selbst zum Gegenstand einer Selbstkritik machen kann. Das wäre auch in Vorchdorf höchst an der Zeit. Doch davon sind wir leider (noch) Lichtjahre entfernt.

    Edtmeier Ende!

    *Hinweis der Redaktion: Der Text wurde an diesen Stellen aus rechtlichen Gründen entfernt.

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  3. Michael Praschma Beitragsautor

    Eine notwendige Ergänzung zum von mir als nachvollziehbar bezeichneten Vorwurf gegenüber der Liste Vorchdorf wegen des Herausschneidens eines Teils der Videoaufzeichnung der Dezembersitzung des Gemeinderates: Diesen Ausschnitt (Tagesordnungspunkt „Allfälliges“) hat die LV später doch veröffentlicht, nachdem die genannten Vorwürfe laut geworden waren.

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  4. Alfred E. Neumann

    Bei der Lektüre dieses Artikels raucht einem schon ganz schön der Kopf. Zumindest mir. Verstehen muss man das aber eh alles nimmer, wo es doch so einfach wäre: einen Live-Stream in guter Qualität zur vollumfassenden Information der Vorchdorfer produzieren, mit späterer Zugänglichkeit, wenn man denn verhindert war und doch wissend sein will.
    Für mich ist aber längst erwiesen, dass die Dorfregierung inkl. -verwaltung alle Wege gegangen ist, um die bisherigen Übertragungen zu stoppen: Lächerlichste Klagen, kein Einlass zum rechtzeitigen Aufbau der Technik, die klare Aussage des Bürgermeisters im Interview, dass er den Live-Stream eh nicht mag, sowie die wochenlang verschleppte Info von erstaunlichen Erkenntnissen der Landesjuristen (was wurde denn dort seitens der Amtsleitung konkret angefragt? Von alleine werden sich die Linzer Juristen wohl nicht gemeldet haben!) sind ja mehr als genug Beleg dafür. Eh klar, man will halt einfach nicht, dass 700 oder mehr Vorchdorfer den Gemeinderat (einmal Drama, dann wieder Kabarett) mitverfolgen können.
    Durchaus verständlich, wenn man die Darbietungen kennt: Von den blauen Stille-Post-Spielen über das planlose schwarze Handerl-in-die-Höhe und wieder runter, das grüne „Ich mag ja eh nix sagen“ und andere leicht hysterische Darbietungen bis hin zur inakzeptablen, orangen Pumuckl-Bezeichnung (oder sollte es gar Pinocchio heißen?), der Rot-ist-tot-Show (oder warum gibt es von dort quasi keine Wortmeldungen mehr). Herzerfrischend dagegen die kritischen Statements vom pinken Ersatzmitglied – genau das braucht es und hoffentlich bald wieder!
    PS: Sehr löblich aber auch das Abstimmungsverhalten von GR Radner: entgegen der schwarzen „wir sind immer dagegen“-Parteilinie gestimmt und damit einen Live-Stream ermöglicht! Ich hoffe ja nur, das war kein Irrtum beim Händchen-in-die-Höhe-Spiel!?!

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