3. Juli 2024
Es war die Liebe, die sie 1989 nach Vorchdorf holte. Seither praktiziert Dr. Claudia Westreicher als Wahlärztin in der Bahnhofstraße. An dieser Adresse hat sich schon der Urgroßvater von Ehemann und Gemeindearzt Richard um das gesundheitliche Wohl der Vorchdorfer gekümmert.
Angesichts ihres umfangreichen Engagements in der Standesvertretung, u. a. als Vizepräsidentin der Ärztekammer OÖ, liegt die Frage nahe, ob es jemals Interesse für eine Funktion in der (Orts)Politik gab. „Nein, das würde nicht zu meinem Beruf passen; für meine Patienten will ich unabhängig sein.“ Wenn sie sich wo engagiert, dann will sie auch etwas bewegen und verändern. „Als Mensch, dem der Konsens sehr wichtig ist, würde die Politik einfach nicht zu mir passen“, ergänzt sie.
Womit wir unweigerlich beim Status quo der Vorchdorfer Politik landen. „Das Wichtigste wäre, wieder zu einer vernünftigen Gesprächsbasis zu finden. Man muss doch miteinander reden! Tut man das nicht, ist das wohl das Schlechteste, das dem Ort passieren kann.“ Sie hat jedes Verständnis dafür, dass man sich Aufklärung von Altlasten wünscht und auch darauf drängt – aber es kann irgendwann auch einmal zu viel werden. „Nach Jahren ständig weiter nach Läusen zu suchen, das macht doch keinen Sinn mehr. Dadurch geht ja überhaupt nichts weiter“, sieht sie die eher verfahrene Situation recht pragmatisch. Von daher ihr Wunsch nach mehr Zusammenhalt in der Politik, um den gemeinsamen Fokus auf die Zukunft der Gemeinde legen zu können.
Generell muss aus ihrer Sicht das Niveau der Gesprächskultur wieder steigen. Sehr interessant auch ihre Idee eines Schulungsangebots für Gemeinderäte zu Rechten, Pflichten und Möglichkeiten, um deren Wissen und Qualifikation zu heben.
Blickt man aus Dr. Westreichers Ordinationszimmer, sticht einem unweigerlich die Lücke in der Häuserfront in der Bahnhofstrasse 14 (vulgo „Ein-Euro-Grundstück“) ins Auge. Sie kann sich für jede sinnvolle und in das Ortsbild passende Bebauung erwärmen. Der vom Eigentümer anfangs geplante fünfstöckige Bau entspricht diesem Wunsch aber nicht. „Warum muss denn das ein Stundenhotel auf Monatsbasis sein“, spielt die Medizinerin auf die als „Boarding House“ bezeichnete Planung von Wohnungen an, die für eine kurzfristige Vermietung, z. B. von Mitarbeitern oder Besuchern von Betrieben, gedacht sind. Zwischenzeitlich hat sich das Zimmerangebot im Ort durch den Ausbau beim Gasthaus Ziegelböck und der Pension Denk allerdings deutlich verbessert. Sie könne sich in dieser Zentrumslage daher durchaus Wohnungen vorstellen. „Was ich aber kritisch sehe, wäre die Gemeinde als Bauträger. Das erinnert mich unweigerlich an das Projekt des Gesundheitsdienstleistungszentrums unseres Altbürgermeisters und seines damaligen Amtsleiters. Da hat es eindeutig an Fachwissen gefehlt und das Ergebnis spricht für sich.“
Ähnlich kritisch denkt sie über die „Champs de Schimpl“, wie sie die Bahnhofstrasse mit einem spitzbübischen Lächeln nennt. „Es gab damals ein Bürgerbeteiligungsverfahren, aber das war leider völlig für´n Hugo!“. Sie räumt aber ein, dass die Gestaltungsmöglichkeiten für die Gemeinde in diesem Bereich nicht einfach sind, da man ja mit vielen privaten Grundbesitzern eine Lösung für z. B. Begrünungen finden müsste. Apropos Grundbesitz: Den Ankauf der Kitzmantel-Villa, zur Zeit als Kulturvilla genützt, hält sie grundsätzlich für gut und richtig.
Wäre sie Bürgermeisterin, was wäre im übertragenen Sinne ihre „Medizin“ für mehr Wohlbefinden im Ort? „Ich würde einen Mediator holen! Eine professionell ausgebildete Person kann die momentane Situation auflösen.“ Auch wenn das sicher eine Mammutaufgabe sei, wenn sie an die teilweise schon übermäßig aggressive Kommunikation denkt. Sie selbst ist Vorsitzende der Schlichtungskommission in Standesfragen der Ärztekammer OÖ und kennt von daher die Probleme von verschiedenen Rechtsansichten. Die ständigen Kränkungen müssen unverzüglich aufhören.
Entschuldigungen, und zwar auf beiden Seiten, hält sie für eine Grundvoraussetzung. Nur so kann das Ziel einer Schlichtung, nämlich eine gemeinsame Lösung des Konflikts, gefunden werden. „Außerdem würde ich wahrscheinlich mehr Härte an den Tag legen, wenn meine Mitarbeiter zur Zielscheibe im politischen Konflikt werden“, fügt sie entschlossen hinzu.
Neben ihrer Tätigkeit als Obfrau des Heimat- und Kulturvereins der Gemeinde engagiert sich Dr. Westreicher auch rund um die Narrensitzungen in der Faschingszeit. Der Ideenpool für das nächste Jahr ist bereits gut gefüllt. Aber für alle Neugierigen: Noch waren keine konkreten Themen in Erfahrung zu bringen. „Wie man aber weiß, hat sich die Narrensitzung noch nie aus der Politik herausgehalten“, verrät uns Dr. Westreicher augenzwinkernd. Der Fasching beginnt aber eh schon in vier Monaten …
Auch dieses Sommergespräch endet mit einer sehr klaren Ansage auf die Frage, wie denn ihre Botschaft an die (Orts)Politik lauten würde: „Hört´s auf zu streiten, arbeitet´s endlich zusammen!“.