4. Juli 2024
Meinung am Donnerstag
Nein, ich bin definitiv kein Fußball-Fan. Der Auftritt der österreichischen Nationalmannschaft bei der EM hat aber auch mich begeistert. Weniger wegen der Spielstärke (ich bin keiner der unzähligen Möchtegern-Teamchefs, die sich da auskennen), sondern vor allem aus einem ganz besonderen Blickwinkel.
Einen Hype um unser Team kennt man als gelernter Österreicher ja schon von einigen Großveranstaltungen. Von daher müssten wir ja längst mehrfacher Europameister sein. Heuer beeindrucken aber andere Eigenschaften nachhaltig, die da sind: der Teamgeist, die Auftritte der Spieler bei Medienterminen, der unbändige Wille und Optimismus, das Gefühl, von den mannschaftlichen Fähigkeiten überzeugt zu sein und sich jederzeit auf seine Kameraden verlassen zu können. Macht einer einen Fehler, schimpfen die anderen nicht, sondern motivieren sich gegenseitig. All das begeistert auch jemanden, der eigentlich kein Wuchtel-Fan ist.
Schwenk auf den Gemeinderat am Dienstag. Es war absehbar, dass der politische Abend bei 49 (!!!) Punkten auf der Tagesordnung ein langer wird. Am Dienstagabend hat also der Gemeinderat mehr interessiert als das Achtelfinalspiel unseres Teams gegen die türkische Auswahl. Okay, kommentar- und damit tonlos ist der Fernseher mitgelaufen, aber der Livestream aus der Kitzmantelfabrik hatte für mich Priorität.
Ohne auf Details einzugehen, gab es aus meiner Sicht einige durchaus positive Entscheidungen der Gemeinderäte, oftmals sogar mit Einstimmigkeit untermauert. Was es aber auch gab, waren durchaus aggressive Wortmeldungen, Anschuldigungen, Unterstellungen und sogar unterirdische Beleidigungen – alles Dinge, die mich als interessierten Zuseher nur noch entsetzt zurückgelassen haben. „Das Niveau der Kommunikation muss wieder steigen“, sagte Dr. Claudia Westreicher letzte Woche im Rahmen unserer Sommergespräche. Und, nein, sie ist nebenberuflich keine Hellseherin, aber wie richtig sie mit ihrer Aussage liegt, hat der vorgestrige Abend eindrucksvoll bewiesen!
Anderer Blickwinkel: Man stelle sich vor, der Gemeinderat wäre unser Nationalteam und der Bürgermeister der Trainer. Wie schön wäre es doch, wenn der Coach seine Spieler zu so einer verschworenen Einheit formen könnte, wie es Ralf Rangnick geschafft hat. Auch er hat ganz sicher mit unterschiedlichsten und vielleicht sogar schwierigen Charakteren zu tun. Da wird es auch Freunde und Konkurrenten geben. Die Kunst ist wohl, mit einer klaren Vision allen Spielern ein Ziel zu vermitteln und ihnen klarzumachen, dass sie dieses nur gemeinsam erreichen können. Die einen wollen ihre Spiele gewinnen, die anderen die Gemeinde lebens- und liebenswerter machen. Dafür müssen aber sowohl Fußballer wie Gemeinderäte ähnliches tun: Miteinander reden, anpacken, sich reinhauen und notfalls Fehler eines anderen ausputzen. Gemeinsam halt.
Ob es nun um Tore am grünen Rasen oder Projekte in Vorchdorf geht, wichtig ist in beiden Fällen, dass man das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verliert. Das ÖFB-Team hat zumindest mir den Eindruck vermittelt, vom Trainer sehr gut vorbereitet zu sein und seine Vision ganz klar vor Augen zu haben. In der Gemeinde fehlt mir persönlich diese Klarheit, ehrliche Transparenz und der notwendige Respekt vollkommen. Oftmals gibt es diese gemeinsame Ziel eben nicht, dafür gerne auch mal jeder gegen jeden. Wird Kritik geäußert, wird nicht besonnen gegenargumentiert, sondern die Keule (Stichwort: Gelbe und oder gar Rote Karte) geschwungen. Offene und transparente Information – nicht für die, die hinterfragen. Und das sagen mache sogar noch unverholen!
Es stört mich, wenn z. B. falsche Zahlen zugelassen werden, um eine gut gemeinte Initiative ins Lächerliche zu ziehen: 154 Unterzeichner der Friedenspetition sind 2,6 % von 5.899 Wahlberechtigten, nicht 0,02 %, wie behauptet wurde. Das ist prozentuell weit mehr, als für ein Volksbegehren notwendig wäre. Auch die Frage, ob ein Livestream des Gemeinderates wegen angeblich geringer Zugriffszahlen sinnvoll ist, stellt sich aus Demokratie-Sicht wohl nicht, vor allem wenn ein Vielfaches der Zugriffe erst Tage danach erfolgen, wie sie die aufgezeichnete Version der Gemeinderats-Videos aufweist. Ebenso, ob jemand an einem Ausschuss teilnimmt oder eben nicht, kann wohl nicht zu einem Sprechverbot im Gemeinderat führen. Ein oberlehrerhaftes Auftreten steht zudem wohl niemanden zu, egal ob er „nur“ Gemeinderat, Fraktionsobmann oder Bürgermeister ist. Hier geht es um Respekt! Jemanden mit zweideutigen Formulierungen persönlich zu beleidigen, erfordert irgendwann zumindest die Gelbe Karte. Vergessene fremde Unterlagen lächelnd einzusacken, hat nichts mit Ehrlichkeit zu tun. – All das willkürlich herausgegriffene Momentaufnahmen aus unterschiedlichen Tagesordnungspunkten. Wohltuend waren gestern die wenigen sinnstiftenden Wortmeldungen, vornehmlich von Spielern und Spielerinnen in grünen bzw. pinken Dressen.
Jetzt, da Österreich leider nicht mehr im Bewerb ist, kann, wer Lust auf schlechte Unterhaltung, aber immerhin eine politische Lehrstunde hat, mit Chips und Bier die Couch aufsuchen und sich die Videoaufzeichnung zu Gemüte führen.
Der Gemeinderat macht jetzt Sommerpause, drum können wir uns auf die kommenden Spiele der Fußball-EM freuen. Wer wird wohl Europameister werden? Ich bin überzeugt, dass die Mannschaftsleistung ausschlaggebend sein wird. Vielleicht lassen sich unsere Gemeinderäte davon ja bis zu ihrer nächsten Sitzung ein wenig inspirieren.
Zwei Fragen, die mich noch beschäftigen: Wer übernimmt David Alabas Rolle als beruhigender, aber kompetenter Non-Playing-Captain im Gemeinderat und wer wurde am Dienstag eigentlich „Spieler des Abends“?
fragt sich mit etwas bangen Grüßen
Alfred E. Neumannn
(Hinweis der Redaktion: Ebenfalls heute erscheint eine Schilderung der Eskalation der Auseinandersetzung im Gemeinderat unter „Allfälliges“, die Rücktrittsforderungen an die Liste-Vorchdorf-Vertreter Limberger und Sprung zur Folge hatten.)