Über den Umgang mit unterschiedlichen Meinungen

25. September 2024
Gastkommentar von Thomas Edtmeier

„Linke Sekte, rechtes Gesindel, Klimakleber, scheiß öffentlich-rechtliche Medien, geh sterben Digga“, so wird heutzutage vor allem in den sozialen Medien – nennen wir es mal so – argumentiert. Keine Spur mehr von Respekt oder auch nur einem Ansatz von Diskussionskultur. Von S. G. Tallentyre und seinem Voltaire zugesprochen Zitat gar nicht zu reden: „Ich missbillige, was du sagst, aber ich würde bis auf den Tod Dein Recht verteidigen, es zu sagen.“

Nein, es gibt nur noch Frontal- und Totalopposition. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Wer meine Meinung nicht zu 100 Prozent teilt, ist mein Feind. Wie soll denn bitte so eine Gesellschaft, egal ob in einem Dorf wie Vorchdorf, einem Land oder höchst optimistisch gedacht gar einem Kontinent, funktionieren?

Der ideologische und intellektuelle Austausch, das gesunde Streitgespräch haben uns doch in der gesamten Menschheitsgeschichte stets vorangebracht. Und damit meine ich nicht, dass „der Klügere stets nachgeben“ sollte. Denn dann würde man ja der Herrschaft der Dummen das Wort reden.

Aber wir leben aktuell in einer Zeit des ausschließlichen Schwarz-Weiß-Denkens: Es gibt beispielsweise nur Klimawandelleugner, denen alles sowieso wurscht ist, oder Klimawandeljünger, die eine CO2-Reduzierung bis zum symbolischen Einstellen der eigenen Atmung fordern. Es gibt Putin-Versteher und ukrainische Kriegstreiber, die den Dritten Weltkrieg herbeisehnen. Liste beliebig erweiterbar. Aus- und abgewogene Sichtweise – Fehlanzeige. Wissenschaftsbasierte Abwägung sowieso.

Eine Parallelverschiebung – beispielsweise auf die Kommunalebene in Vorchdorf – kommt dabei auf Basis anderer Themen ebenfalls nicht besser weg. Auch hier regiert nicht der Wettkampf der besten Köpfe und Ideen, sondern vielmehr eine Art geistige Sippenselbstbeschränkung. Frei nach dem Motto: Diese Idee kommt von ungewünschter Seite, ist zwar gut, darf aber nicht goutiert werden.

Paul Watzlawick prägte einen historischen Satz: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ Stimmt eigentlich. Doch diese aktuelle, geradezu unüberwindbar scheinende Form der strikten Ablehnung und überhöhten Feindseligkeit gegenüber allem, was einem politisch, persönlich, familiär oder privat gerade nicht in den Kram passt, führt nunmal zu keiner Kommunikation mehr. Sie verhindert vielmehr die intellektuell basierte Argumentation des eigenen Standpunktes und lässt die Disziplin des gesunden, argumentativen Aufeinandertreffens einfach aussterben. Und das gilt von globalen Agenden bis hinunter in die kleinste politische Einheit einer Gemeinde wie Vorchdorf.

Auf die Wahrheit als Tochter der Zeit sollten wir nicht warten – konnte übrigens noch nie jemand, der Zielführendes für die Allgemeinheit im Sinne hatte. Wir müssen dahin zurückkehren, wieder miteinander zu reden, uns auszutauschen – ja vielleicht auch trefflich zu streiten. Auf Augenhöhe. Mit Respekt. Und vor allem mit einem Mindestmaß an Intellekt. Aber in erster Linie abseits der anonymisierten Social Media Accounts, mit denen Hass- und Brachialkommentare aus einem geschützten Bereich erst möglich wurden – samt deren teils dramatischen Folgen in der analogen Realität unseres Zusammenlebens.

In der gesamten Geschichte der Demokratie war die fundierte Argumentation und der faire Wettstreit der besten Ideen mit einer Mehrheitsentscheidung am Ende eine jahrtausendlange Siegesformel, die prosperierende Gesellschaften geschaffen hat. Nicht das reflexartige Anpatzen, das hysterische Beleidigen oder die haltungslose Diffamierung des Andersdenkenden. Denn das hat stets in dunkle Zeiten geführt.

Kehren wir in unserer Gesellschaft doch wieder zu Ersterem zurück: Auf politischer Ebene, im täglichen Austausch, als Nachbarn, als Geschäftspartner oder einfach nur als zufällig Aufeinandertreffende.

Mit Respekt, guten Argumenten und am Ende des Tages doch stets mit einem erhobenen Haupt. Selbst wenn wir uns mit unserer Meinung einmal nicht durchgesetzt haben.

Das würde sich nämlich „funktionierende Gesellschaft“ und Gesprächskultur nennen.

Edtmeier Ende!

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