Update #9: Zählstelle Pfandsystem – Gemeinderat: Fahrverbot ja, Kostenübernahme Rechtsanwalt nein!

13. Dezember 2024

Gleich zwei Anträge zum Thema der Zählstelle in Point 11 fanden den Weg auf die Tagesordnung des Gemeinderats am 10. Dezember. Nachdem sich der Bau- und Straßenausschuss zuvor bereits mehrheitlich auf ein Fahrverbot (mit Ausnahmeregelungen) ab 3,5 Tonnen für die Zufahrtsstraßen (bzw. -wege) verständigt hat, kam es unter Tagesordnungspunkt 23 zu einer Abstimmung. Um Kosten einer anwaltlichen Unterstützung der Anrainerschaft, von der viele die Sitzung vor Ort verfolgten, ging es dann unter Punkt 27.

Nach einem anfänglichen Hick-Hack zwischen Ausschussobmann und Vize-Bürgermeisterin, die diesmal anstelle des erkrankten Hans Mitterlehner die Sitzung führte, wer denn nun diesen publikumsträchtigen Antrag vortragen darf, kam es dann zu einem beeindruckenden, weil einstimmigen Beschluss. Einige Mitglieder des Bau- und Straßenausschusses dürften somit ihre Meinung noch geändert haben (oder der Parteiräson gefolgt sein). Wie auch immer, nach monatelangem Stillstand ein erstes, sehr klares Zeichen gegen das geplante Projekt. Der Beschluss des Vorchdorfer Gemeinderats untermauert, dass man geschlossen für den Schutz der Anrainer, der dortigen Landschaft und letztendlich auch der Straßen ist, für die man hohe Instandhaltungskosten aufgrund des zu erwartenden Verkehrsaufkommens befürchtet.

Vorchdorf traut sich, Eberstalzell kneift

Das ebenfalls betroffene Eberstalzell wollte Gerüchten zufolge ebenfalls über ein Lkw-Fahrverbot abstimmen, was aber in der dortigen Gemeinderatssitzung am Mittwoch dieser Woche wohl nicht geschah. Dass es hier zu einigen (politisch motivierten) Interessenskonflikten kam, wird allerdings nur hinter vorgehaltener Hand geäußert.

Das gesamte Verfahren scheint aber durchaus holprig abzulaufen. Ein Sachverständiger war beispielsweise verwundert, dass das Thema der Zufahrt nicht auch Teil eines Gewerbeverfahren ist. Laut Gemeindevorstand Ettinger existiert dort aufgrund von abgelaufenen Genehmigungen aus der Vergangenheit keine Zufahrtsberechtigung für einen Betrieb. Er führt weiters aus, dass Point 11 in der Ausschreibung des Ministeriums gar nicht als der sogenannte Nullpunkt, also der optimale Standort, definiert ist. Das soll Sattledt sein, weil sich dort Hauptverkehrsachsen treffen. Eine 6 Kilometer lange Zufahrt über Güterwege soll dagegen vermieden werden. Der Geschäftsführer der beauftragten Betreibergesellschaft, Ing. Reinhard Kerschner, hat das in einer Bürger-Info übrigens gänzlich anders dargestellt. Es stellt sich somit weiterhin die Frage, wie man dann überhaupt auf Point 11 kommen konnte.

Die Risiken des Verfahrens

Wie bereits berichtet, untersteht die für die Ausschreibung zuständige EWP gGmbH dem Umweltministerium. Vorchdorf soll der größte Standort werden, in Dobl (Steiermark) und Schönwies (Tirol) sind geringere Mengen geplant. Laut Ausschreibung sind für Vorchdorf 50 Lkw täglich (= 100 Fahrten) zu erwarten. Die beiden anderen Standorte liegen aber sowohl an Autobahnen als auch in Gewerbegebieten. Warum es zu Point 11 kam, ist somit eigentlich nicht nachvollziehbar. In Schönwies kämpfen übrigens seit dem Sommer 400 Anrainer mittels einer Unterschriftenliste gegen den Standort, weil sie Lärm- und Geruchsbelästigungen befürchten. Dort ist man also schon deutlich früher informiert worden. Leider sind uns die Berichte in der Tiroler Tageszeitung nicht kostenfrei zugänglich gemacht worden.

Vizebürgermeister Alexander Schuster hat eine Anfrage an seinen Parteikollegen Verkehrs-Landesrat Steinkellner zum Thema gestellt. Schuster unterstreicht sein größtes Verständnis für die Anrainer, verweist aber auf mögliche rechtliche Probleme. Im Falle eines Fahrverbotes sei laut Landesratsbüro auf das verfassungsrechtlich garantierte Recht „auf Freizügigkeit des Vermögens sowie die Freiheit der Erwerbstätigkeit“ zu achten. Eine Entscheidung über das Fahrverbot liegt darüber hinaus bei der BH Gmunden.

Eine Frage drängt sich aber immer wieder auf: Warum kommt es erst jetzt, also 3 Wochen vor dem geplanten Start der Zählstelle am 1. Jänner 2025, zu hektischen Abwehrbemühungen, wo man seitens der Gemeinde doch schon gut und gerne 9 Monate von dem Vorhaben weiß?

Ersatz-Gemeinderat Peter Schobesberger (NEOS) äußerte eine berechtigte Befürchtung: Kann es zu einer „Verschlimmbesserung“ kommen, wenn zwar große Lkw nicht anfahren können, dafür aber dann umso mehr Kleinlaster über die Straßen fegen?

Wo fängt´s an, wo hört’s auf?

Im Tagesordnungspunkt 27 beantragte die Liste Vorchdorf die Kostenübernahme einer anwaltlichen Unterstützung seitens der Gemeinde für die Anrainerschaft, um eine wirksame Vertretung zu ermöglichen. Es folgen Hinweise von Ettinger, dass der Bürgermeister bereits im Rahmen der Info-Veranstaltung seitens einer Anrainerin aufgefordert wurde, für die Genehmigungsverhandlung auf anwaltliche Unterstützung zurückzugreifen.

Ein weiterer Hinweis war, dass der Vorchdorfer Bauamtsleiter umfangreiches Wissen zu den alten Genehmigungsverfahren habe, aber vom Bürgermeister bisher nicht hinzugezogen wurde. Daher waren die Anrainer gezwungen, sich selbst alle relevanten Informationen zu beschaffen. Außerdem habe sich die Anrainerschaft bereits organisiert und einen Rechtsanwalt aus eigenen Mitteln engagiert. Es könnte also eine Rechtssache gegen das Ministerium werden, die man ohne professionelle Unterstützung wohl kaum erfolgreich durchfechten kann.

Vizebürgermeisterin Kriechbaum informiert, dass sich die Gemeinde beim Gemeindebund informiert hätte und von dort auf den „Gleichheitsgrundsatz“ verwiesen wurde. Damit könnten zukünftig Bürger für andere Verfahren gleiches von der Gemeinde einfordern. Peter Schobesberger (NEOS) sieht es durchaus problematisch, würde die Gemeinde Anwaltskosten übernehmen, ohne zu wissen, wie umfangreich das Verfahren werden kann und welche Kosten zu erwarten sind. „Wo fängt´s an, wo hört´s auf“ lautete der berechtigte Hinweis. Ettinger dagegen sah den Bedarf für die Rechtsberatung auch für die Gemeinde als gegeben. Norbert Ellinger (Grüne) verweist auf den damaligen Kampf gegen die 110-kV-Leitung, bei der es Unterstützungszahlungen von Gemeinderatsmitgliedern auf ein für Rechtsberatung eingerichtetes Konto gab. Ein interessanter Ansatz, da auf diesem Wege alle Vorchdorfer:innen einen Beitrag leisten könnten. Er sieht zudem Unterschiede in den Ausführungen Ettingers und dem Text des Antrags und teilt somit die Befürchtungen von Schobesberger. Der Gleichheitsgrundsatz sei ebenfalls unbedingt zu beachten.

Trotz breiter Anerkennung für Ettingers Engagement in der Sache seitens einiger anderer Fraktionen wird der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Übrigens, die Möglichkeit, als Bürger:in einen Beitrag für die Rechtsanwaltskosten der engagierten Anrainerschaft zu leisten, ist davon selbstverständlich unberührt! Wir stellen gerne den Kontakt her.

3 Gedanken zu „Update #9: Zählstelle Pfandsystem – Gemeinderat: Fahrverbot ja, Kostenübernahme Rechtsanwalt nein!

  1. Gottfried und Ingrid Ohler

    Wir möchten es nicht bei der Anerkennung der Anrainerschaft und ihrem Engagement belassen und die Mitglieder nur mental unterstützen.
    Wir wollen auch unseren finanziellen Beitrag für die anfallenden Rechtsanwaltskosten leisten und würden uns freuen, wenn diesbezüglich ein Konto eingerichtet würde, auf das wir als Vorchdorfer Gemeindemitglieder unseren Obolus beitragen können.

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    1. Alfred E. Neumann Beitragsautor

      Liebe Ingrid, lieber Gottfried,
      vielen Dank für Eure beabsichtigte Unterstützung! Wir stehen in Kontakt mit der Anrainerschaft und sollten in den nächsten Tagen sowohl die Kontonummer als auch Informationen zur Ausgestaltung des Treuhandkontos zu erhalten, um für bestmögliche Transparenz sorgen zu können. Gerne werden wir dieses Wissen teilen, auch im Sinne einer breiteren Unterstützung.
      Nochmals ein herzliches Dankeschön und liebe Grüße.

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  2. Bernhard Ettinger

    Die Vize-Bürgermeisterin hat hier ganz klar ihre Kompetenzen überschritten, die Gemeindeordnung missachtet und die Vorsitzführung für eigene Zwecke missbraucht.

    “Das Recht der Berichterstattung über einen von einem Ausschuss beschlossenen Antrag an den Gemeinderat fällt dem Obmann dieses Ausschusses zu.”

    Würde die Vize-Bürgermeisterin die Gemeindeordnung kennen und das Gesetz respektieren, hätte es kein Hick-Hack gegeben. Ist das zu viel verlangt für eine Vize-Bürgermeisterin?

    Das Pikante daran: Auf der einen Seite sich über Aufsichtsbeschwerden beschweren. Auf der anderen Seite Gesetze ignorieren und Mandatare provozieren. Mehrmals ist das so passiert und mehrmals hat die Direktion für Inneres und Kommunales (IKD) die Gemeinde gerügt.

    Die Angst vor “Verschlimmbesserungen” halte ich jedenfalls für unbegründet. Ein Beschluss gilt nicht für alle Ewigkeit, sobald sich Gegebenheiten ändern, kann darauf reagiert werden. Jedenfalls sind mir keine Unternehmer aus dem Transportgewerbe bisher bekannt, die diese Befürchtungen teilen.
    Erwerbsfreiheit ist ein hohes Gut, allerdings ist nicht jedes Grundstück für jedes Vorhaben geeignet. Sattledt wäre sicherlich besser geeignet als ein Standort inmitten Vorchdorfs Feldern.

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