22. Januar 2025
Das Protokoll der Gemeinderatssitzung stimmt nicht. Oder es stimmt nicht, was die Gemeinde der Gemeindeaufsicht mitgeteilt hat. Und die Gemeindeaufsicht sagt, auch wenn das nicht stimmt, bleibt es dabei. Was ist passiert und was könnte passiert sein?
UPDATE 24.1.2025:
Zum Beschwerdepunkt des vorschriftswidrig eingebrachten Ausschlussantrags (nur ein Antragsteller statt mindestens drei; s. u.) gibt es nun ein Nachspiel. Die Liste Vorchdorf hat dazu eine abgeänderte neue Beschwerde bei der Gemeindeaufsicht eingebracht. Außerdem liegt eine Anfrage zu diesem Sachverhalt an Bürgermeister Johann Mitterlehner vor, die nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung bei der nächsten Gemeinderatssitzung beantwortet werden muss.

ÖVP-Fraktionsobmann Mario Mayr beantragt am 26.3.2024 den Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Gemeinderat hat im März letzten Jahres zu einem brisanten Tagesordnungspunkt per Mehrheitsbeschluss die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Redaktionsmitglieder des INVO.reports haben aus unterschiedlichen Gründen bei der Gemeindeaufsicht des Landes dagegen Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen, weil kein Grund zur Geheimhaltung bestand und daher willkürlich der Grundsatz ausgehebelt wurde, dass Gemeinderatssitzungen öffentlich sind. Daneben aber auch wegen eines an sich geringfügigen Formfehlers. Um den geht es hier.
Woher kommen die zwei fehlenden Antragsteller?
Gesetzlich ist es in der Gemeindeordnung klar geregelt: Der Gemeinderat kann die Öffentlichkeit ausschließen, wenn der Antrag dazu vom Vorsitzenden oder von drei Gemeinderäten gestellt wird. Tatsächlich hat aber der Fraktionsobmann der ÖVP Mario Mayr am 26. März 2024 den Ausschlussantrag allein gestellt. Das beweist nicht nur die Videoaufzeichnung der Sitzung, sondern auch die Verhandlungsschrift, die in der Gemeinderatssitzung vom 2. Juli 2024 genehmigt worden ist (unter anderem unterzeichnet von Mayr selbst). Sie gilt damit unwiderruflich. Ein Hinweis auf weitere Antragsteller (die sich aber sicher auch spontan gemeldet hätten) findet sich nirgends.
Die erwähnte Beschwerde wurde von der Gemeindeaufsicht abgewiesen. In ihrer Antwort vom 20. August 2024 schreibt die Behörde allerdings plötzlich, der Ausschlussantrag sei außer von Mayr auch noch von den ÖVP-Gemeinderäten Matthias Traunbauer und Gerhard Radner gestellt worden. Auf zweimalige Hinweise per E-Mail am 29. August und 24. Oktober reagiert die Juristin Dr. Heidemarie Kleinbauer zunächst gar nicht. In einem Telefonat in der vergangenen Woche schließlich quittiert sie den Hinweis auf die fehlenden zwei Antragsteller mit der Aussage „Das sagen Sie!“ – soll heißen: Weder das offizielle Protokoll noch die Videoaufzeichnung haben für sie Beweiskraft.
Was Unrecht ist, bleibt laut Gemeindeordnung Unrecht
Die folgende Diskussion über den nun also hypothetischen Fall, dass die Gemeindeaufsicht eine Entscheidung auf Grundlage falscher Informationen trifft, endet mit der Auskunft Kleinbauers, die Gemeindeordnung sehe nicht vor, dass eine solche „Enderledigung“ nochmals revidiert werde oder dass dagegen Berufung eingelegt werden könnte.
Unklar bleibt, wie genau jene Information ausgesehen hat, wonach eben auch Traunbauer und Radner den Antrag unterstützt haben sollen. Die Beschwerdeantwort der Gemeindeaufsicht erwähnt lediglich eine Stellungnahme des Gemeinderats zur Beschwerde und eine aufsichtsbehördliche Prüfung.
Nachlässigkeit, Falschaussage oder Dokumentenfälschung?
Offenkundig und unauflösbar ist der Widerspruch zwischen Verhandlungsschrift (1 Antragsteller) und Information, die der Gemeindeaufsicht vorliegt (3 Antragsteller). Theoretisch denkbar ist es zwar, dass Traunbauer und Radner auf irgendeinem Zettel den Antrag mit unterzeichnet haben, es wäre dann aber völlig unnachvollziehbar, dass Mario Mayr sagen sollte: „Ich möchte einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit stellen …“ – was er aber getan hat.
Ebenso wenig erklärlich ist es, dass die fehlenden beiden Antragsteller nicht in der Verhandlungsschrift aufgeführt sind, damit wenigstens pro forma ein ordnungsgemäßer Beschluss belegt ist. Das ist umso rätselhafter, als ja spätestens bei bei der Genehmigung dieses Protokolls seit Wochen bekannt war, dass eine Beschwerde gegen den Beschluss läuft, bei der es u. a. genau um diesen Formfehler geht.
Die Stellungnahme des Gemeinderats an die Gemeindeaufsicht enthält keine Angaben zu den Antragstellern. Es bleibt also nur, dass die Gemeindeaufsicht in einer gesonderten Mitteilung über die fehlenden beiden Antragsteller informiert wurde. Denkbar sind folgende Möglichkeiten:
- Der Antrag wurde von allen drei Gemeinderäten vor der Antragstellung (!) unterzeichnet – dann wurde beim Einbringen des Antrags, bei der Abfassung und/oder der Genehmigung des Protokolls geschlampt, denn laut Protokoll entspricht der Beschluss einfach nicht der Gemeindeordnung. Die Gemeindeaufsicht hat dann außerdem die Beschwerde nicht pflichtgemäß geprüft.
- Sollte Mario Mayr tatsächlich den Antrag allein gestellt haben, dann hätte die Person, die der Gemeindeaufsicht die besagten drei Antragsteller mitgeteilt hat, eine bewusste Falschaussage getätigt bzw. – falls nachträglich ein schriftlich von den dreien unterzeichneter Antrag angefertigt worden sein sollte – eine strafbare Dokumentenfälschung begangen, und zwar gemeinsam mit den Antragstellern.
Eine andere Hergangsweise – welche bloß? – hätte in der Stellungnahme des Gemeinderats enthalten sein können. Die beschränkt sich jedoch darauf, ohne weitere Begründung auf dem angeblich gesetzeskonform zustande gekommenen Beschluss zu beharren.
Kommentar:
Klärung und klare Konsequenzen bitte!
Dass derart dubiose Vorgänge unaufgeklärt bleiben, ist unerträglich. Es geht um einen Sachverhalt, bei dem es einfach nur eine Wahrheit geben kann. Und der Anschein spricht eben für mindestens mehrfache Nachlässigkeit, wenn nicht viel Schlimmeres. Wie soll man denn dem Gemeinderat als Ganzem noch trauen, falls er hinnimmt, dass so etwas im Raum stehen bleibt? Soll da etwa einfach Gras darüberwachsen? Traut sich wirklich niemand, die Wahrheit ans Licht zu bringen?
Außerdem: Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist so oder so höchst unbefriedigend, weil undemokratisch. Eine Novellierung der Gemeindeordnung muss zu eindeutigen und eng begrenzten Kriterien dafür führen, unter welchen Bedingungen ein solcher Ausschluss überhaupt möglich ist. Ausnahmen vom Grundsatz, dass der Gemeinderat öffentlich tagt, dürfen nicht willkürlich sein! Außerdem muss es möglich sein, Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Gemeindeaufsicht wenigstens in solchen Fällen einzulegen, wo es ums Eingemachte geht. Es erschüttert das Vertrauen in den Staat, wenn offenkundig fehlerhafte Entscheidungen ohne Weiteres rechtskräftig werden können.
(Michael Praschma)
Nach akribischer Recherche ein nicht zu übertreffender Bericht inklusive Gegenüberstellung von Ungereimtheiten und der Erkenntnis: Hier ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Jemanden von der Sitzung aussperren, ohne dass die rechtliche Grundlage gegeben ist, kann und darf man nicht als Kleinigkeit abtun mit Schwamm drüber und hoffen, dass es vergessen wird. Das ist der falsche Weg. Solches Denken und Verhalten ist hinderlich für eine positive Gemeindeentwicklung.
Und die Reaktionen der Gemeindeaufsicht zu diesem Fall stimmen einen auch nachdenklich.
‚Wie im Großen,so auch im Kleinen!“
Fällt mir da spontan dazu ein.🤔🤷🏻♀️