13. Februar 2025
Meinung am Donnerstag
„Blau sein“ – Dafür gibt es ziemlich viele Synonyme: Angeheitert, gar alkoholisiert oder auch ausgelaugt sein. Jeder hat wohl schon einmal sein „blaues Wunder“ erlebt. Man kann aber auch „das Blaue vom Himmel versprechen“, also ohne jede Hemmung Versprechungen abgeben, die man unmöglich halten kann – so geschehen beispielsweise beim Fertigstellungstermin des Vorchdorfer Bildungscampus‘. Wer will, begleitet mich bei einem Ausflug in umgangssprachliche Tiefen, um zu erfahren, was es mit der Farbe Blau und dem Bürgermeister auf sich haben könnte.
Mit einer „Fahrt ins Blaue“ verbinden wir normalerweise, dass jemand ziemlich ziellos startet und kein festes Ziel vor Augen hat. Das wiederum kann man auch jemandem zuschreiben, der ohne klare Vision und eher planlos durchs Leben, auch das politische, stolpert.
Gelb und Blau sind der Grund für den blauen Montag
Wer sich sein Wochenende (oder mehr) verlängern will, der macht sich einen „blauen Montag“. „Blaumachen“ bedeutet also, dass man ohne wirklich triftigen Grund nicht zur Arbeit erscheint – oder seine Aufgaben nicht rechtzeitig anpackt und erledigt. Wer dabei an die Never-Ending-Story rund um das Ein-Euro-Grundstück, an die vielen verlustreichen Jahre des Gesundheitsdienstleistungszentrums oder die monatelange Untätigkeit bei der Zählstelle Point 11 denkt, der ist natürlich selbst schuld!
Aber wem ist denn bekannt, dass dieser Kontext einen realen Hintergrund hat? Als die Blaufärber ihre Stoffe färbten, war der letzte Arbeitsschritt der entscheidende, wenn sich nämlich das gelbe Indoxyl in blaues Indigo verwandelte. Gefärbt wurde in der Regel am Sonntag, daher musste am Montag abgewartet werden, ob der Job gut gemacht wurde. Das Warten auf das Farbwunder hat man gerne mit ein paar Bierchen verbunden. Wurden es zu viele, dann waren die Kumpels gerne auch mal „blau“, also schlicht und ergreifend besoffen. Übrigens, der Montag nach einem Wahlsonntag ist für die FPÖ traditionell der „blaue Montag“ – was fällt uns jetzt dazu ein?
„Blauäugig“ dagegen hat genau nichts mit der Augenfarbe zu tun. Vielmehr zeichnet sich die betreffende Person durch ein besonders hohes Maß an Naivität aus, völlig unabhängig von der Augenfarbe. Gestern habe ich in einem Parteiblatt (nein, es war nicht blau!) gelesen, dass sich Frau Vizebürgermeisterin sicher sei, eine Lösung für die Zählstelle in Point 11 zu finden. Wirklich? Sieht man denn dem Treiben nicht schon seit dem Frühjahr 2024 blauäugig zu?
Frage: Warum tragen Politiker niemals einen „Blaumann“?
Stöhnt ein Sportler, er sei „blau“, so hat er in den seltensten Falle einen über den Durst getrunken, sondern sich völlig verausgabt. Die damit verbundene Unterzuckerung erinnert an den schwankenden Gang eines Betrunkenen – daher wohl auch dieser Kontext. Diese Art des „Blauseins“ zeugt allerdings von enormer Leistungsbereitschaft und –fähigkeit. Eigenschaften also, die nicht jedem in die Wiege gelegt wurden.
Der „Blaumann“ steht für den Dresscode eines fleißigen Arbeiters oder Handwerkers. Dass dieses Kleidungsstück leider immer mehr aus der Mode kommt, passt in die Zeit. Wer hat denn schon einmal einen Politiker im Blaumann gesehen?
Genug von blau? Dann nehmen wir doch grün dazu – und „ärgern uns grün und blau“, was noch immer besser ist, als jemanden „grün und blau“ zu schlagen. Der Spruch „Grün und Blau schmückt die Sau“ stammt dagegen von unseren deutschen Nachbarn (nein, ich denke jetzt an genau nix, denn die FDP ist in Deutschland ja gelb und nicht blau!). Das Sprichwort „Blau und Grün tragen die Narren zu Wien“ stammt dagegen unmissverständlich aus unserer Heimat. Aber, Irrtum, nicht aus diesen Tagen, sondern aus Karl Friedrich Wilhelm Wanders Sprichwörter-Lexikon der 1860er Jahre und hat mit der aktuellen Politik somit nichts zu tun – oder vielleicht doch?
Wenn euch, liebe Leser:innen, jetzt schon „ganz grün und blau vor Augen wird“, dann seid ihr umgangssprachlich ganz einfach entsetzt.
Ist der schwarze Mitterlehner gar das Vorbild für den blauen VoKaKi?
Wie ich überhaupt auf das Thema gekommen bin? Es ist die aktuelle Diskussion um kritische Medien: „Scheißblatt“ sagte Dominik Nepp, nicht amtsführender (!!!) FPÖ-Stadtrat in Wien, über den Standard, und es ist die unverhohlene Androhung, Presseförderung für ebensolche Medien zukünftig zu überdenken. Als absolutes No-go dann auch noch der Ausschluss von profil-Journalisten von einer Pressekonferenz des vorgeblichen VoKaKi (Volkskanzler Kickl). Das hat mich umgehend an meine Erfahrungen in Vorchdorf erinnert: Hat die FPÖ in Wien noch beengte Platzverhältnisse vorgeschoben, so hat mich der Bürgermeister zu Vorchdorf einfach mir nix, dir nix aus dem riesengroßen Festsaal der Kitzmantelfabrik verwiesen. Damit stellt sich mir die Frage: Wie steht es um das Demokratieverständnis der beiden Herren? Ist unser Bürgermeister denn gar blau? War Mitterlehners selbstherrliches Vorgehen das Vorbild für den VoKaKi?
Keine Angst, mir war damals nicht danach herauszufinden, ob Mitterlehner mich im Falle von Widerstand mit Blaulicht hätte abführen lassen. Er wird sich über diese Zeilen schon nicht „grün und blau“ ärgern. Und wenn doch, die Rettung (natürlich mit Blaulicht) wird er nicht brauchen.
Ob ich abseits meiner geliebten Blue Jeans etwas Gutes mit blau verbinde? Freilich: Erstens bedanke ich mich bei einem tatsächlich Blauen, nämlich Vize-Bürgermeister Schuster: Alex, mit deiner perfekten Anleitung wurde unser Kaiserschmarrn zu einer wahren Köstlichkeit! Was bin ich froh, dass wir auch über anderes als (blaue) Politik sprechen können. Und zweitens habe ich ehrlich gesagt wenig dagegen, dass seit gestern Blau in Wien nicht mehr die politische Modefarbe ist. Wobei, welche ist das schon?
… denkt sich ein blauäugiger (ja, wirklich!)
Alfred E. Neumann