Machen wir „Gemeinde-Bashing“? – INVO.report im Selbsttest

21. Februar 2025
Kommentar in eigener Sache von Michael Praschma

Wir fordern ja immer wieder dazu auf, uns Rückmeldungen zu geben. Passiert auch, und nicht immer lesen wir gerne, was da kommt. Zum Beispiel gestern: Unser „Gemeinde-Bashing“ käme in der Bevölkerung sehr schlecht an. Eine Frage hätte z. B. gelautet: „Sind wir als Gemeinde Vorchdorf wirklich so schlecht, wie uns der INVO.report immer darstellt?“ Aber wir überdenken das – hier das Ergebnis.

Wenn du etwas mit Einsatz, Überzeugung und, so denkst du dir, in bester Absicht tust, und das wird dann aber komplett anders aufgefasst, nämlich wirklich genau gegenteilig, das nimmst du nicht emotionslos hin; das macht dich wütend, traurig, auch etwas ratlos. So auch hier. Der erste Impuls ist: zurückschlagen! Die Ungerechtigkeit des Vorwurfs skandalisieren! Den Dreck, mit dem du beworfen wirst, anprangern! – Gut, das soll wahrgenommen und auch nicht verschwiegen werden. Aber es hat sich bewährt, dann erstmal tief durchzuatmen …

Wer ist hier die beleidigte Leberwurst?

Ich muss etwas ganz Einfaches zur Kenntnis nehmen: Es ist nett, wenn ich gute Absichten habe, aber erstens ist gut gemeint nicht unbedingt gut, und zweitens kann es fast nicht sein, dass es zu null Prozent an mir liegt, wenn meine guten Absichten nicht bemerkt, sondern beleidigend empfunden werden. Die Gegenseite als beleidigte Leberwurst zu disqualifizieren, würde die Sache eskalieren. Also was nun?

Gewissenserforschung auf der Faktenebene. Haben wir, der INVO.report, den Ort schlechtgemacht? Nehmen wir circa das letzte halbe Jahr, also seit September 2024. Das sind 53 Artikel bis heute. 16 davon stellen etwas dezidiert positiv dar; 5 sind gar nicht als positiv oder negativ zuzuordnen, weil es sich um rein sachliche Mitteilungen handelt, z. B. Ankündigungen von Gemeinderatssitzungen; den größten Teil nehmen mit 22 Beiträgen aktuelle Artikel ein, die keine Wertungen zu örtlichen Akteuren enthalten, ob privat, geschäftlich oder mit politischem Mandat, z. B. die meisten zum Thema Pfandsystem-Zählstelle; 10 Artikel schließlich üben tatsächlich missbilligende Kritik, sei es durch Kommentare oder die Darstellung von Fehlverhalten. Das wären dann ein knappes Fünftel aller Beiträge.

Ist die Gemeindepolitik dasselbe wie Vorchdorf?

Die „kritischen“ Artikel richten sich ganz überwiegend gegen Vorkommnisse bzw. Versäumnisse seitens Gemeindemandatar:innen. In keinem Fall haben wir Vorchdorf als Ort aufs Korn genommen. Das dürfte (ist aber jetzt aus der Erinnerung behauptet) überhaupt für alles gelten, was der INVO.report bisher veröffentlicht hat. Es sei denn, man fasst konstruktive Kritik als negativ auf – etwa, wenn wir aufgezeigt haben, wo im Ort mehr Grün gut wäre.

Warum nur bleibt dieses eine Fünftel bei manchen so unerfreulich (und rein vom Umfang her überschätzt) hängen? Ich habe drei Vermutungen:

  1. Schlechte Nachrichten bekommen generell mehr Aufmerksamkeit. So funktionieren nicht nur Facebook, X (Ex- Twitter) und Tiktok, sonder alle Medien, also auch wir.
  2. Sehr verständlich wäre: Wir alle werden zunehmend mit Horrornachrichten überschüttet; da wollen wir wenigstens direkt bei uns nicht noch mehr davon. Es tut weh.
  3. Anders als bei den allermeisten „Weltnachrichten“ sind die Personen, um die es bei der Kritik geht, ganz in der Nähe, vielleicht sogar Bekannte oder Freunde. Und dann wird es persönlich.
Wir dürfen das Gift nicht ignorieren

Es fühlt sich anders an als während der rund zehn Jahre, wo ich in ganz derselben Art für die Salzkammergut Zeitung geschrieben habe. Aber dasselbe ist eben nicht das Gleiche! Im Gegensatz zu damals sind Kontroversen heute giftiger – weltweit, und Vorchdorf ist da keine Insel der Seligen. Diese Spaltung vollzieht sich entlang unterschiedlichster Themen. Was da im Gemeinderat passiert, ist nur ein Teil. Aber: Die Gesamtsituation produziert ein Klima, in dem es immer schwieriger wird, einen Streit oder auch nur eine Meinungsverschiedenheit auszutragen.

So zu tun als ob … also als könnte man sorglos etwas kritisieren oder gar den Finger auf eine Wunde legen wie früher, das wird wohl nicht mehr funktionieren. Selbstverständlich bleibt es unsere Aufgabe als (Hobby-)Journalisten, auch Misstände aufzuzeigen. Dabei hat der INVO.report eine andere Rolle als etwa der Tipp Vorchdorf, der unter Leitung von Gerhard Radner höchst professionell und aktuell (vor allem als Tipp Online) die allgemeinen Geschehnisse im Ort in großer Breite aufgreift. Der Blattlinie, die der Werbering vorgibt, entsprechend läuft das seit gut drei Jahrzehnten ohne Einmischung in die Politik. Wir verweisen mitunter auf Artikel dort, vor allem wenn der Tipp, weil näher an mancher Quelle, schneller ist.

Aber ja, es wird weiter unser Job sein, uns neben den vielen, die gerade unseren kritischen Journalismus schätzen, auch denen zuzuwenden, denen genau das „schlecht“ vorkommt. Und das müssen wir besser machen als die Koalitionsverhandler in Wien mit ihren demonstrativ „ausgestreckten Händen“ (das Messer aber im Hosensack). Man möge das hören. Auch wegen dieser weisen Anmerkungen des (schwarzen!) Chefs des Österreichischen Gemeindebunds.

Ein Gedanke zu „Machen wir „Gemeinde-Bashing“? – INVO.report im Selbsttest

  1. Albert Sprung

    Liebes Team des INVO.report,

    euer Beitrag zeigt eindrucksvoll, wie schwierig es sein kann, mit Kritik umzugehen – sowohl in der Rolle des Kritikers als auch als Adressat der Kritik. Aber gerade das macht unabhängigen Journalismus aus: nicht nur das Angenehme und Unproblematische zu berichten, sondern auch die Fakten auf den Tisch zu legen, selbst wenn sie für manche unbequem sind.

    Es ist eine natürliche Reaktion, unangenehme Wahrheiten abzuwehren – das sieht man in der Politik genauso wie im persönlichen Umfeld. Doch das ändert nichts an der Realität. Wenn der INVO.report auf Missstände hinweist, bedeutet das nicht, dass ihr „Gemeinde-Bashing“ betreibt, sondern dass ihr eure journalistische Aufgabe ernst nehmt. Fakten verschwinden nicht, nur weil man sie nicht hören will.

    Dass einige Menschen sich von kritischen Berichten getroffen fühlen, ist nachvollziehbar – vor allem, wenn es um Themen geht, die direkt die eigene Gemeinde oder sogar persönliche Bekannte betreffen. Doch wer sich von der Wahrheit angegriffen fühlt, sollte sich vielleicht eher fragen, warum diese Wahrheiten so unangenehm sind, anstatt den Überbringer der Nachricht zu verurteilen.

    Eure reflektierte Auseinandersetzung mit dieser Kritik zeigt, dass ihr nicht nur bereit seid, Kritik zu üben, sondern euch auch selbstkritisch hinterfragt. Genau das macht guten Journalismus aus. Bleibt dran – denn Fakten müssen gesagt werden, auch wenn sie nicht jedem gefallen.

    Beste Grüße

    Antworten

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