Bürgermeister: „Ich bin gewählt worden, um mich einzumischen!“

7. März 2025

Diese glasklare Ansage stammt von einem Bürgermeister, dem es darum ging, sich im Zuge der neuen Recyclingverordnung gegen die Errichtung einer Zähl- und Sammelstelle für Einweggetränkeverpackungen in seiner Region einzusetzen. Seit über einem Jahr kämpft das Ortsoberhaupt bereits für seine Bürger:innen, deren Lebensqualität er durch dieses Projekt erheblich beeinträchtigt sieht. Wer wissen will, wer hinter diesen Worten steckt und was dagegen in Vorchdorf getan wird, der muss …

Es handelt sich um Bernhard Schöpf, den Ortschef im Tiroler Mils. Schöpf, aufgestellt von der „Zukunftsliste“, ist ein Mann klarer Worte – und er handelt: Gemeinsam mit Gemeinderat Harald Peham aus der besonders betroffenen Nachbargemeinde Schönwies hat er Einspruch gegen den im Jänner positiv erteilten Bescheid für die Tiroler Zählstelle eingelegt. Damit will er Fragen im Gutachten geklärt haben, die seiner Ansicht nach weiterhin offen sind.

In Vorchdorf liegt bis dato noch kein Bescheid des Landes Oberösterreich für eine Zählstelle an der Adresse Point 11, vulgo ehemaliger Urkornhof, vor. Von der Gemeinde seit der behördlichen Verhandlung im November 2024 bis zum Ende der Einwendungsfrist im Jänner 2025 ledigleich eine dreizeilige Stellungnahme: Man habe Bedenken hinsichtlich der Standortwahl in den Vorchdorfer Feldern und wünsche sich einen alternativen Standort. Ob diese Eingabe Wirkung auf die Entscheider hat, ist nicht bekannt. Die Möglichkeit von Einwendungen im Verfahren haben – im Gegensatz zu Tirol – hier vornehmlich die Anrainer genutzt.

Eine friedliche Gemeinde braucht keinen Rechtsanwalt

… sagte Bürgermeister Johann Mitterlehner bei der Bürgerinformation im Pfarrsaal – eine Bemerkung, die im Publikum Heiterkeit auslöste. Ohne kompetente Rechtsberatung, so  Anrainerin Karin Eich, sei es aber so gut wie unmöglich, in einem derart komplexen Verfahren den Überblick zu behalten und einen profund argumentierten Einspruch einzulegen. Sie selbst hat federführend einen auf Umweltthemen und Abfallwirtschaft spezialisierten Anwalt gesucht. Die nicht unerheblichen Honorare tragen die Anrainer. „Ich möchte diese Gelegenheit nützen, um mich im Namen unserer Anrainergemeinschaft für die Spenden einiger Bürger:innen und der Vorchdorfer Fraktionen der Grünen, der FPÖ und der Liste Vorchdorf zu bedanken!“, sagt sie. Man solle nicht vergessen, dass dieses Engagement allen Bürger:innen, aber auch der Gemeinde zugute kommt, sei es hinsichtlich der zu erwartenden Verkehrsbelastungen oder der zukünftigen Kosten für die Wegeerhaltung.

Karin Eich blickt neidisch nach Tirol: „Wir haben den Kontakt zur dortigen Ortspolitik gesucht und wissen daher, mit welchem Engagement man sich in Tirol für eine bessere Lösung starkmacht. Mit diesem politischen Rückhalt wären uns auch in Vorchdorf viele Dinge leichter gefallen.“ Immerhin wurde ihren Informationen nach die Gemeindespitze bereits im ersten Halbjahr 2024 über das Vorhaben in Point 11 informiert. „Wir dagegen haben erstmals von Gemeindevorstand Wolfgang Ettinger (Liste Vorchdorf) und durch die Berichte auf INVO.report von dem Projekt erfahren. Es war klar, dass wir dann sofort Druck gemacht haben, woraufhin es zu der Bürgerinformationsveranstaltung im November 2024 kam – nur einen Werktag vor der Vor-Ort-Verhandlung mit dem Land OÖ“, blickt sie zurück. Warum die Gemeinde nicht schon viel früher aktiv wurde, verstehe sie überhaupt nicht, ergänzt Eich. Sie selbst hat den Kontakt zu Ortspolitikern unterschiedlicher Parteien gesucht und eindringlich um deren Unterstützung auf Landesebene geworben. „Ob und vor allem was dann in Linz tatsächlich besprochen wurde, ist mir nicht wirklich bekannt. Vize-Bürgermeister Alexander Schuster hat wohl mit Landesrat Steinkellner gesprochen, der, obwohl sein Ressort für die Thematik nicht zuständig ist, wiederum mit dem Landeshauptmann sowie Umweltschutz-Landesrat Kaineder (Grüne) Rücksprache halten wollte. Dass unser Bürgermeister den Landeshauptmann im Zuge eines Parteitreffens auf Point 11 angesprochen hätte, wurde mir nur beiläufig erzählt“, schildert Karin Eich. „Ich habe aber nicht das Gefühl, dass viel Zeit und Energie in das Thema gesteckt wurde. Wahrscheinlich war einigen die Kartoffel doch zu heiß“, mutmaßt sie.

Weiterhin offen: Die Lösung der Vize-Bürgermeisterin

Immerhin gab es Aussagen der Vize-Bürgermeisterin, wonach es „sicher eine Lösung geben wird“. „Über 60 Vorchdorfer:innen haben einen Offenen Brief an Kriechbaum unterzeichnet, den unser Willi Fischereder dann zur Post gebracht hat. Dass Frau Kriechbaum aber ausschließlich ihn unangekündigt besuchte, das kann es ja wohl nicht gewesen sein. Mit uns als Gruppe hat sie jedenfalls nicht sprechen wollen“, ärgert sich Karin Eich über die Gesprächsverweigerung. „Wir haben ihr vermittelt, dass wir uns eine umfassende Information unserer Gruppe wünschen. Dafür sähe sie aber keinen Handlungsbedarf, wer etwas wissen wolle, könne sie ja anrufen. Ihre Telefonnummer würde man auf der Homepage der Gemeinde finden können!“ Die Tiroler Politiker wurden gewählt, um sich einzumischen. „Aber warum tun die Vorchdorfer denn das nicht auch“, fragt sich Karin Eich nachdenklich.

Nachdem die Einwendungsfrist am 17. Jänner abgelaufen ist, muss nun der Bescheid des Landes abgewartet werden. Wie es um die im Dezember 2024 vom Gemeinderat einstimmig beschlossene Zufahrtsbeschränkung (für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen) steht, ist ebenso unbekannt. Man konnte bislang nicht verlässlich bestätigen, dass der entsprechende Antrag bereits zur BH nach Gmunden geschickt wurde, berichtet Karin Eich.

„Jetzt das Richtige tun“ lautet die Überschrift des neuen Regierungsprogramms. Darin wird u. a. die Pfand-Rücknahmeverpflichtung für Kleinstbetriebe mehrfach in Frage gestellt. Deren Leergebinde sollen in die österreichweit vier Zählstellen (darunter die umkämpften Standorte in Schönwies und Vorchdorf) transportiert werden. Damit könnte für Vorchdorf „jetzt das Richtige getan werden“ – um z. B. die Ruhe rund um Point 11 zu erhalten. Die Agenden der vormals zuständigen Bundesministerin Gewessler sind seit dem 3. März bei Landwirtschaftsminister Totschnig angesiedelt – einem Tiroler übrigens. Ob auch Minister „gewählt wurden, um sich einzumischen“, wird von den Betroffenen mit Spannung erwartet.

 

Dieser Beitrag wurde am von unter Ansichten veröffentlicht.

Über Alfred E. Neumann

Anfang der Neunzigerjahre von Graz nach Oberösterreich ausgewandert; 2002 in Vorchdorf eingebürgert, will er die wunderbare Umgebung nicht mehr missen; informierte schon als Mitbegründer einer Schülerzeitung sein Umfeld; mag das Satiremagazin MaD; beruflich im Marketing und Produktmanagement beheimatet.

2 Gedanken zu „Bürgermeister: „Ich bin gewählt worden, um mich einzumischen!“

  1. Albert Sprung

    Klare Worte aus Tirol! Bürgermeister Bernhard Schöpf aus Mils zeigt, wie Gemeindepolitik funktioniert: Nicht stillhalten, nicht abwarten, sondern handeln. Gemeinsam mit dem Gemeinderat aus der Nachbargemeinde Schönwies setzt er sich gegen eine Sammelstelle für Einweggetränkeverpackungen ein – weil er überzeugt ist, dass sie seiner Gemeinde schadet. Und was tut er? Er stellt Fragen, er legt Einspruch ein, er kämpft für seine Bürger:innen. So geht Verantwortung!

    Und in Vorchdorf? Da übt man sich lieber im Schweigen. Während sich in Tirol die Gemeindepolitik als Vertretung der Bevölkerung versteht, begnügt man sich in Vorchdorf mit einer halbherzigen Dreizeiler-Stellungnahme. Bedenken äußern, aber ja nicht zu laut. Engagement? Fehlanzeige. Statt mutiger Worte und klarer Taten wie in Tirol gibt es in Vorchdorf eine Mischung aus abwartender Höflichkeit und strategischer Unverbindlichkeit.

    Mit „eine friedliche Gemeinde braucht keinen Rechtsanwalt“ offenbart Vorchdorfs Bürgermeister Johann Mitterlehner seine absolut passive Haltung. Aber: Neben einem Anwalt, der auf dieses komplexe Thema spezialisiert ist, braucht es definitiv auch eine engagierte Führung, die sich für ihre Bürger:innen einsetzt. Während in Tirol Nägel mit Köpfen gemacht werden, scheint man es in Vorchdorf einfach geschehen zu lassen.

    Ein Bürgermeister wird nicht gewählt, um „dabei zu sein“, sondern um zu gestalten. In Mils hat man das verstanden – in Vorchdorf offensichtlich nicht.

    (Hinweis der Redaktion: Wir legen Wert auf den Hinweis, dass im Sinne der Meinungsfreiheit auch zustimmende bzw. parteipolitisch motivierte Kommentare veröffentlicht werden, auch wenn wir uns damit nicht identifizieren.)

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    1. Ingrid Ohler

      Eines Nachts träumte ich, dass

      – es keine politischen Fraktionen mehr gibt, die bis dahin nur die Vorschläge aus den eigenen Reihen akzeptierten und verwirklichen wollten
      – die gewählten Volksvertreter, egal ob auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene sich für das Wohl aller Bürger einsetzen und nicht nur das Wohl einzelner im Blickfeld haben
      – alle Vorschläge in den Gremien an einem runden Tisch diskutiert und die besten Ideen verwirklicht werden
      – es auf einmal heißt: nur gemeinsam sind wir stark und demnach handeln wir
      – es keine gegenseitigen Diffamierungen, Intrigen, Verleumdungen und Sticheleien mehr gibt

      Ich wachte auf… es war nur ein Traum! Die Wirklichkeit hatte mich wieder!

      Ich möchte festhalten, dass sich mein Traum auf keine spezielle Partei bezog.

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