Wird auch die Ortspolitik zum reinen Boomer-Sport?

12. März 2025
Kommentar von Michael Praschma

Der Schreiber dieser Zeilen ist, weil Kategorie alter weißer Mann mit Betonung auf „alt“, am politischen Geschehen in der Gemeinde ziemlich interessiert. Und wegen des besagten Alters ist ihm auch bekannt, dass es schon vor 30 Jahren ein Problem war, Nachwuchs z. B. für den Gemeinderat zu finden. Eine Untersuchung hat gerade gezeigt: Schon beim einfachen Interesse an aktuellen Geschehnissen hapert es bei vielen Jüngeren. Jetzt denken wir einmal nach.

Perikles, führender Kommunalpolitiker Athens (zu seinen besten Zeiten auch schon 30+)
Foto: Jastrow 2006

Kernaussage: Ein Drittel (!) aller (!!) unter 30-Jährigen (!!!) weiß nicht, welche Parteien in der neuen Bundesregierung sitzen. Das meldete der ORF gestern. Richtig dramatisch wird diese Zahl aber beim Vergleich mit den über 50-Jährigen, den Boomern (und darüber): Mit den Regierungsparteien kennen sich da 97 Prozent aus. Als Wahlergebnis wäre das fast stalinistisch.

„Alarmsignal an die Politik“

Zur Gemeindepolitik komme ich gleich. Doch zuerst noch etwas aus der erwähnten Untersuchung. „Viele fühlen sich nicht abgeholt und werden gar nicht erreicht“, sagt David Pfarrhofer, Meinungsforscher beim Linzer Market Institut über das politische Interesse der Jüngeren. Sie haben auch zum größeren Teil die Verhandlungen zur Regierungsbildung – für meine Generation doch fast eine Thrillerserie! – nicht verfolgt.

Scheinbar dagegen steht, dass sich 89 Prozent der jungen Menschen für Politik interessieren – laut „Demokratiemonitor“ des Bundeskanzleramts, der zu dem Thema auch sonst aufschlussreiche Detailergebnisse liefert. Ein Scheinwiderspruch, sagt Pfarrhofer dem INVO.report. Denn es kommt darauf an, an welcher Sorte von Politik eben die bis 30-Jährigen interessiert sein sollen. 

Einstiegsdrogen sind gefragt

Das Engagement in Parteien, in denen vorwiegend ältere Herren das Sagen haben, verfängt hier kaum. Das ist auch schon lange bekannt. Echte Beteiligungsmöglichkeiten, konkret die eigene Lebenswelt betreffende Projekte, das dagegen können „Einstiegsdrogen“ gerade bei Jugendlichen sein, meint Pfarrhofer; Jugendparlamente, Demokratiewerkstätten.

Diese Rezepte sind nicht neu. Schon im November 1992 fand der erste Jugendlandtag im Linzer Landhaus statt, bei dem auch Vorchdorfer Jugendliche das Rednerpodium betreten haben. 1993 bildete sich aus der Jungschar der damalige Jugendchor Sunshine, und im selben Jahr beteiligten sich verschiedene Jugendgruppen am ersten Musikfestival „Hüvie Movie“. Außerdem gründete sich die Jugendinitiative „4 U“, was englisch ausgesprochen sowohl „Für dich“ heißt als auch die Abkürzung für „Vorchdorfer Jugend“ darstellt; die Initiative bestand dreieinhalb Jahre. Einer der Köpfe der Gruppe sitzt heute im Landtag und im Gemeinderat. Es ist Reinhard Ammer.

Der Startschub für derartige Projekte müsste jetzt sicher anders eingeleitet werden, aber Vorchdorf wird – auch wenn die lokale Politik momentan ein erbärmliches Bild abliefert – nicht so viel anders sein als der österreichische Durchschnitt, wonach ja immerhin 47 Prozent der jungen Menschen gerne in der Gemeinde mitbestimmen möchten.

In den Köpfen muss sich etwas ändern – oder es müssen andere Köpfe her

Ein grundsätzlich guter Wille mag bei unseren Gemeindepolitiker:innen zumindest teilweise vorhanden sein. Über gute Ansätze etwa des Jugendausschusses haben wir auch berichtet. (Was ist eigentlich daraus geworden?) Die Frage ist aber schon, ob die Gemeindepolitik wirklich durchgehend bereit ist, Impulse von außen aufzunehmen. Zweifel daran kann man schon haben – wenn man sich z. B. den Umgang mit der Anrainerinitiative zum Projekt „Point 11“, der geplanten Pfandsystem-Zählstelle, anschaut. Hier, aber auch bei vielen früheren Gelegenheiten, ist allein schon die Informationspolitik verheerend und Transparenz anscheinend das exotischste aller Fremdwörter.

Und bitte: Die sich in solchen Zusammenhängen beim Kampf mit der Gemeindespitze einen Frust abholen, das sind besagte Boomer, Leute mit dicker Haut und hartem Schädel. Es geht aber um ohnehin erst einmal grundsätzlich zu motivierende Jugendliche, die derartige Erfahrungen eher mit dem Stinkefinger quittieren werden. Nein, man kann nicht zugleich jammern, dass man in den Parteien und für den Gemeinderat niemanden mehr findet und dann die vor den Kopf stoßen, die zu Initiativen – ja, auch zu unbequemen Initiativen – bereit wären. Da muss sich in den Köpfen, und zwar in einigen Köpfen, gewaltig etwas ändern. Oder sie müssen eben ausgetauscht werden. Denn sonst … man mag sich das nicht ausmalen. Wir erleben ja gerade weltweit, was die Folgen zerbröselnder Demokratien sind. Vorchdorf ist keine Insel der Seligen, Leute!

 

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