Karenzierung der Amtsleiterin – war was?

22. Mai 2025

Die Karenzierung von Amtsleiterin Julia Raffelsberger war Anlass der gestrigen Sondersitzung des Gemeinderats. Erforderlich war ein Beschluss zur schnellstmöglichen Ausschreibung einer Karenzvertretung. Schon seit Bekanntwerden der Schwangerschaft gab es Auseinandersetzungen zu diesem Thema.

Das Wichtigste vorweg: Dass die Stelle als Karenzvertretung ausgeschrieben werden soll, wurde einstimmig beschlossen. Damit ist der Weg frei, alles zu tun, um eine Vakanz der Amtsleitung zu vermeiden. In diesem Fall käme die offizielle Stellvertretung zum Zuge. Aus den Äußerungen mehrerer Mandatare und auch der Amtsleiterin selbst war zu entnehmen, dass Raffelsberger beabsichtigt, ihren Posten nach der Karenzzeit wieder einzunehmen.

Professionelles Objektivierungsverfahren?

Albert Sprung (Liste Vorchdorf; LV) beantragte zusätzlich, das Bewerbungsverfahren professionell begleiten zu lassen, um so zu gewährleisten, dass die Person mit der besten Qualifikation ausgewählt wird. NEOS-Mandatarin Elisabeth Steinbach unterstützte dieses Anliegen. Auch ÖVP-Parteiobmann Matthias Traunbauer bezeichnete eine solche Objektivierung des Verfahrens als guten Zugang – grundsätzlich; er hielt dem aber entgegen, dass es jetzt um eine Karenzvertretung ginge, also keine Neuausschreibung für eine Anstellung auf Dauer. Der Zusatzantrag wurde nur von der LV sowie zwei weiteren Mandatar:innen unterstützt und hatte damit keine Mehrheit.

Der Abstimmung vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen Albert Sprung und anderen Mandataren, zu der sich auch die Amtsleiterin mit einer persönlichen Stellungnahme zu Wort meldete. Auslöser der kontroversen Debatte war eine kritische Veröffentlichung Sprungs auf seinem Facebook-Profil nach dem öffentlichen Bekanntwerden der bevorstehenden Karenzierung von Julia Raffelsberger durch die am 9. Mai kundgemachte Gemeinderats-Tagesordnung.

Kommentar

Vorbemerkung: Der folgende Standpunkt ist innerhalb unserer Redaktion Gegenstand einer langen Diskussion gewesen, bei der auch diametral entgegengesetzte Standpunkte geäußert worden sind. Dieser Kommentar gibt also nur eine Seite wieder.

Private Dinge wie die Familienplanung im Zusammenhang mit einer beruflichen Position öffentlich zu erörtern, ist immer potentiell heikel. Und zwar umso mehr, je kontroverser die Positionen der Beteiligten sind. Motive und Hintergedanken bzw. was hier ehrlich und geradeaus gemeint ist und wo politisches Kleingeld gemünzt wird, lässt sich da fast nur mehr therapeutisch aufklären – ganz sicher aber ist das Gremium des Gemeinderats nicht das richtige Forum dafür.

Aus diesem Grund will ich diesen Vorfall ganz bewusst weder inhaltlich analysieren noch die gefallenen Äußerungen bewerten. Sie hätten allesamt unterbleiben müssen. Und zwar aus zwei sehr prinzipiellen Gründen heraus:

Erstens: Unsere Gesellschaft hat sich darauf geeinigt, dass die Entscheidung einer berufstätigen Frau, ein Kind zu bekommen, allein ihre Angelegenheit ist. Das wird auch rechtlich z. B. dadurch sonnenklar, dass die Frage eines Anstellungsträgers danach unzulässig ist, d. h. nicht wahrheitsgemäß beantwortet zu werden braucht. Das ist aus wohlerwogenen und zahlreichen Gründen richtig so, auch wenn ein Arbeitgeber damit nicht immer glücklich sein wird.

Zweitens: Es ist unerträglich, wenn in einem öffentlichen Rahmen über die Entscheidung einer Frau, ein Kind zu bekommen, gestritten wird, noch dazu auf polemischem Niveau, auch wenn das indirekt, über Bande gespielt, passiert. Unerträglich zum einen mit Rücksicht auf die Betroffene selbst, zum anderen aber auch, weil dabei immer auch etwas Wasser auf die Mühlen jener geleitet wird, die da meinen, dass Frauen eh nicht in Führungspositionen gehören.
(Michael Praschma)

6 Gedanken zu „Karenzierung der Amtsleiterin – war was?

  1. Albert Sprung

    Zeit, zur Sache zurückzukehren

    In den letzten Tagen wurde viel über die Karenzierung der Amtsleiterin diskutiert – teils sachlich, teils emotional, teils über das Ziel hinaus. Dass eine Führungsposition in der Gemeindeverwaltung von enormer Bedeutung ist, steht außer Frage. Ebenso unstrittig ist aber auch: Die Entscheidung, eine Familie zu gründen, ist ein zutiefst persönlicher Schritt, der in unserer Gesellschaft geschützt und respektiert werden muss – unabhängig von Geschlecht, Alter oder beruflicher Funktion.

    Die Entscheidung, eine Karenzvertretung auszuschreiben, wurde im Gemeinderat einstimmig getroffen. Das ist ein starkes, gemeinsames Signal dafür, dass die Funktionsfähigkeit des Gemeindeamts im Vordergrund steht. Alles Weitere – insbesondere persönliche Motive oder zeitliche Abläufe – sind nicht Gegenstand politischer Bewertung, sondern Privatsache.

    Was wir jetzt brauchen, ist keine weitere Debatte über persönliche Entscheidungen, sondern eine gute Lösung für Vorchdorf. Die Stelle der Amtsleitung ist eine der wichtigsten Positionen im Ort – und sie soll mit Kompetenz, Umsicht und Verantwortungsbewusstsein besetzt sein. Ob auf Zeit oder dauerhaft, das Ziel muss Professionalität und Stabilität sein.

    Wir wünschen Julia Raffelsberger für ihre bevorstehende neue Lebensphase alles Gute – und allen Beteiligten die nötige Sachlichkeit, das Thema jetzt ruhen zu lassen. Vorchdorf hat wichtigere Aufgaben vor sich.

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  2. Tom Edtmeier

    Keulen, so weit das Auge reicht!

    Aktuell erleben wir eine regelrechte Hochkultur, wenn es darum geht, bereits die kleinste Kritik oder auch schon eine eigene Meinung mit der jeweils passenden Keule zum Verstummen zu bringen. Zweifel an 72 Geschlechtern? Zack, Queerfeindlichkeitskeule! Kritik an der inflationären Präsenz von Regenbogenflaggen bei allen nur erdenklichen Möglichkeiten und sogar auf Regierungsgebäuden? Bumm, Homophobiekeule. Eine vom linken Mainstream abweichende Meinung? Klesch, Nazikeule. Die geht sowieso fast immer.

    Und selbst wenn man ganz vorsichtig die nicht von der Hand zu weisenden Nachteile beleuchtet, die für eine Gemeinde entstehen, wenn sich eine Amtsleiterin zwei Monate nach Amtsantritt laut eigener Aussage aktiv und bewusst entscheidet, nun doch lieber eine Familie gründen zu wollen – ja dann steht die Diskriminierungskeule sofort parat.

    Diskriminierung? Nein, Schwachsinn! Denn die Kritik bliebe die gleiche, wenn beispielsweise ein frisch eingestellter (vielleicht männlicher) Geschäftsführer nach wenigen Monaten vom Fernweh gepackt wird und sich ebenso aktiv für eine mehrmonatige Weltreise entscheidet. In beiden Fällen steht das Unternehmen – ganz nüchtern und emotionslos betrachtet – unerwartet vor einer klaffenden Personallücke und großen Problemen. Und in beiden Fällen hätte eine ehrliche und eingehende Selbstreflexion bereits vor der Bewerbung mit Sicherheit persönliche Klarheit über die eigene Lebensplanung gebracht und dem Unternehmen somit nicht geschadet.

    Edtmeier Ende!

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    1. Michael Praschma Beitragsautor

      Über Meinungen zum konkreten Fall lässt sich diskutieren; dazu ist die Kommentarfunktion da. Zur weitausholenden Einleitung allerdings finde ich: Der Vorwurf der „Keule“ richtet sich selbst. Dann nämlich, wenn eine begründete Kritik an jemandem oder etwas eben einfach als XYZ-Keule abgestempelt wird. Nazis, Machos, Homophobe und Konsorten (damit meine ich nicht dich, Tom) haben das schon lange zur Routine entwickelt. Solche Lamentos sind leere Kilometer, wenn es um Argumente geht.

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      1. Tom Edtmeier

        Off-topic: Vielen Dank für die regelmäßige, journalistische und sicher von Philanthropie getragene Stilberatung durch dich, lieber Michael. Dein konstruktiver Beistand lässt mich blühen und gedeihen.

        Aber zum Thema: Du sprichst „begründete Kritik“ an – und ich fasse die Fakten kurz zusammen: Es gab eine (sogar sehr gut) begründete und faktenbasierte Kritik. Die simple Antwort war die Diskriminierungskeule. Um also auf Deine Titelfrage „War was?“ zu antworten: „Ja, genau das war!“

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  3. Alfred E. Neumann

    Durch die fast schon regelmäßigen Veränderungen in der Amtsleitung besteht zwischenzeitlich die Gefahr von mehr Stillstand als Fortschritt, den sich Vorchdorf aber angesichts der vielen Herausforderungen nicht leisten kann. Es war allerdings zu erwarten, dass die zeitgeistig moderne Diskriminierungskeule nun auch in Vorchdorf geschwungen wird – und so war es dann im letzten Gemeinderat auch. Nach stellenweise irritierenden Diskussionen stellen sich aber Fragen, die in der Diskussion eher untergegangen sind.

    Bei der Besetzung der Amtsleitung geht es fraglos um einen der wichtigsten Jobs in der Gemeindeverwaltung. Man kann quasi vom Geschäftsführer der „Firma“ Vorchdorf, einem „Unternehmen“ mit über 140 Mitarbeitern und einem nicht unerheblichen Budget, sprechen. Dieses „Unternehmen“ sieht sich momentan mit sehr vielen, durchaus komplexen Aufgaben konfrontiert – und damit ist noch nicht einmal die mehr als verfahrene politische Situation oder eine, zumindest an gewissen Stellen und diplomatisch formuliert, verbesserungswürdige Kommunikation gemeint – Stichwort: oberflächliche oder gar keine Beantwortung von Anfragen. Ohne dabei auf Vorchdorf anspielen zu wollen, oftmals überleben die (Amts)Manager das politische Ortsoberhaupt und sichern somit eine langfristige (Firmen)Strategie ab.

    Die Position muss also mit einer Person besetzt werden, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht bereits nach sehr kurzer Zeit die Flinte ins Korn wirft und somit eine neuerliche Nachbesetzung erforderlich macht. Ob das nun ein Amtsleiter ist, der nur wenige Monate nach einer Vertragsverlängerung für weitere 5 Jahre die Tiroler Heimat wieder viel reizvoller als Vorchdorf findet oder, wie man im Gemeinderat erfahren durfte, kurz nach Bestellung „die gemeinsame Entscheidung mit meinem Mann zur Gründung einer Familie“ getroffen wird, die Frage bleibt stets die gleiche: Darf man sich denn von Führungspersonal eine gewisse Lebensplanung und damit verbunden überdurchschnittliches Verantwortungsbewusstsein erwarten? Darf man dieses Verantwortungsbewusstsein hinterfragen, ohne reflexartig als diskriminierend gebrandmarkt zu werden? Man möge mich jetzt nicht auch gleich an den Pranger stellen, aber in der Hinsicht sollte ein breiterer Blick auf die Thematik schon noch erlaubt sein. In anderen Worten: Von einer Führungskraft, egal ob Mann oder Frau, darf man sich erwarten, dass es bereits zum Zeitpunkt der Bewerbung eine klare Vorstellung der eigenen beruflichen und privaten Zukunft hat, zumindest der mittelfristigen. Wenn es diesbezüglich andere Prioritäten gibt, so wäre es nicht mehr und nicht weniger als ein Zeichen von höchstem Verantwortungsbewusstsein, sich eine Bewerbung für eine wichtige Position zu überlegen – zu zwar im Sinne aller Beteiligten, denn auch die Bürger und Bürgerinnen dürfen sich eine stabile Gemeindeführung ohne ständige Wechsel erwarten.

    Man wird mir hoffentlich auch zustimmen können, dass eine Amtsleitung im Optimalfall eine starke Persönlichkeit sein sollte. Diese Managementposition muss sich aus den „Spielchen“ der Politik heraushalten und eine neutrale Position einnehmen. Dieses Amt muss ein unabhängiger Ruhepol sein, der sich von der Politik niemals vereinnahmen lässt – man möge dabei an den letzten Gemeinderat denken.

    Ich lade dazu ein, diese Fragen in aller Ruhe und vorbehaltslos zu beantworten. Gerade nach den Erfahrungen der letzten Jahre: Wäre es denn nicht sinnvoller, die Vorauswahl einer derartig wichtigen Schlüsselposition für einen Ort in der Größe Vorchdorfs in die Hände eines Recruiting-Profis zu legen – auch wenn der etwas kostet? Ob es daher rückblickend die richtige Entscheidung war, sich dieses Geld gespart zu haben, darf hinterfragt werden. Wie öfters im Leben, falsche Entscheidungen erzeugen nicht nur Unruhe, sondern kosten zudem auch viel Geld. Sollte man sich nicht doch an Recruiting-Prozessen der Privatwirtschaft orientieren, damit es keine „was-macht mir-mein-Leben-leichter“-Entscheidungen getroffen werden, die nur kurzfristig gedacht sind? Die Situation in der Marktgemeinde Vorchdorf und die rauen Diskussionen vom Dienstagabend können als Beweis dafür herhalten.

    Und wenn mir jetzt jemand mit der Diskriminierungskeule kommt, den ersuche ich, meine Gedanken ein zweites Mal zu lesen – vor allem folgendes und in aller Deutlichkeit: Es geht hier nicht um Frau oder Mann, um Tirol oder Oberösterreich, um Familie ja oder nein, es geht einzig und alleine um die richtige Herangehensweise ALLER Beteiligten.

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    1. Aloisia Altmanninger

      Um diesen Gedanken weiterzuspinnen: Eine Frau mit Verantwortungsbewusstsein darf sich folglich nur für einen verantwortungsvollen Job bewerben, wenn sie keine Kinder möchte? Das eröffnet viele weitere Fragen: Gibt es denn Jobs ohne Verantwortung? Ist es sinnvoll, gesellschaftliche Vorgaben zu implementieren, die junge Frauen davon abhalten, Kinder in die Welt zu setzen? Und das in Zeiten einer negativen Geburtenstatistik?

      Abgesehen davon, es gibt eine Stellvertretung während ihrer Abwesenheit, und sie wird als Amtsleiterin zurückkehren. Anstatt sich moralisierend über substanzlose Vorwürfe zu empören, erinnere man sich, wie Schwangerschaften früher gesehen wurden: in anderen Umständen, in guter Hoffnung oder gesegneten Leibes sein. Das Leben geht also weiter, und das sollte zählen.

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