Sommerspecial #3: Highlights, Angstpartien und Bizarres

29. Juli 2025

Der Kulturverein Guten Morgen Vorchdorf (GUMV) ist Thema der INVO.report-Sommerserie zu Geschichte und Geschichten aus dem Ort. Folge 3 holt nun einzelne Veranstaltungen nochmals aus dem Archiv, die wegen höchst unterschiedlicher Besonderheiten in – nicht immer nur guter – Erinnerung geblieben sind.

Ein repräsentativer Querschnitt der Höhen und Tiefen des Programms aus 26 Kalenderjahren (im ersten und im letzten Jahr gab es jeweils nur eine Veranstaltung) ist hier nicht möglich. Die folgende Auswahl ist zudem natürlich sehr subjektiv. Vor den Vorhang geholt werden soll an dieser Stelle das in ganz verschiedener Hinsicht Außergewöhnliche.

Um den Mann mit dem Westernhut in der Mitte geht es gleich zu Beginn. Er war nicht der einzige, aber jedenfalls ein herausragender Zufallstreffer im Programm-

Zwei unvergessliche Abende zuerst

… der eine mit dem Musiker Curtis Knight, der zweite mit Erika und Wieland Schmied. Curtis Knight war ein Zufallstreffer – eigentlich ein unfreiwillig akzeptiertes Ersatzengagement für ein Konzert, das GUMV beim selben Agenten kurzfristig abgesagt hatte. Man wusste gar nicht genau, wer oder was da in den Tanglberg kommen sollte und wurde erst spät gewahr, was für ein Schwergewicht man sich eingehandelt hatte: den Mann nämlich, der als musikalischer Ziehvater von Jimi Hendrix galt, eine wahre Legende des Bluesrock und ein Hansdampf in allen Gassen seines musikalischen „Viertels“. Seinen Folgeauftritt in Amsterdam hatte Curtis Knight mit Tina Turner. Fachkundiges Publikum war allein von der Tatsache, dass so jemand in Vorchdorf überhaupt auftrat, einfach nur noch „hin und weg“, ganz abgesehen von der makellosen Performance des damals schon 67-Jährigen.

Alfred Pittertatscher im Gespräch mit Erika und Wieland Schmied im Foyer der Kitzmantelfabrik

Wieland Schmied war mit seiner Frau Erika am 20. Oktober 2011 prominente und beeindruckende „Auskunftsperson“. Eine aufwändige Fotoausstellung in der Kitzmantelfabrik mit Werken von Erika Schmied zu Thomas Bernhard wurde im Foyer mit einem bescheiden als Podiumsgespräch firmierenden Abend eröffnet. Dabei gelang es dem ORF-Kulturredakteur Alfred Pittertschatscher, dem mit Bernhard über Jahrzehnte befreundeten Ehepaar Erika und Wieland Schmied höchst spezielle Episoden und Eindrücke aus jener für alle Beteiligten fruchtbaren Beziehung zu entlocken. Es passiert nicht oft, dass eine Veranstaltung dieser Art eine Person wirklich lebendig werden lässt – hier war es so.

Zugpferde durch Popularität

Auch der Vortrag von Erwin Ringel am 11. März 1993 gehört in diese Reihe – weil ebenfalls weit aus dem Durchschnitt herausragend; außerdem aber erbrachte diese Veranstaltung unter dem Titel „Unsere Kinder“ mit geschätzt über 500 Besucher:innen den absoluten Publikumsrekord für GUMV.

Es hat wohl nur ganz wenige Sparten gegeben, die GUMV überhaupt nicht bedient hat. Vielfalt war definitiv ein Anspruch bei der Auswahl.

Ein anderer, nämlich ganz unerwarteter Publikumserfolg waren die Rounder Girls. Bei Vertragsabschluss war zumindest für GUMV noch nicht bekannt, dass die Soul/Blues-Formation beim Eurovision Song Contest 2000 Österreich vertreten würde. Mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums „All To You“ erreichten sie in Stockholm zwar nur das Mittelfeld, hatten sich damit aber anscheinend doch so viele Fans daheim ersungen, dass die Kitzmantelfabrik am 3. Oktober 2000 praktisch ausverkauft war: GUMV besaß 280 Sessel, 350 Besucher wurden gezählt. Am anderen Ende der Skala – nur 11 Menschen waren im Publikum – stand die sehr avantgardistische, sehr engagierte und künstlerisch auch sehr schöne Klanginstallation „Tide“ von Klaus Hollinetz in Kombination mit „Von anderen Sonnen“ (Lichtbilder und Musik) von Renate Porstendorfer am 15. Dezember 1995 in der Galerie Tanglberg. Es war ein starker Zauber, der sich vielleicht in einem vollen Saal gar nicht hätte entwickeln können. Trotzdem blieb die zahlenmäßig geringe Resonanz in etwas schmerzhafter Erinnerung.

Wenn du als Veranstalter tausend Tode stirbst

Damit ist die Brücke zu den nun aber wirklich peinlichen Momenten geschlagen. Harri Stojka war 1996 durchaus schon ein „Name“, und GUMV wusste, dass er gut war. Er hatte mit Bravour bereits auf den namhaftesten Jazzfestivals gastiert, z. B. in Montreux. Es bestand also Anlass, stolz zu sein, dass man ihn engagieren konnte. Bangigkeit machte sich allerdings schon beim Vorverkauf breit, als ein miserabler Besuch des Konzerts absehbar wurde (es lag terminlich wie schon im Vorjahr mitten im Adent, den man daraufhin später meist vermied). Panik bis Verzweiflung kam dann auf, als sich kurz vor Konzertbeginn herausstellte, dass die seit über zwei Stunden erwarteten Musiker – angeblich – fälschlich bei Linz von der A 1 Richtung Passau abgebogen waren. Und der Ärger war komplett, als Stojka die erhebliche Verspätung dem Publikum gegenüber nicht nur mit einem nonchalanten „Sorry“ überspielte, sondern das Konzert auch noch ohne weitere Zugabe nach exakt den 75 vereinbarten Minuten beendete und so schnell wieder verschwand, wie er spät gekommen war. Ein Besucher kommentierte sarkastisch: „Stojka hat ein ganz normales Konzert gespielt, aber das so schnell, dass er einfach früher fertig war.“

Instinktlosigkeit eines Künstlers gegenüber Publikum und Raumverhältnissen hat in einem anderen Fall, der hier anonym bleiben soll, gleich zweimal für rapide ergrauende Haare bei den jeweiligen Veranstaltern von GUMV gesorgt. Der Mann war musikalisch gar nicht schlecht. Aber er hat es fertigbekommen, stimmlich und von seiner ganzen Gestik her den bizarren Eindruck zu erwecken, in einem Stadion vor 20.000 Menschen zu stehen – es war aber der nur mäßig besetzte Saal der Galerie Tanglberg! Bei seinem zweiten Engagement einige Jahre später (GUMV hatte wohl an einen Ausrutscher geglaubt) platzierte man das Konzert in die alte Kitzmantelfabrik-Halle. Aber diesmal war der Mann auf genau dem anderen Pol. Es wäre ganz gut gewesen, dem Publikum Schlag auf Schlag mit großem Tamtam richtig einzuheizen. Die Leute froren nämlich; das konnte dort passieren und es war dann nicht zu ändern. Doch an diesem Abend machte der große Bühnenzampano auf Clubatmosphäre, spielte Kuschelsoul und erzählte Menschen in Mänteln weitschweifige Anekdoten, während die Verantwortlichen alle Tode starben.

Die Leidensfähigkeit des Publikums in der winterlichen Tiefkühltruhe Kitzmantelfabrik (vor dem Umbau) grenzt überhaupt an ein Wunder. Extrembeispiel: Noch unbelastet von jeglicher Erfahrung mit den klimatischen Bedingungen des Raumes hatte GUMV eine Tanzperformance am 10. Januar 2000 angesetzt. Man vertraute auf geliehene Heizkanonen, die aber – soviel war klar – wegen ihres durchdringenden Heulens nur bis zum Beginn der Veranstaltung laufen konnten. Seit dem Jahreswechsel hatte Dauerfrost geherrscht. Und was an erwärmter Luft nicht durch die unzähligen Ritzen in Fenstern und Türen hinausströmte, wurde durch die meterdicken und komplett durchgekühlten Mauern in Minuten wieder nahe an die Außentemperaturen gebracht. Knapp 90 Personen behielten ihre dicksten Mäntel an, und Daniel Lepkoff und Klaus Gesing lieferten eine traumhafte, über weite Strecken spontan gestaltete Doppelconference aus Ausdruckstanz und Saxophon/Bassklarinette/Didgeridoo/ Percussion. „Im Paradies der Improvisation“ titelte die Salzkammergut Zeitung zutreffend – wenn man davon absieht, dass man das Paradies ansonsten wahrscheinlich kaum nach 1,5 Stunden mit eisigen Füßen verlässt …

Damit ist die Brücke zu Folge 4 geschlagen. Denn die Temperatur im Saal war nicht die einzige „Schlagseite“ so mancher Veranstaltung (übrigens gab es auch Programme, die unter Hitze litten). Einige Veranstaltungen waren auch wegen gänzlich anderer Merkmale besonders. 

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