10. Oktober 2025
In einer für Vorchdorfer Verhältnisse überwiegend ruhig und konstruktiv verlaufenen Gemeinderatssitzung stand unter anderem der Grundsatzbeschluss zur Flächenwidmungsänderung des Grundstücks rund um das heuer dem Erdboden gleich gemachte ehemalige Gasthaus Roith zur Debatte. Auf insgesamt rund 8900 Quadratmetern soll 1,6 km vom Ortzentrum entfernt ein Siedlungsgebiet entstehen – mit einigen interessanten Details.
Bemerkenswert: Eine in mächtigen Betonsockeln platzierte Tafel informiert seit einer Woche über den Teilungsplan der Gesamtfläche. Bereits im September wurden die zwölf Parzellen ganzseitig in einem Ortsmedium zum Verkauf angeboten – wenn auch vorbehaltlich der Widmung, so doch noch vor der eigentlichen Entscheidung im Gemeinderat. Bemerkenswert auch, dass quasi ein halbfertiges Produkt bereits verkauft oder zumindest reserviert ist, wie zu erfahren war.
Perfekte Flächen für Kleintierhaltung und Spekulation?
Aktuell gewidmet sind die aus Sicht kundiger Vorchdorfer Landwirte sehr fruchtbaren Flächen als „Dorfgebiet“ (ca. 4600 Quadratmeter, vornehmlich dort, wo sich das ehemalige Gasthaus befunden hat), sowie als „Grünland“ (ca. 4300 Quadratmeter). Nun soll es zu einer Vereinheitlichung kommen – allerdings nicht, wie man vermuten sollte, mit Widmung „Wohngebiet“, sondern als „Dorfgebiet“. Das sind laut Gesetz „Flächen, die vorrangig für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sowie für Gärtnereien“, im Übrigen aber nur für Bauwerke und Anlagen bestimmt sind.
Wie so oft, liegt der Hund im Detail begraben. Einerseits ist im Dorfgebiet tatsächlich die Kleintierhaltung gestattet – womit aber nicht Haustiere wie Hunde, Katzen oder Meerschweinchen gemeint sind. Wenn vielmehr jemand im Garten z. B. einen Stall für Hahn und Henne errichten will, um täglich an ein frisches Ei zu kommen, so wäre der im Dorfgebiet gut aufgehoben, im Wohngebiet wäre er als Hendlzüchter nicht zugelassen. Ob die Nachbarn frühmorgens vom Hahn anstatt vom Wecker geweckt werden wollen, steht dann ohnehin auf einem anderen Blatt.
Zudem ist die bereits als Dorfgebiet gewidmete Fläche von einem bei Umwidmungen üblichen „Baulandsicherungsvertrag“ nicht betroffen. Das wiederum bedeutet, dass es keine zeitliche Verpflichtung gibt, die Parzelle innerhalb von fünf Jahren tatsächlich zu bebauen. Wollen also Eltern oder Großeltern für Kind oder Enkerl Grund und Boden erwerben, dann könnte der Nachwuchs das Grundstück unbebaut lassen und angesichts steigender Immobilienpreise später gewinnbringend verkaufen. Damit wäre der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Da aber im Zuge des Widmungsantrags dezidiert auf den zusätzlichen Bedarf an Wohnfläche in Vorchdorf verwiesen wird, stellt sich die Frage, warum nicht eine Bauverpflichtung für das gesamte Areal vorgesehen sein sollte. Erfahrungsgemäß erzielen Flächen ohne Bauzwang am Markt durchwegs höhere Preise.
Die Zufahrt zu den einzelnen Parzellen soll übrigens mittels einer Straße erschlossen werden, die in die Einsiedlinger Straße mündet – allerdings im Kurvenbereich, was nicht unbedingt im Sinne der Verkehrssicherheit ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Straßenverwaltung diesen Plan beurteilt.
„Leistbarer Wohnraum“ – in Vorchdorf nicht mehr als eine abgedroschene Phrase?
Im Gemeinderat wurde die Umwidmung schließlich mehrheitlich durchgewunken – sehr zur Freude der anwesenden Antragsteller. ÖVP, FPÖ und SPÖ waren geschlossen dafür, NEOS dagegen. Von den Grünen und Liste Vorchdorf gab es ebenfalls keine Zustimmung, wenn auch mit einigen Stimmenthaltungen, die aber ebenfalls als ein Nein zählen.
Das Schlagwort des „leistbaren Wohnraums“ wird auch in Vorchdorf sehr gerne strapaziert, unter anderem unlängst auch vom neuen SPÖ-Obmann Peter Grundner im Interview. Das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion, der auch zwei Ersatzgemeinderäte aus dem der Roith angrenzenden Kellerfeld angehören, steht seinen Ansagen allerdings komplett entgegen. Was soll man denn nun glauben? Die FPÖ erklärt ihr Abstimmungsverhalten übrigens mit „einer sinnvollen Erweiterung der Kellerfeld-Siedlung“. Man kann diese Satelliteninsel allerdings auch als negatives Beispiel der Ortsentwicklung von vor 30 Jahren verstehen. Ob es sinnvoll ist, diese Bausünde noch weiter zu vergrößern? Eine Anbindung über Geh- oder Radwege entlang der Einsiedlinger Straße wird zwar seit geraumer Zeit diskutiert, eine Umsetzung ist unter dem jetzigen Bürgermeister aber nicht absehbar.
Die Baulandreserve Vorchdorfs betrug per Ende 2024 29,4 Hektar oder 11 Prozent des Gesamtwohnbaulandes der Gemeinde. Da sich diese Werte in den letzten Jahren nicht wirklich verändert haben, liegt es nahe, dass es keinen außerordentlich großen Bedarf für neues Bauland gibt. Ob die anstehende Umwidmung nun dem Interesse der Gemeinde oder vornehmlich jenem des Projektwerbers folgt, wird auch vom zuständigen Ortsplaner beurteilt. Erfahrungsgemäß drängen diese in ihren entsprechenden Gutachten regelmäßig auf die Errichtung eines Baulandsicherungsvertrages – um eben eine rasche Bebauung zu gewährleisten und Spekulationen zu vermeiden.
Dass die Korrektur einer uralten Widmung der längst aufgelassenen Schlosserei Kalchmair als Argument für die Umwidmung der gesamten Roith-Fläche herhalten muss, so wie es die Gemeinde unter anderem darstellt, ist nur bedingt nachvollziehbar.
Gemeinde ignoriert offensichtlich die Ergebnisse der Klimastrategie-Workshops
Als heuer in mehreren Workshops mit Bürgerbeteiligung eine Klimastrategie für Vorchdorf erarbeitet wurde, stand das Vermeiden von weiteren Umwidmungen von Grünland sowie ein Fokus auf eine Verdichtung des Wohnbaus in Zentrumsnähe an oberster Stelle. Das aktuell ebenfalls angebotene Bauland im Kirschnerfeld und der Brauereistraße entspricht genau diesen Visionen, während eine Umwidmung der Roith-Flächen als das exakte Gegenteil verstanden werden muss. Offensichtlich waren damit sämtliche Ausarbeitungen in den Arbeitskreisen nur dazu da, um dann vom Gemeinderat ignoriert zu werden.
Mehr als eine Verschwörungstheorie?
Eine hinter vorgehaltener Hand geäußerte Vermutung betrifft den nach langen Jahren des Stillstands urplötzlich erfolgten Abriss der unansehnlichen ehemaligen Giovianni-Pizzeria im Ortszentrum. Von einem Tag auf den anderen soll die Gemeinde, eigenen Aussagen nach, die Chance auf eine durchaus sinnvolle Straßenverbreiterung bei der Probst-Kreuzung erhalten. Warum Andreas Sodian als Eigentümer, der im Übrigen auch hinter der Roith Immobilien GmbH steht, diesem Abriss nun so plötzlich zugestimmt hat, überraschte aber dann doch viele im Ort. „Handerle – Schacherle“ waren dazu die kryptischen Worte eines einflussreichen ÖVP-Mandatars. Der Fantasie hinter diesen Worten sind damit definitiv keine Grenzen gesetzt, bis hin zu bereits im Umlauf befindlichen Verschwörungstheorien. Andreas Sodian weist derartige Spekulationen allerdings zurück und verweist auf ein neues Gutachten zur Hochwasserzone, das ihm von der Gemeinde mündlich zur Kenntnis gebracht wurde. Aufgrund der revidierten Einschätzung der Sachverständigen hat er dann umgehend den Abriss vorgenommen, da ihm damit nach Jahren der Unklarheit endlich eine Projektierung ermöglicht wird. Das neue Gutachten betrifft seinen Worten nach auch andere innerörtliche Flächen, es handelt sich also definitiv um keine „Lex Sodian“.
Nach dem Grundsatzbeschluss im letzten Gemeinderat geht die Roith-Umwidmung nun zur Prüfung an die zuständigen Abteilungen des Landes, das aber bereits positive Signale ausgesendet hat. Im Falle einer Beurteilung im Sinne des Widmungswerbers geht der Akt hernach zurück in den Vorchdorfer Raumordnungsausschuss, der dann eine Empfehlung für einen Umsetzungsbeschluss im Gemeinderat aussprechen muss. Erst dann wird es endgültig Klarheit darüber geben, ob sich der Gemeinderat für Hahn und Henne, die Umsetzung einer unlängst erarbeiteten Klimastrategie und eine sinnvolle Verdichtung des Ortszentrums entscheiden wird – oder eben doch für eine noch größere Insellösung am Ortsrand.


