Waffenübung in Adlhaming: Ist am 11. Oktober nur ein Sack Reis umgefallen?

4. November 2025
Kommentar von Michael Praschma

Gut drei Wochen nach dem Großeinsatz von Polizei und Spezialeinheiten wegen 23 Leuten, die mit halbautomatischen Waffen übten, ist es um die Sache ruhig geworden in den Medien. Alles gut, nichts passiert? Nur ein minder schwerer Verstoß gegen das Waffengesetz, und vielleicht nicht einmal das? Wovon wenig die Rede ist: Warum noch längst nicht alles gut ist, selbst wenn gar keine Rechtsverstöße festgestellt werden sollten.

Zur Erinnerung: Der Staatsschutz (Stichwort: politischer Extremismus) war zuletzt noch in die Ermittlungen eingebunden. Bemerkenswert ist das deshalb, weil sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft sehr schnell gesagt haben, es gebe keinen extremistischen Hintergrund bzw. seien alle Beteiligten „unbescholten“. Hinsichtlich des Extremismusverdachts wurde das bis heute nicht relativiert, und das ist höchst unverständlich. Denn zumindest der Leiter der „Schulung“ Oberst Thomas R. ist diesbezüglich einschlägig bekannt. Wohlbegründet fragte daher der „Standard“, sicher kein Krawallmedium, ob die Exekutive auf dem rechten Auge blind sei.

R. war nämlich nicht nur wegen rassistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen bereits zeitweise vom Bundesheer suspendiert, er pflegte auch verschiedene intensive Verbindungen zu dem aus der FPÖ mehrfach ausgeschlossenen Ex-Nationalrat Karlheinz Klement. Der wiederum organisierte u. a. ein Treffen mit dem Holocaustleugner und Gründer der rechtsterroristischen Neonazi-Gruppe „Europäische Aktion“ Bernhard Schaub.

Widernatürliches Unrecht

Das alles muss nun noch nichts mit bewaffnetem Widerstand gegen den demokratischen Staat zu tun haben, aber dazu berechtigt sieht sich R. nach eigenen Aussagen. Denn das Führen einer Waffe, schreibt er einmal, sei ein Naturrecht, das über dem Gesetz stehe. Gemeint ist damit das Waffengesetz, dessen Einschränkungen für R. „widernatürliches Unrecht“ seien. Sagen darf man das im Rahmen der Meinungsfreiheit. Allerdings ist es umgekehrt dann auch angebracht, R. zu verdächtigen: Zu welchen Zwecken schult er denn „Unbescholtene“ an Waffen, die jedenfalls nicht der Jagd dienen und auch nichts mit dem zu tun haben, was Sportschützen in ihren traditionellen Vereinen tun?

Harmlose Waffennarren halt? Passable Leute (laut Aussage des örtlichen Gastgebers der Waffenübung) – bloß deshalb, weil sie akademischen Berufen angehören? Man darf ja wohl annehmen, dass Juristen und ähnlich Gebildete wissen, wes Geistes Kind ihr schulender Offizier ist. Nämlich jemand, dem nicht zu trauen ist. Hat die Exekutive nichts gelernt, geschweige denn Konsequenzen gezogen z. B. aus den Umtrieben in den 80er und 90er Jahren, als ein Hans Jörg Schimanek junior in Niederösterreich eine neonazistische Wehrsportgruppe aufbaute, nachdem er schon in frühen Jahren den berüchtigten Gottfried Küssel kennengelernt hatte, wegen NS-Widerbetätigung zu 11 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Diese Geschichte hat der „Falter“ gerade erst in einem 5-seitigen Artikel dokumentiert.
(Der Artikel ist für alle ohne Abo auch über ein 4-Wochen-gratis-Testabo zugänglich, das man hier abschließen kann.)

Die Parallele: Am rechten Auge blind?

Kalte Schauer am Rücken erzeugt ein Detail in diesem auch sonst äußerst lehrreichen Artikel: Als „Zusammentreffen militärbegeisterter junger Leute, die mit den Zusammenkünften keinen politischen Zweck verfolgen“ bezeichnete die Staatspolizei Neonazi-Aufmärsche im Jahr 1983 in Langenlois. Dabei wurden die entsprechenden Ermittlungen nicht etwa, wie bei uns, durch einen schlichten Anruf bei der Polizei ausgelöst, sondern sogar von ganz oben, vom damaligen SPÖ-Innenminister Karl Blecha. Das Ergebnis hört sich sehr ähnlich an wie das, was in den vergangenen Wochen von den Ermittlern im Fall Vorchdorf hinsichtlich Extremismus kam.

Damals, in den 80er Jahren kam die Absolution allerdings voreilig. Denn schon ein Jahr später wird bei Schimanek Senior ein Waffenlager ausgehoben, u. a. mit einem gestohlenen Bundesheer-Sturmgewehr. Und sein Sohn wird sich später so äußern: „Ich brauche 5000 entschlossene Männer, dann wird sich vieles ändern. Ich vertrete meine Ansichten bis aufs Messer.“ Spinnereien? Eher nicht. Von Todeslisten und geplanten Attentaten der Extremistengruppe berichtet 1986 der „Kurier“. Bei sogenannten Wehrsportübungen werden u. a. Halbwüchsige im lautlosen Töten per Gurgelschnitt und im gezielten Nierenstich unterrichtet.

Verharmlosung ist brandgefährlich

Was nun die Beteiligten an der Vorchdorfer Waffenübung politisch im Sinn haben, lässt sich bisher nur vermuten. Dass sie sich jemandem anvertrauen, der unzweifelhaft Gedankengut von Staatsverweigerern hegt, macht sie aber in einem Maße verdächtig, dass es sträflich naiv wäre, ihnen Unbedenklichkeit zu bescheinigen – im Gegenteil!

Die gemeinsame Stellungnahme der Vorchdorfer Parteien (siehe unser Update #2) ist ein – wenn auch lobenswerter – Minimalkonsens. Not-wendig im wortwörtlichen Sinne ist aber etwas viel Grundsätzlicheres, denn unsere demokratischen Freiheitsrechte stehen ja unter Beschuss. Wie wenig selbstverständlich ihr Bestehen ist, zeigen allein schon die Entwicklungen z. B. in den USA und Ungarn. Und dass Trump und Orbán auch hierzulande Fans haben, ist ja bekannt.

Das Untergraben der Demokratie beginnt immer bei Minderheiten, nicht bei der jeweils stärksten Opposition. Jenseits der Vorchdorfer Gemeindegrenze etwa ist mit Michael Gruber ein Mann Pettenbacher Vizebürgermeister und FPÖ-Landesparteisekretär, der öffentlich darüber sinniert hat, Regenbogenparaden verbieten zu lassen. So etwas darf man nicht vergessen. Das verfassungsmäßige Grundrecht der Versammlungsfreiheit gibt es in Österreich seit fast 150 Jahren. Natürlich ist es ungemütlich, auch in der unmittelbaren Umgebung klare Kante für Rechtsstaat und Freiheit zu zeigen. Aber es wird sein müssen. Vorchdorf ist auch keine Insel der Seligen, an der aufziehende Gefahren vorübergehen.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert