Digitalste Gemeinde Österreichs: Ein Blick nach Kremsmünster

5. November 2025

Das Thema der Digitalisierung macht auch vor den Gemeindestuben nicht halt, wobei damit nicht nur der Webauftritt gemeint ist. Eine Kommune, die sich bereits seit vielen Jahren mit den Transformationsprozessen beschäftigt, ist Kremsmünster. Unlängst wurde die seinen eigenen Worten nach „digitalste Gemeinde Österreichs“ sogar vom Staatssekretär für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Alexander Pröll (ÖVP) besucht. Federführend für die vielen Services der Gemeinde zeichnet Amtsleiter Mag. Reinhard Haider. Wir haben uns bei ihm nach seinem Erfolgsrezept erkundigt und wollten wissen, wie die Digitalisierung seine Gemeinde verändert hat.

Mit etwas über 7000 Einwohnern ist Kremsmünster die einwohnerstärkste Gemeinde im Bezirk Kirchdorf und damit recht gut mit Vorchdorf vergleichbar. Nach dem überraschenden Tod von Bürgermeister Obernberger im Juni dieses Jahres wurde mit Dr. Dagmar Fetz-Lugmayr (ÖVP) erstmals eine Frau an die Gemeindespitze gewählt.

Digitaler Vorreiter als Amtsleiter: Mag. Reinhard Haider

Die Amtsgeschäfte dagegen werden seit bald 30 Jahren von Mag. Reinhard Haider geleitet, der nun bereits den vierten Ortschef erlebt. In die Gemeindeverwaltung eingestiegen ist Haider schon mit 19 Jahren. Sein Wirtschaftsstudium („die Juristerei hat mich nicht interessiert“) absolvierte er nebenberuflich. Es ist mit ein Grund für seinen betriebswirtschaftlichen Zugang als Amtsleiter. Dem Thema der Digitalisierung widmet er sich seit 1994, allerdings nicht nur auf Kremsmünster beschränkt. So war er ab
1998 an der Entwicklung der Gemeinde-Plattform „RiS-Kommunal“ beteiligt und hat an „Oö. GemNet“ mitgearbeitet, einem Intranet, das Gemeinden untereinander und mit der Landesverwaltung in Linz verbindet. Bereits im Jahr 2001 hat sich Kremsmünster an einem Pilotprojekt für die Bezahlung der Abgaben via Internet beteiligt – übrigens als einzige Gemeinde Oberösterreichs.

Livestream auch mit Nachschau-Option

Ziel von Haider war es stets, den Bürgerinnen und Bürgern die Amtsgeschäfte so einfach wie möglich zu gestalten. Davon hat aber auch die Verwaltung selbst profitiert. In einer Art „digitalem Lebenslauf“ werden auf der der Gemeindewebsite an die 60 Projekte präsentiert, die über die Jahre umgesetzt wurden. Seit 2003 können sämtliche Vorschreibungen papierlos abgewickelt werden. Selbst das Fundamt kann man seit dieser Zeit digital erreichen. Mit dem bereits 2007 präsentierten Gemeinde-TV war Kremsmünster seiner Zeit voraus – auch wenn dieser Informationskanal inzwischen durch soziale Medien abgelöst wurde. Mit der Präsentation der App „Bürgermeldungen“ wird 2012 ein Beschwerde-Management-Tool für die Bürgerinnen und Bürger präsentiert. Zwei Jahre später richtet sich eine „Jugend-App“, eine Erweiterung der Gemeinde-App Gem2Go, mit einem speziellen Angebot an die Kremsmünsterer Jugend. Eine barrierefreie Kommunikation ist ebenfalls von großer Bedeutung und führt zu „Bürgermeister-Sprechstunden“ über das Internet. Übrigens, Gemeinderatssitzungen werden nicht nur gestreamt, sondern sinnvollerweise auch für eine Nachschau zur Verfügung gestellt – eine eigenen Aussagen nach Low-Budget-Produktion mit drei Kamerapositionen, die aber zu einem qualitativ hochwertigen Ergebnis führt.

Kommunikation ist das Betriebssystem einer modernen Gemeinde

Mit einem Klick werden sämtliche Berichte in sozialen Medien und Webseiten betreffend den Ort („News-Plattform“) bereitgestellt. Im Vorjahr dann geht mit „Kremsi“ ein ChatBot online, ein innovatives Projekt, das sich der KI bedient. Neben Informationen wird hier auch Hilfestellung digital angeboten. Aktuell ermöglicht es die Gemeinde ihren Einwohnern, die ID-Austria mit Videounterstützung zu verlängern, Termine beim Bürgermeister zu buchen oder die wichtigsten Amtswege digital zu erledigen.

Neben mehreren Auszeichnungen für die vielen digitalen Errungenschaften zählt aber vor allem die Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger. „Man ist stolz auf die Vorreiterrolle der Gemeinde“, erzählt uns der Amtsleiter. Dass viele Angebote im Netz von den Jungen bis zu den Seniorenvereinen (die übrigens auch eine spezielle Betreuung bekommen) angenommen werden, ist eine weitere Bestätigung für die Arbeit in den letzten Jahrzehnten.

Als langjähriger Chef des Fachverbands der leitenden Gemeindebediensteten (FLGÖ) in Oberösterreich wurde Reinhard Haider unlängst zum Bundesobmann gewählt. In dieser Funktion fand er in seiner Einleitung zu einem Vortrag von Ingrid Brodnig zum Thema „Fake News und Strategien wider die Verrohung“ folgende Worte: Es gehe nicht nur um Kanäle und Technik, sondern vor allem um Haltung. Offenheit statt Geheimniskrämerei, Zuhören statt nur Senden, Miteinander statt Gegeneinander. Kommunikation sei kein Anhängsel – sondern das Betriebssystem einer modernen Gemeinde.

Dass er als FLGÖ-Obmann die Digitalisierung als einen seiner Arbeitsschwerpunkte erachtet, liegt auf der Hand. Rückblickend sieht Reinhard Haider persönliches Engagement, Verständnis und ein hoch motiviertes, innovatives Team als die Erfolgsfaktoren. Aber auch ohne das Vertrauen der Politik in die Gemeindeverwaltung wären viele Projekte nicht machbar gewesen.

 

 

Dieser Beitrag wurde am von unter Interviews veröffentlicht.

Über Alfred E. Neumann

Anfang der Neunzigerjahre von Graz nach Oberösterreich ausgewandert; 2002 in Vorchdorf eingebürgert, will er die wunderbare Umgebung nicht mehr missen; informierte schon als Mitbegründer einer Schülerzeitung sein Umfeld; mag das Satiremagazin MaD; beruflich im Marketing und Produktmanagement beheimatet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert