Sommergespräch 2024/7: Erinnerungen und Gedanken einer umtriebigen und weithin bekannten Vorchdorferin

22. August 2024

DIE Anita kennt man einfach – als eine, die bei jedem Spaß dabei ist, die stets hilfsbereit ist, die viel arbeitet, aber auch gerne feiert. Wie wurde aber Anita zur Geschäftsfrau, und wie geht es mit der einzigen Reinigung zwischen Wels und Ebensee weiter? INVO.report interviewte die Bald-Pensionärin.

Anita Kirchmair und Mag. Tamara Huemer

Anita hat nach der Matura an der HAK Wels vier Jahre bei der Firma Internorm im Controlling gearbeitet. Sie ist mit Mag. Silvio Kirchmair verheiratet. 1989 hat sie das Reinigungsunternehmen von ihrer Mutter Karoline Gollinger übernommen. Erst 1991 konnte sie die Meisterprüfung ablegen – Schwierigkeiten bereitete nicht der Lehrstoff, sondern dass kein Kurs angeboten worden war. Nach 35 Jahren „hinter der Budel“ wird sie zum 1.1.2025 ihr Unternehmen an Tochter Mag. Tamara Huemer übergeben.

Ende der 1960er Jahre, als hierzulande eine „chemische Reinigung“ noch völlig unbekannt war, hat Anitas Vater davon in der Zeitung gelesen und kurzerhand eine solche Reinigungsmaschine in England bestellt. Das Münzgerät wurde in ein Eck des vorhandenen Elektrogeschäfts gestellt und sollte eigentlich gereinigte Kleidung mitnahmefertig „ausspucken“. In Wirklichkeit waren aber doch noch einige Handgriffe nötig, bevor die Kundinnen mit ordentlicher Bekleidung von dannen ziehen konnten. Anitas Mutter hat den Reinigungsbetrieb geführt, der bald in einen ebenerdig zugängigen Neubau übersiedelte.

Da chemisch Reinigen nicht bekannt war – Wäsche wurde zuhause gewaschen, der Steireranzug zum Lüften rausgehängt –, mussten die Vorchdorferinnen* von den Vorzügen einer „Putzerei“ erst überzeugt werden. Langsam konnten aber Stammkundinnen und mit der MIBA Vorchdorf auch der erste Industrieauftrag gewonnen werden. Bald wurde die erste Angestellte eingestellt – bisher haben nur Frauen in Anitas Reinigungsbetrieb gearbeitet. Trotzdem war eine Nebeneinkunft durch Schulbusfahren nötig, weil der Umsatz der Reinigung nicht zum Auskommen gereicht hätte.

In weiterer Folge blühte der Geschäftszweig auf. Allein in Linz hat es in der Hochzeit 50 Reinigungsbetriebe gegeben. Im Betrieb von Frau Gollinger ging es stetig bergauf, und trotz seit den 1980er/90er Jahren schwer zu erfüllender Umweltauflagen war das Unternehmen wirtschaftlich stabil.

Befragt man Anita nach den Herausforderungen, so sagt sie: Das Tagesgeschäft, Ein-/Verkauf, Mitarbeiterinnenführung, Maschinen instandhalten – alles „unter einen Hut bringen“ ist nicht so leicht. Der Betrieb wurde immer schneller, effizienter, energiesparender, und das Angebot wurde z. B. um Imprägnierungen, Annahme von Teppichen und Lederwaren erweitert. Die Auflagen sind hoch, es gibt hohe Gebühren, ein Kleingewerblerinnendasein ist meist nicht mit Work-Life-Balance vereinbar – alles Gründe, warum es fast keine chemischen Reinigungen mehr gibt.

Als ihre Erfolgsfaktoren sieht Anita langsames Wachstum, vergrößertes Einzugsgebiet, MIBA-Aufträge und Offenheit für Neues wie z. B. BIPA-Annahmestellen, um der Kundschaft entgegenzukommen. Anita tut sehr viel, um Kundinnen zufriedenzustellen. Qualität, Kundennähe, Freundlichkeit und ein positives Einkaufserlebnis sind Unternehmensdevise. So manche Hochzeit wurde gerettet, weil Anita spätabends nochmal aufsperrte oder am Hochzeitsmorgen auf das Brautkleid verschütteten Kaffee noch schnell wegzauberte.

Was man nicht unbedingt vermutet: Im Bereich Nachhaltigkeit ist Anitas Reinigung ganz vorne. Es werden die Umweltauflagen eingehalten und umweltfreundliche Maschinen angeschafft. Das bewirkt, dass chemisch Reinigen umweltfreundlicher als Waschen ist, weil der Abwasserkanal nicht belastet wird. Die Reinigung funktioniert in einem geschlossenen Kreislaufsystem. Selbst die geringen Rückstände werden in Deutschland wiederaufbereitet. Die derzeit verwendete Folie ist zu 99 % recyclebar. Eine rein pflanzliche Folie auf Sojabasis ist leider zu teuer, weil dafür auch ein eigenes Foliergerät angeschafft werden müsste: „Das soll dann Tamara machen“, meint Anita.

Stolz ist Anita auf ihr Logo aus der Hand des österreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer.

Das Kundinnenverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Etwas reinigen zu lassen ist heute selbstverständlich, es gibt mehr Ältere und mehr Singles, der Hang zur Bequemlichkeit und der Lebensstandard steigt. Der persönliche Kontakt spielt für Anitas Geschäftsmodell eine wesentliche Rolle. Sowohl Endkundinnen als auch die Entscheidungsträgerinnen der Unternehmen wie Miba, Hofer und Bipa erwarten individuelle Betreuung.

Tipps an Jungunternehmerinnen: genug Eigenkapital, um nicht von der Bank abhängig zu sein, Engagement, nicht zu schnell wachsen, mit 40-Stunden-Woche kommt man nicht aus: „Wie oft das Auto beim Vinolino steht, sieht jeder, wie oft bei der Reinigung, keiner.“

Wünsche an Nachfolgerin Tamara sind: Vereinbarkeit von Familie und Beruf herausfordernd, aber möglich; dass es so gut wie bisher weitergeht. Anita war immer gerne selbständig und wünscht Tamara diese Freude auch. Andererseits wünscht sich Anita, dass Kleingewerblerinnen mehr unterstützt werden.

Zur Entspannung ist Anita gerne in ihrem „2. Wohnzimmer“, dem Vinolino, verbringt Zeit mit ihrer Familie, hat einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, reist zu Fußballspielen (Dortmund, Liverpool, Barcelona) oder Konzerten (Rod Steward), und, und, und. Sie ist sehr gerne in Vorchdorf, ihr taugen die Menschen, und sie kommt mit fast allen gut aus. Vorchdorf ist ein lebenswerter Ort mit großartiges Vereinsleben, Zusammenhalt, viele Stammkunden, man bekommt alles, was man braucht.

Mit der Geschäftsübergabe an Tamara werden Räumlichkeiten, Abläufe, Marketing und die EDV (Stichwort „papierlose Abwicklung“) sukzessive den neuesten Anforderungen angepasst.

* Nicht-Frauen sind immer mitgemeint.

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