Vier Parkplätze im Ort ohne Schneeräumung und der gordische Knoten im Gemeinderat

16. Dezember 2023
Diagnose einer politischen Betriebsstörung

Schwarzlmüller-, Kitzmantelfabrik-, Schwimmbad- und Penny-Parkplatz, das ist schon ein Großteil des Parkraums im Ortskern, besonders bei Veranstaltungen in der Kitzmantelfabrik. Für diese Parkplätze gibt es nun bis auf Weiteres keinen Winterdienst mehr, das heißt: Benutzung unmöglich oder auf eigene Gefahr. Ursache ist die Entgleisung eines vermeintlich harmlosen Punkts bei der letzten Sitzung des Gemeinderats.

Punkt 18 der Tagesordnung. Das meiste ist geschafft, der Gemeinderat ist in der Zielgerade zu den wechselseitigen Segenswünschen für die bevorstehenden Feiertage, jetzt ist noch einiges beim Winterdienst neu zu beschließen. Bürgermeister Johann Mitterlehner erläutert die Sachverhalte. Einer davon: Neuvergabe der Schneeräumung auf den genannten Parkplätzen, und zwar an die Firma Scherleithner, von der u. a. auch die Bahnhofstraße betreut wird, also direkt angrenzende Flächen.

„Freunderlwirtschaft – nein Korruption“

Johann Limberger (Liste Vorchdorf) bei der Gemeinderatssitzung am 12. Dezember (Bild: YouTube-Kanal der LV, Screenshot)

An dieser Stelle hakt die Liste Vorchdorf (LV) mehrfach ein. Wolfgang Ettinger fragt, ob Vergleichsangebote eingeholt wurden. Mitterlehner verneint: Es sei sehr schwierig, für diese Arbeit überhaupt Dienstleister zu finden („Wir haben keine Anbieter“), die Kapazitäten der Bauhofs seien ausgereizt, das Angebot Scherleithners außerdem sehr günstig. Gemeinderat Johann Limberger: Es sei also gar nicht gefragt worden, demnach: „Freunderlwirtschaft, das ist immer so nichts Tragisches, man soll’s beim Namen nennen: Korruption.“

Darauf Gemeinderat Josef Scherleithner jun. in eigener Sache: „Ich ziehe das Ganze zurück. Räumt euch bittegarschön den Parkplatz selber.“ Mitterlehner fordert daraufhin verärgert die LV auf, der Gemeinde einen Dienstleister zur Verfügung zu stellen. Limbergers Versuch zu betonen, es gehe nicht darum, dass „Scherli“ das nicht machen dürfe, nur die Vorgangsweise sei nicht ganz korrekt – dieser Versuch glättet die Wogen nicht mehr. Mitterlehner bezeichnet Limbergers Vorwürfe als „das Tiefste, was es überhaupt gibt“. Wenn Anrufe (wegen nicht geräumter Parkplätze) hereinkommen, werde er darauf verweisen, wer das ausgelöst habe.

Ebensowenig wie Limberger gelingt es Listenchef Albert Sprung zu kalmieren. Sein Appell „Ich glaube, wir sollten gemeinsam alle tief durchatmen“ löst nur Gelächter aus – sehr wahrscheinlich so gemeint, dass Sprung diesen Appell lieber an seinen Kollegen Limberger richten sollte. Sprung wiederholt den Hinweis, es hätte ja genügt, zwei weitere Anbieter anzufragen, dann wäre alles in Ordnung gewesen.

„Schon wieder ein Wahnsinn“

ÖVP-Fraktionsobmann Mario Mayr legt nun nach: Es sei halt „schon wieder ein Wahnsinn, diese seichte Ausdrucksweise, die man von Limberger kenne“. Er bedankt sich dann bei Scherleithner, dass dieser sein Angebot zurückgezogen habe. Wenn es im Winter auf den Parkplätzen mal wieder etwas zu räumen gäbe, „können wir den Vorchdorfern sagen: Danke, liebe Liste Vorchdorf“. Und an Sprung gewendet: Es sei vielleicht angebracht, Limberger öfters mal vom Rednerpult zurückzuholen, damit er nicht so einen Schaden für Vorchdorf anrichtet.

Grünen-Gemeinderat Norbert Ellinger ruft Limberger zur Mäßigung im Ton auf und meint, dieser habe angesichts des Umfangs der betreffenden Leistung mit dem strafrechtlich relevanten Vorwurf der Korruption jedes Maß verloren. (Der Ablauf im Detail ist in der Videoaufzeichnung nachzusehen.) Ebenfalls seitens der Grünen bedauert später Reinhard Ammer, dass man nicht im Vorfeld versucht habe, die Frage der Anbietersuche zu klären.

Verschwörungstheoretiker würden das alles ganz einfach erklären

Wäre alles nur schwarz oder weiß … aber so ist es nicht. Es befriedigt ja nicht einmal, sich auf eine der beiden Seiten – nennen wir sie ÖVP und LV – zu schlagen. Das „Alles-Schwarz-Ergebnis“, zur Verschwörungstheorie hochgejazzt, wäre in jedem Fall intellektuell unredlich, wenn nicht lächerlich.

  • Verschwörungstheorie 1: Die ÖVP schiebt nicht nur den eigenen Leuten, beginnend spätestens mit dem 1-Euro-Grundstück, vorteilhafte Deals zu, hält unter der Decke, was nur geht, und wartet bloß darauf, dass die LV das öffentlich kritisiert, um diese dann als Schlechtredner unserer schönen Gemeinde hinstellen zu können. Besser noch: Die ÖVP nutzt Vorwürfe, z. B. eben Korruption, für Reaktionen wie den Rückzug des Schneeräumungsangebots, um die Schuld dafür der LV zu geben. Für einen Rücktritt des Bürgermeisters etwa hätte demnach die ÖVP jetzt schon freudig die Verantwortung der LV formuliert.
  • Verschwörungstheorie 2: Die LV giert danach, jedes Problem in der Öffentlichkeit zu einem Skandal hochzukochen, nur um sich als Opposition profilieren zu können, während sie selbst nichts Konstruktives beizutragen hat. Möglichkeiten, Dinge im Vorfeld im Konsens zu lösen, werden immer wieder aus genau diesem Grund ausgelassen, denn das würde ja die eigene Existenzberechtigung als Aufdecker und Vorkämpfer für Transparenz infrage stellen. Mit ihrer Strategie produziert sie gezielt Schlagzeilen, darum geht’s.
Entgleisung mit Anlauf

Am Beispiel dieses einen Tagesordnungspunkts lässt sich wie in einem Prisma beobachten, welche verfestigten Muster den gordischen Knoten im Gemeinderat immer fester zuziehen, während Vorchdorf doch eigentlich nichts nötiger bräuchte, als dass dieser Knoten durchgehauen oder wieder gelöst würde.

Die Sache wäre mit Vernunft kinderleicht zu regeln gewesen: Bürgermeister oder Amtsleiterin hätten den Fraktionsobleuten vorab sagen können, dass es (wahrscheinlich) keine Anbieter außer Scherleithner gibt. Und da die Direktvergabe in diesem Fall zulässig ist, hätte man sich entweder eben darauf verständigt oder man wäre übereingekommen, pro forma bzw. wegen der potentiell schlechten Optik einer Direktvergabe an ein ÖVP-Mitglied noch zwei Anbieter anzufragen. Einstimmige Annahme im Gemeinderat, Thema durch. Beide Seiten hätten die Möglichkeit dazu gehabt, und sie allein wissen, warum sie sie nicht genutzt haben.

Auch danach, im Gemeinderat selbst, wäre bis zur Wortmeldung Limbergers alles im grünen Bereich gewesen: Ettingers Frage und Mitterlehners Antwort waren sowohl komplett unaufgeregt als auch beiderseits sachlich nachvollziehbar und gerechtfertigt.

Warum sich Limberger ohne Belege in einem Fall von so geringer Bedeutung von „Freunderlwirtschaft“ zu „Korruption“ hochschaukelt, lässt sich nur mutmaßen. Offenkundig ist allerdings, dass er die Wirkung seiner Wortmeldung fundamental fehleingeschätzt hat – wie auch an zwei anderen Stellen in dieser Gemeinderatssitzung.

Warum andererseits Scherleithner daraufhin sein Angebot zurückzieht, erscheint nur auf den ersten Blick plausibel: Er will zeigen, dass er sich den Vorwurf der Korruption nicht gefallen lässt. Das geschieht so schnell, dass der Verdacht, genau so der Liste Vorchdorf aus der Sache einen Strick drehen zu wollen, zwar denkbar wäre, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das Motiv war. Es bleibt dem Bürgermeister, danach der LV die Rute ins Fenster zu stellen, Beschwerden über unbenutzbare Parkplätze an sie zu verweisen. Aber immerhin, zum bedingungslosen Rücktritt von seinem Angebot hätte Scherleithner durchaus Alternativen gehabt. Eine Möglichkeit – auch für den Bürgermeister, um die Kuh vom Eis zu holen: einen anderen Gemeinderat den Gegenantrag auf Feststellung, wer dem Vorwurf der Korruption zustimme, einbringen zu lassen. – Auch etwas gemein, aber mit wahrscheinlich nahezu einstimmigem Ausgang. Oder die Sitzung unterbrechen …

„Vorausssichtlich ein Kopfschütteln bei der Vorchdorfer Bevölkerung“

Damit sind also nun die Daumenschrauben der gegenseitigen Quälerei um eine Drehung weiter angezogen, die Latte für ein zukünftiges sachliches, vielleicht sogar vertrauensvolles Miteinander ein Stück höher gelegt – etwas, wonach sich die Bevölkerung zunehmend frustriert mehr als nach allem anderen sehnt.

Wie es eine Leserin im Kommentar an den INVO.report zu einem ähnlichen Thema ausgedrückt hat: „ …wieder ein Punkt mehr bei der Gemeinderatssitzung (…), der bei der Mehrheit der Vorchdorfer Bevölkerung voraussichtlich ein Kopfschütteln erzeugen wird (ja, das traue ich mir zu behaupten), finde ich schade! Gäbe wirklich Wichtigeres!!! Zum Beispiel, findet endlich ein Miteinander statt immer nur ein Gegeneinander!!“

Leichter gesagt als getan. Nicht wenige der wechselseitigen Kritikpunkte (um es milde zu formulieren) sind zumindest im Kern berechtigt, und wohl fast alle waren an dieser Stelle schon einmal Thema. Ein Anfang wäre, wenigstens die Erfahrung aus den inzwischen zahllosen Konflikten heranzuziehen, um in Zukunft jene Punkte auszulassen oder anders anzugehen, von denen man eh schon weiß, dass sie nur Öl ins Feuer schütten. Eine externe Beratung oder Mediation wäre darüber hinaus hilfreich.

8 Gedanken zu „Vier Parkplätze im Ort ohne Schneeräumung und der gordische Knoten im Gemeinderat

    1. Michael Praschma Beitragsautor

      Es handelt sich beim Penny-Parkplatz zwar nicht um eine öffentliche Fläche; es besteht jedoch eine Vereinbarung mit der Gemeinde über den Winterdienst, die auf einen Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2009 zurückgeht. Das teilte auf unsere Anfrage der Bürgermeister mit.

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  1. Manuela Hartleitner

    Liebes Team „Info.report“

    Ich möchte mich bei euch bedanken, dass ihr eure Energie und euer Herzblut für ein besseres Vorchdorf einsetzt.

    Ihr bemüht euch, alle Aspekte, Meinungen, Befindlichkeiten aller Bürger und der Politik aufzuzeigen und ich habe auch das Gefühl, dass ihr versucht, die verhärteten Fronten der Politik zu lösen.

    Ich finde es wirklich sehr schade, dass politische Strategien aus der Vergangenheit auch jetzt noch solche negativen Auswirkungen auf Vorchdorf haben….

    Vielleicht könnt ihr ja unsere Politik dazu bewegen, ihre ganze negative Energie (aller Parteien…. Es tragen ALLE dazu bei) FÜR Vorchdorf, für UNS aufzuwenden.

    Meiner Meinung ist das nur möglich, indem man einen Schlussstrich zieht und bei Null anfängt.

    Ich bin mir sicher, die Bürger würden es befürworten, dass Geld für eine Mediation in die Hand genommen werden würde, damit in Vorchdorf endlich Frieden einkehren kann. Eventuell auch ein Spendenaufruf für eine Mediation?

    Möchten wir nicht alle ein Zeichen setzen…. Soll Vorchdorf doch Mal ein positives Vorbild sein…. Und die Politik sich die Hand reichen (können sie es schaffen? Können sie über ihren Schatten springen)?

    Wie soll auf der Welt Frieden herrschen, wenn es nichtmal in Vorchdorf funktioniert….

    Wie im Kleinen…. So im Großen.

    Wie schön wäre es, mal in den Medien zu lesen, dass unsere Streithanseln sich um FRIEDEN bemühen.

    Vielleicht gibt es ja ein Weihnachtswunder??

    In diesem Sinne: Ich wünsche dem ganzen Team ein friedliches Weihnachtsfest und ganz viel Energie für das Jahr 2024.

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    1. Claudia Edlinger

      Liebe Frau Hartleitner, ich möchte mich bitte gerne Ihren Aussagen und Wünschen anschließen. Und ich glaube ganz VIELE Vorchdorfer sind Ihrer Meinung.
      Hoffe, im neuen Jahr findet bei so manch einem ein Umdenken statt, denn so kann es nicht weitergehen.
      In diesem Sinn…..
      Ein gesegnetes Weihnachtsfest mit euren Lieben🌲

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  2. Albert Sprung

    Und auch wenn man jetzt glaubt, für eine mangelhafte Schneeräumung mit der Liste FÜR Vorchdorf einen Schuldigen gefunden zu haben, lassen sich folgende Fakten nicht vom Tisch wischen:

    1) Die Gemeinde und mit ihr der Bürgermeister haftet für Schäden durch eine bewusst NICHT durchgeführte Schneeräumung.

    2) Wenn Aufträge nicht sauber vergeben werden, wird das auch zukünftig von der Liste FÜR Vorchdorf angesprochen. Ob das der ÖVP nun passt oder nicht.

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  3. Alfred E. Neumann

    Die Schneeräumung von Parkplätzen also ein weiterer Beweis dafür, dass es in Vorchdorf eher keine Klimaerwärmung gibt. Die Nachfragen zum Ablauf einer Vergabe erscheinen doch grundsätzlich durchaus berechtigt, das Ausarten nach der Beantwortung dagegen aber eher unnötig. Durchaus richtig also, wenn Kommentare alles andere als ein Miteinander feststellen. Ob, wie an anderen Stellen gefordert, ein Mediator oder gar ein Kindergartenpsychologe da noch helfen können, darf zwischenzeitlich stark in Zweifel gezogen werden.
    Wirklich schade ist doch aber, dass der „Meister der Bürger“ solche Auflagen nicht nützt, sich von seinem notorisch scharfmachenden, aber eher selten lösungsorientierten Fraktionsobmann zu distanzieren, staatsmännischer zu agieren und für Vermittlung anstatt weiterer Verhärtung zu sorgen. Zum Beispiel in der Form, die Sitzung zu unterbrechen, um mit allen Fraktionsobleuten und dem potentiellen, aber wohl auch sehr emotionsgetriebenen, potentiellen Schneeräumer noch während der Sitzung für eine Klärung zu sorgen. Ein Bürgermeister als Problemlöser eben!
    Die Ansage, Beschwerdeanrufe dagegen weiterzuleiten, ist für mich genau das Gegenteil, nämlich ein mehr als trauriger Beweis, dass es wohl an Führungs- und Lösungskompetenzen mangelt, die man sich als Bürger von einem Ortschef aber erwarten darf. Leider, wie ich finde. Mein heuriger (ortspolitischer) Weihnachtswunsch (sorry, Kinderleins): Tauwetter, kein Frost und schon gar kein Schnee.

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    1. Christian Moessl

      … wahrscheinlich setzt der hr. bürgermeister auf eine topversicherung für gemeindehaftungsfragen!!!
      (gab’s zu der versicherung eine ordentliche ausschreibung – leistungsumfang, prämiehöhe, laufzeit… – mit transparenter auftragsvergabe?)

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