13. Dezember 2023
Kulturglosse von Michael Praschma
Der „Tatort“ dieser Geschichte ist Laakirchen. Aber es geht auch um zwei Menschen mit Vorchdorfbezug: einen, der im Konzentrationslager ermordet wurde, und einen, der sich als Autor mit der Geschichte des Nationalsozialismus’ in unserer Region beschäftigt. Der Umgang mit dem „Kriegerdenkmal“ in Laakirchen ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wie aus lehrreichem Gedenken ärgerliche Belanglosigkeit wird.
Besser hätte man das Laakirchener Kriegerdenkmal kaum platzieren können als am Hauptplatz, wo es seit 1956 steht. Nächstes Jahr wird es abgerissen. Der Grund: „Stillstand bedeutet Rückschritt“, so jedenfalls die Kernaussage des mitverantwortlichen Architekten zum neuen Stadtentwicklungskonzept, präsentiert im April 2022. Regionale Vermarktung am neuen Marktplatz soll eine zentrale Säule dabei sein. Ein Kriegerdenkmal passte da wohl nicht dazu. Es sollte versetzt werden.
Bruno Schernhammer hat vor 20 Jahren alle Kriegerdenkmäler im Bezirk besucht und dokumentiert. Laakirchen, sagt er, hat ihn überrascht und beeindruckt: „Der Blick auf die toten Krieger ist nur über das Ansehen der Namen der im KZ ermordeten Menschen möglich. Die Feuerschale an der Spitze der Stele erinnert an das Verbrennen der Ermordeten in den Krematorien der Konzentrationslager. Mütter trauern um ihre Söhne. Einer der Ermordeten war Johann Sammer, geboren in Vorchdorf, in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin.“ Eine Stellungnahme von zwei Laakirchener Gemeinderätinnen der Grünen enthält anschauliche Details zur besonderen Gestaltung und den geschichtlichen Hintergründen des Denkmals.
„Warum trägt die Gans nur einen Schuh?“
Das Denkmal zu versetzen hat sich inzwischen als technisch undurchführbar herausgestellt – also Abriss. Stattdessen soll, vergleichsweise abgeschieden, auf dem Friedhof ein „Friedenssymbol“ errichtet werden: Künstlerwettbewerb, einstimmige Juryentscheidung, warmer Applaus bei der Präsentation. Kurz gesagt: Eine Friedenstaube mit Beinprothese soll die Verletzlichkeit des Friedens signalisieren und an die Opfer von Kriegen gemahnen. Der gepflasterte Weg zu dem 1,5 Meter großen Tier wird bei Regen den Schriftzug „Der Himmel weint Frieden“ erscheinen lassen. Was im Übrigen mit dem kleineren Teil des bisherigen Denkmals, der Stele für die KZ-Opfer, passieren soll, ist noch offen.
„Der Entwurf: Hohn! War das ein Kinderwettbewerb? Warum trägt die Gans nur einen Schuh? fragt meine sechsjährige Enkelin. Gelbe Sterne auf blauem Hintergrund. Kitsch par excellence!“ – Bruno Schernhammers Urteil lässt keinen Zweifel am künstlerischen und historischen Wert für die Gedenkkultur.
Eher ein Beitrag auf TikTok
Selbstverständlich geht es hier nicht um eine Geschmacksfrage oder um künstlerische Freiheit. Das Thema ist vielmehr: Mit welcher Botschaft erinnere ich so an den Nationalsozialismus, dass wirklich eine Erkenntnis für heute daraus erwachsen kann? Das bestehende Denkmal zusammen mit der Stele leistet da sehr viel. (Falls noch nicht geschehen: Bitte jetzt die oben verlinkte Stellungnahme lesen!)
Die Gans mit nur einem Schuh (kaum jemand dürfte hier auf den ersten Blick eine Friedenstaube erkennen) ist dagegen von denkbar naiver und belangloser Beliebigkeit: Ja bitte, ein bisschen Frieden! Gut gemeint, aber das Gegenteil von gut. „Der Entwurf wird für Gesprächsstoff sorgen“, meinte Laakirchens Bürgermeister Feichtinger. – Mag sein, vielleicht am Stammtisch, wenn es über moderne Kunst geht. Vor Ort dürfte eher mit TikTok-Videos zu rechnen seien, wo Kinder die „Taube“ als Reittier zu erklimmen versuchen. Behutsamkeit und Respekt im Umgang mit der Geschichte – immer wieder eine Herausforderung, nicht nur in Laakirchen.
Nachtrag: Nach anfänglichem Widerstand des Laakirchener SPÖ-Bürgermeisters soll es nun doch noch vor Weihnachten ein Gespräch mit dem KZ-Verband und dem Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer:innen geben, um mit den beiden Opferverbänden zu klären, wie und wo das KZ-Denkmal erhalten bleibt. Dazu bedurfte es allerdings erst einer Intervention von SPÖ-Landesparteiobmann Michael Lindner. Das teilte das Oö. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus am 11. Dezember mit.