Sommergespräch 2024/2 – Karl Windischbauer: Erinnerungen und Déjà-vus

8. Juni 2024

„Vom Markt voller Leben dorthin, wo das Leben schön ist“. Mit den Slogans zweier Nachbargemeinden hat sein formulierungsgewandter Schwiegersohn seinen Umzug beschrieben. Auch wenn er mit seiner Frau Anneliese an einen paradiesischen Platz in Kirchham übersiedelt ist, Karl Windischbauer erinnert sich gerne an seine Zeit in Vorchdorf. Er nimmt mich mit auf einen Rückblick, der mich staunen lässt, wie aktuell viele Ideen von damals noch sind.

Im Mai 1982 machten sich knapp 60 engagierte Vorchdorfer:innen auf den Weg zu einer Friedensdemo nach Wien. „Vorchdorf zieht nicht in den Krieg, so stand es auf ihrem, dem angeblich größten Transparent, das in der Hauptstadt für Aufsehen sorgte. Karl war dabei, ist den örtlichen SPÖ-Granden aufgefallen und wurde kurzerhand zur Mitarbeit überredet. Daraus sollten dann 16 Jahre im Gemeinderat werden, lange Zeit im Kultur- und Planungsausschuss. Zweiteren hat er als besonders lehrreich in Erinnerung: „Vieles ist möglich, wenn man nur weiß, wie man es richtig macht“, versehen mit der interessanten (und zeitgemäßen) Ergänzung „… sei es nun die Höhe des Gebäudes oder die beschriebene Nutzung“.

Auch wenn er einer SPÖ-nahen Familie entstammt, im Vordergrund stand das Interesse, seinen Heimatort attraktiver, also lebens- und liebenswerter zu machen. Ganz unverblümt gibt er zu, dass ihm die Gestaltungsmöglichkeiten wichtiger waren als die Farbe des Parteibuches. Wäre doch dieser Idealismus weiter verbreitet, geht es mir sofort durch den Kopf.

Ein Roter als Mitgestalter des Werberings Vorchdorf – ja geht denn das?

Als einer der ersten beim „Werbering Vorchdorf“, zur Förderung lokaler Unternehmen gegründet, engagierte er sich in einem Umfeld, das man eher den (schwarzen) Wirtschaftskämmerern zurechnete – wohl auch Grund für ein anfänglich eher distanziertes Verhältnis zwischen Werbering und Wirtschaftsbund. Seit der Gründung im Jahr 1987 wurden Events organisiert, die bis heute Bestand haben, wie zB. der Christkindlmarkt oder das Ortsmagazin Tipp. Gemeinsam mit dem ehemaligen Café-Zwirn-Chef Franz Neuhuber wurden österreichweit Veranstaltungen besucht, um an Ideen für die Zukunft Vorchdorfs zu kommen. Mit dem Laudach-Taler war man dann ein Vorreiter einer Art „Gemeinde-Währung“ zur Förderung der örtlichen Wirtschaft. Es war dann Bürgermeister Schimpl (ÖVPI, der den Vorstandssitz der Gemeinde im Werbering deutlich aktiver nützte – und wohl auch der Grundstein für die heutige Zusammensetzung.

Viele Chancen, die man nützen könnte

Die Ortsbildgestaltung war schon immer Karls Steckenpferd – so auch heute noch. Unlängst hat er beispielsweise der Gemeinde Kirchham detailverliebte Gestaltungsvorschläge präsentiert. Anhand seiner Skizzen und dank seiner Fähigkeiten als Grafiker bekommt man einen realitätsnahen Eindruck, wie der Ort mittels Bäumen oder adaptierten Parkplätzen deutlich attraktiver werden kann. In Vorchdorf gab es solche Modelle übrigens schon vor vielen Jahren. Besonders traurig macht ihn dabei die Erinnerung an die Schleifung der „Gstötten-Taverne“ am Tanglberg. Er ist nach wie vor überzeugt, dass der Ortskern Vorchdorfs sich mit dem Erhalt heute wesentlich attraktiver präsentieren würde. Bei der Gelegenheit blättert er im „Heimatbuch Vorchdorf“, das er für den Autor und angesehenen Kunsthistoriker HR Dr. Johann Sturm vor der Jahrtausendwende mitgestaltet hat. Ein Zuzügling, wie ich einer bin, findet darin eine Sammlung vieler beeindruckender Bilder, Ideen und vor allem Gestaltungsvorschläge für einen anziehenden Ortskern. Vorchdorf, so ist er überzeugt, hat mit dem Ortsplatz eine perfekte Voraussetzung für eine belebte Begegnungszone. Eine Voraussetzung, die sehr vielen Gemeinden fehlt und die man nützen müsste.

Nachdenklich wird er bei einem, wie ich es empfunden habe, Herzensprojekt, nämlich der Umgestaltung des Pfarrgartens. Wieder einmal hat er seine Ideen in Form von Computerskizzen professionell präsentiert, die aber im Pfarrgemeinderat, knapp aber doch, abgelehnt wurde. Gerade jetzt, wo sich die Gemeinde für die Gartenzeit 2031 vorbereitet, würde die parkähnliche Gestaltung dieser erhaltenswerten Grünfläche perfekt in das Konzept passen. Ein Deja-vu, das man wieder aufgreifen könnte.

Gut in Erinnerung ist ihm auch noch die „Fassaden-Aktion“: Die Gemeinde hat Hausbesitzer für eine attraktive Optik der Häuser finanziell unterstützt. Seit jeher vermisst er eine abgestimmte Planung bei Neubauten. Die Revitalisierung des Gwölbs im ehemaligen Mischkreu-Haus ist für ihn ein sehr positives Beispiel, wie man innerorts beleben kann. Gleiches gilt auch für die Rettung der Kitzmantelfabrik. Nachvollziehbar, dass er den Ankauf der heutigen Kultur-Villa befürwortet, sich aber weitere Gestaltungsmaßnahmen wünscht. Somit fast unvermeidlich, ihn nach seiner Sicht zur „Ein-Euro-Story“ zu befragen: Er wünscht sich, die Gebäudelücke mit einem Neubau zu schließen, eine Grünfläche hält er dort für nicht attraktiv und praktikabel.

Das hatten wir doch schon einmal

Er bedauert es, dass das Auto für die Gemeinde noch immer im Vordergrund steht und spielt damit auf fehlende Rad- und Gehwege an. Eh klar, er kann auch bei diesem Thema auf ein Projekt einer Studentengruppe unter dem Titel „Einflugschneise Wildente“ Ende der 90er-Jahre verweisen, das sich ua. mit einem Verkehrskonzept beschäftigt hat. Schön fände er es, mit Kinderwagen oder Fahrrad gefahrlos von der Fischböckau ins Ortszentrum zu gelangen. Mit neuralgischen Stellen wie der Messenbacher Straße, der Hofer-Kreuzung, Engstelle Bachinger kommen ihm sofort in den Sinn. Womit wir beim Thema einer Einbahnregelung für den Tanglberg gelandet wären – ich weiss nicht, das wievielte Deja-vu das nun ist! Tatsache ist, gute Ideen gab in Vorchdorf schon viele, was fehlt ist die Umsetzung. Das wiederum gefällt ihm übrigens in Kirchham ganz besonders: Es gibt mehr Sachpolitik, alle bemühen sich um die beste Lösung für den Ort und die Bevölkerung. Familien und Umwelt (auch ohne Grüne Gemeinderäte!) haben hohne Priorität.

Ratschläge gibt es keine

Rufe von der Seitenlinie, das sind nicht seine Sache! Aber um die Politik ein wenig zu streifen, erinnert sich Karl, dass unter Bürgermeister Josef Schwaha (ÖVP) im Vorfeld von Abstimmungen sehr viel miteinander gesprochen und diskutiert wurde. Schwaha suchte stets das Gespräch mit allen politischen Kräften, so auch mit ihm als Obmann des Gestaltungsbeirats, einer Einrichtung, die unter den späteren Bürgermeistern leider sanft entschlafen ist. Übrigens, Schwaha war es auch, der eine Befragung der Bevölkerung zu Erwartungen und Lebensqualität initiiert hat. Die Mitsprache der Bürger war ihm ein wirkliches Anliegen – durchaus aktuell, das Thema, wie ich meine.

Weitere Deja-vus betreffen das Projekt einer verlängerten Straßenbahn, der Gestaltung der Dietmair-Teiche und die Idee eines Laudach-Wegerls im Ortskern.

Karl Windischbauer hat mich auf eine wirklich spannende Reise mitgenommen. Am Heimweg stelle ich mir vor, wie Vorchdorf wohl aussehen würde, hätte man in den letzten 25 Jahren nur ein paar der unzähligen Ideen umgesetzt – sozusagen ein „hätti wari“ als letztes Deja-vu.

Fotoquelle: Heimatbuch Vorchdorf 2000

3 Gedanken zu „Sommergespräch 2024/2 – Karl Windischbauer: Erinnerungen und Déjà-vus

  1. Gerhard Radner

    Schöner Bericht für Karl Windischbauer – in seiner aktiven Ära war er ein großer Mitgestalter unserer Gemeinde und er verdient Respekt dafür. Ebenso seine Weggefährten. Vieles ist gelungen, einiges (leider) nicht. Oder noch nicht. Manches braucht auch seine Zeit. Das gleiche gilt auch heute noch. Es gibt viele Faktoren für ein gutes Gelingen – z.B. Anrainerinteressen, Kosten, Förderungen, rechtliche Rahmenbedingungen und das wichtigste: ein gutes Auskommen untereinander oder die Findung eines Kompromisses. Oft gelingt dieser auch. Schade ist nur, dass darüber viel zu wenig berichtet wird.

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  2. Claudia Edlinger

    Und, an was scheitert es?
    Miteinander?
    Vielleicht, sollte man sich doch einmal zusammenreißen und sich überlegen, GEMEINSAM an einem Strang zu ziehen für Vorchdorf!!!

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  3. Albert Sprung

    Die Déjà-vus, wie in dem Beitrag beschrieben, zeigen, dass es in Vorchdorf an einer Vision für die Entwicklung unseres Ortes fehlt.

    Gute Ideen werden zwar hervorgebracht, aber fallen politischem Kalkül, persönlichen Eitelkeiten oder im schlimmsten Fall Unfähigkeit und mangelnder Umsetzungsstärke zum Opfer.

    Angelehnt an einen „größeren Plan“ könnte Vorchdorf auch in kleinen Schritten nach und nach lebenswerter und liebenswerter gestaltet werden.

    Und wie festgefahren die politische Situation in Vorchdorf ist, zeigt der Unwille für ein paar Euro einen Gehweg entlang der Dürren Laudach zu errichten. Nicht nur um den Spielplatz gegenüber dem Freibad überhaupt wieder erreichen zu können, sondern auch als kleinen Schritt dahingehend, das innerörtliche Wegenetz Schritt für Schritt zu verbessern.

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