Weiter streiten in Ewigkeit. Amen?

4. August 2024
Versuch einer Analyse, Kommentar und Vorschlag

Mehrheitlich abgelehnt hat der Gemeinderat in seiner Juli-Sitzung die Durchführung einer Mediation. Damit sollten die mitunter offen feindseligen Auseinandersetzungen zwischen Liste Vorchdorf und – mit unterschiedlicher Intensität – anderen Parteien im Gemeinderat befriedet werden. Die Mediation war in einer Petition von gut 150 Unterstützenden gefordert worden. Was nun?

Die Onlinepetition vom Jahresbeginn, von 154 Personen unterstützt

Vielleicht war es keine gute Idee, dass die Mediation am 2. Juli ausgerechnet durch einen Antrag aus den Reihen der Liste Vorchdorf (Albert Sprung, Wolfgang Ettinger und Johann Limberger) Thema im Gemeinderat wurde. Es ging darum, die notwendigen Schritte zur Durchführung einer Mediation zu beschließen, wozu bereits Anfang Februar 2024 Bürgermeister Johann Mitterlehner und alle Fraktionen im Gemeinderat schriftlich aufgefordert worden waren. Bis auf die FPÖ stimmten damals alle Parteien dieser Forderung grundsätzlich zu.

Kosten des Verfahrens und andere Bedingungen

Die LV beantragte nun, dass die Kosten der Mediation von den Fraktionen proportional zum Stimmenverhältnis im Gemeinderat übernommen werden. Die Organisation solle die Gemeinde übernehmen. Klare Regeln zur Durchführung sollten zu Beginn des Verfahrens verbindlich zwischen den Fraktionen vereinbart werden.

Eine erhöhte Verbindlichkeit forderte Reinhard Ammer (Grüne) mit einem Gegenantrag (bei prinzipieller Befürwortung der Mediation): Die Teilnahme solle freiwillig sein; das Ganze müsse ergebnisoffen sein, also ohne Vorbedingungen hinsichtlich des Ausgangs der Mediation; vor allem müsse Verschwiegenheit und Vertraulichkeit gelten. Die parteipolitische Vereinnahmung der Mediation sei ein absolutes No-go für die Grünen. Ein Junktim stellte Ammer her zwischen der Kostenübernahme der Gemeinde und einer scharfen Sanktionsdrohung – eine Verletzung der Vertraulichkeit durch eine Fraktion solle dazu führen, dass diese Fraktion die Kosten der Mediation übernimmt.

Zweifel, Ablehnung und Rechenfehler

Für die ÖVP stellte Mario Mayr die Frage nach der Überprüfung der Anzahl der Vorchdorfer Unterstützer der Petition an die LV (die allerdings die Petition weder initiiert noch durchgeführt hatte), außerdem nach den Kosten. Die Basis einer Mediation sei allerdings das Miteinander. Man könne mit allen anderen zusammenarbeiten – „Das Problem sind immer nur die Leute von der Liste Vorchdorf.“ An Sprung gewendet äußerte Mayr, Sprung habe geschrieben, er werde weiter so arbeiten; das bedeute Anzeigen an die Staatsanwaltschaft, anonyme Geschichten vorbereiten oder seinen „wöchentlichen Hetzerblog“ veröffentlichen usw. Die ÖVP werde daher dem Antrag nicht zustimmen.

Ähnlich Helga Gottenhumer (SPÖ): Ihr fehle (seitens der LV) das Wollen. Die SPÖ werde sich dagegen wehren, dass die Vorchdorfer die immensen Kosten der Mediation tragen. Die 154 Unterschriften seien bloß 0,02 Prozent der Vorchdorfer. (Diese Angabe ist falsch. Es handelt sich um knapp 2 Prozent aller Bewohner:innen bzw. 2,6 Prozent der Wahlberechtigten.) Das Geld für eine Mediation könne anderweitig besser ausgegeben werden und, unter Hinweis auf Benimmregeln: sie glaube, „das können wir besser alle miteinander“.

Eher eine Eskalation als eine Mediation befürchtete Alexander Schuster (FPÖ), der auch unter Hinweis auf Wortmeldungen zu vorigen Punkten bei dieser Sitzung keinen Sinn in dem Ganzen sah. Die Eskalation gehe rein von einer Seite aus. Dem widersprach Sprung in seiner Replik und kritisierte vor allem den Kommunikationsstil (wörtlich: „Kriegsrhetorik“) von Mario Mayr.

„Sehr für Mediation – Erfolg endenwollend“

… so leitete Eva Brandstötter-Eiersebner (Grüne) ihre Wortmeldung ein, in der sie die Glaubwürdigkeit der LV, Wertschätzung anzustreben, anhand von Ausdrücken, mit denen Vertreter anderer Parteien belegt worden seien, in Frage stellte. In ähnlichem Sinn äußerte sich Josef Leichtfried (ÖVP). Einen Ordnungsruf und den Entzug des Mikrophons handelte sich Johann Limberger ein, als er eine allgemeine Einladung zu einer bevorstehenden Gerichtsverhandlung in seinem Streitverfahren gegen Bürgermeister Mitterlehner aussprechen wollte. Der Antrag auf Ende der Debatte von Alexander Schuster wurde daraufhin angenommen. Nicht zu Wort meldeteå sich Elisabeth Steinbach (NEOS); sie stimmte aber mit Ja für den Antrag von Reinhard Ammer. Beide Anträge für eine Mediation wurden mehrheitlich abgelehnt.

Dieses Ergebnis war absehbar – trotz der im Februar demonstrierten Zustimmung aller Parteien außer der FPÖ. Vor allem die ÖVP hatte sich danach innerhalb wie außerhalb des Gemeinderates dahingehend geäußert, dass man das unveränderte Verhalten der LV als mangelnde Bereitschaft sah, sich von der Konfrontation zu verabschieden.

Kommentar: Wenn es keinen Krieg gibt, braucht es ja auch keine Friedensverhandlungen
Von Michael Praschma

Der Gemeinderat steht jetzt bei der Halbzeit der Wahlperiode. Zwar hat es durchaus viele einvernehmliche Entscheidungen gegeben, doch in der öffentlichen Wahrnehmung dominiert der Eindruck eines permanenten Hickhacks. Durch die Ablehnung der Mediation stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich das auch die nächsten drei Jahre fortsetzt. Der Verdruss zumindest in dem Teil der Bevölkerung, die das Geschehen verfolgt, ist massiv. Wenn sich das nicht bessert, wird die Bereitschaft der Vorchdorfer:innen immer mehr nachlassen, sich politisch, vielleicht sogar überhaupt öffentlich zu engagieren.

Wer eine Mediation ablehnt, ohne eine bessere Idee zu haben, nimmt das bewusst in Kauf und stiehlt sich aus der Verantwortung. Der anderen Seite zu raten, sich einfach anständig zu benehmen, bleibt an der Oberfläche des eigentlichen Konflikts. Was hier unter „Benehmen“ eingeordnet wird, ist ja teilweise Überzeugung, zum Beispiel, anders nicht durchsetzbare Forderungen durch die Gemeindeaufsicht erfüllen zu lassen.

Abgesehen von tatsächlich überflüssigen verbalen Provokationen und echten Ausfälligkeiten beider Seiten sabotiert es einfach eine Streitschlichtung, wenn man unerfüllbare Vorbedingungen stellt, die den politischen Kern der Konflikte betreffen. Denn wozu brauche ich Friedensverhandlungen, wenn die Bedingung dafür ist, dass der Gegner zuvor kapituliert?

Wer hat denn angefangen? Wer ist schuld? Wer ist schlimmer? Menschlich verständliche Fragen, ja. Aber Fragen für die Geschichtswissenschaft und Ethik, jedoch ganz sicher nicht für eine Konfliktlösung. Das weiß jeder, der sich damit beschäftigt, vom Eheberater bis zum Vermittler zwischen Israel und der Hamas.

Aus diesem Grund – obwohl es in den Fingern juckt! – folgt hier auch kein Urteil dazu – nur so viel: Wer die Veröffentlichungen beider Seiten über einen längeren Zeitraum durchkämmt oder ganze Gemeinderatssitzungen verfolgt, wird sicher nicht zum Schluss kommen können, nur eine Seite müsse etwas (oder sich) ändern.

Der INVO.report hat den Vorschlag einer Mediation, der ja tatsächlich aus der Bevölkerung kam, aufgegriffen und zu einer Petition gemacht. Diese hat immerhin die Zustimmungsquote erreicht, die auch für ein Volksbegehren reicht – den Hinweis verdanken wir übrigens dem Fraktionssprecher der ÖVP, Mario Mayr! Vielleicht war auch die Ansiedlung der Petition bei uns keine gute Idee. Der INVO.report gilt ja manchen als Liste-Vorchdorf-Organ. Egal, derweil also keine Mediation, aber was dann?

Immerhin, in allen Fraktionen, auch unter den schärfsten Kontrahenten, gibt es mindestens eine Person, die schon bisher eher Teil der Lösung als Teil des Problems ist. Konsensorientiert. Gelassen. Besonnen. Vielleicht sogar diplomatisch geschickt. Und wirklich – nicht bloß als Lippenbekenntnis – an einem Miteinander interessiert. Diese Personen wissen ja von den Gleichgesinnten bei den „anderen“. Es bräuchte nur eine davon den ersten Schritt machen. Hinter den Kulissen … Darf Vorchdorf sich das wünschen?

Ein Gedanke zu „Weiter streiten in Ewigkeit. Amen?

  1. Manuela Hartleitner

    ich kann es einfach nicht glauben…

    schon im Kindergarten lernt man, sich die Hände zu reichen…

    die Gemeindepolitik sollte doch ein Vorbild FÜR Vorchdorf sein…
    macht doch einfach Mal einen Strich drunter und fängt von vorne an…

    ein Politiker aus Vorchdorf hat vor Jahren mal gesagt: von Fehlern in der Vergangenheit reden wir jetzt nicht mehr
    aber das wird wahrscheinlich nicht für ALLE gelten

    ich denke, dass das ganze Hick Hack auch Kosten für uns Vorchdorfer sind: es kommt zu keinen Entscheidungen, Sitzungsgelder,…

    vielleicht oder sogar bestimmt wären die Vorchdorfer bereit, die Kosten der Mediation zu tragen…. Für Vorchdorf, für ein harmonisches Miteinander

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