Mitreden in Gramastetten

2. Juni 2021

In unregelmäßigen Abständen kommen im INVO.report auch Politiker*innen aus anderen Gemeinden zu Wort: Diesmal Katharina Dessl, die in ihrem Heimatort Gramastetten als ÖVP-Vizebürgermeisterin fungiert – und als Beraterin auch anderswo vielfach mit Kommunalpolitik befasst ist.

Immer kürzer wird die Zeit bis zu den Wahlen im Herbst. In vielen Gemeinden, Ortsparteigruppen und Bürger*innenlisten werden gerade mehr oder weniger hektisch Teams und Kandidat*innen-Listen zusammengestellt – oft mit der zähneknirschenden Feststellung, dass es immer schwieriger wird, Menschen für ein Engagement in der Kommunalpolitik zu gewinnen. Ein Problem, das auch Katharina Dessl wohlvertraut ist. Doch statt sich seufzend damit abzufinden, hat die Vizebürgermeisterin der 5.000-Einwohner*innen-Gemeinde Gramastetten mit ihren Parteifreund*innen in der örtlichen ÖVP einen anderen Weg gewählt: „Wir sind zu zwanzigst das Wähler*innenverzeichnis durchgegangen und haben uns die Arbeit aufgeteilt, alle in Frage kommenden Menschen anzusprechen und einzuladen.“
Auf eine Parteimitgliedschaft kommt es dabei nicht an. Viel größeren Wert hat Dessls Partei darauf gelegt, alle Generationen, alle Ortsteile und möglichst viele verschiedene Berufe und Milieus in ihrem Team abzubilden – von der Freiberuflerin bis zum Landwirt. Zu Dessls Leidwesen verweigern sich noch immer allzu viele Frauen. Das schadet der Politik, „denn je mehr Frauen an einer Sitzung teilnehmen, desto produktiver verläuft sie zumeist.“

„Die Leute haben oft die besten Ideen“

Auf eine entsprechende Repräsentation der Bevölkerung achtet Dessl nicht nur, wenn es um die Kandidat*innenliste ihrer Partei geht, sondern noch viel mehr, wenn Kommunalprojekte geplant werden. Als bekennender Fan von Bürger*innenbeteiligung setzt sich die gelernte Elementarpädagogin für die Mitsprache und entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen im Ort ein. „Projekte, die so zustande kommen, haben mehr Rückendeckung und mehr Akzeptanz. Auch wenn ihr Beitrag vielleicht keinen entscheidenden Einfluss hat, haben die Leute das gute Gefühl, gehört worden zu sein.“
Nicht zuletzt hat Dessl schon oft die Erfahrung gemacht, dass sich die Einbeziehung von Anrainer*innen, Betroffenen und Engagierten häufig aus einem ganz anderen pragmatischen Grund bezahlt macht: „Oft haben die Leute, für die ein Projekt aufgesetzt wird, viel bessere Ideen und praktischere Lösungsansätze.“

Das leidige Thema: Kommunikation

Trotzdem ist auch in Gramastetten nicht alles eitel Wonne: Dankbarkeit für kommunalpolitisches Engagement ist keine gängige Währung, „und im Wahlkampf wird der Ton oft so rau, dass es mir die Freude an der Politik verleidet“, wie Dessl sagt. Statt Anerkennung setzt es aus der Bevölkerung häufig Schelte für vermeintliche Kommunikationsfehler – ein Ärgernis, das Dessl auch aus zahlreichen anderen Ortsparteigruppen kennt.
Denn die „rein zufällig“ in die Politik gekommene Mühlviertlerin erfreut sich als Beraterin dank ihrer Praxiserfahrung und einer schier endlosen Liste an Ausbildungen – von NLP über Systemcoaching und Projekt- und Prozessbegleitung bis zur Lebens- und Sozialberatung – landesweit großer Beliebtheit in ihrer Partei. Dementsprechend oft arbeitet sie mit anderen Ortsparteigruppen und weiß, dass sich die Bürger*innen bei Leibe nicht nur in Gramastetten darüber beschweren, nicht ausreichend informiert zu werden. Trotz Postwürfen, sozialen Medien, Gemeindezeitung und Internet – ein Dilemma, für das auch Dessl keine Lösung zur Hand hat. Ausnahmsweise, denn sonst ist die selbstständige Beraterin kaum einmal um eine Antwort verlegen. Schon gar nicht auf die Frage, wie lange man sich eigentlich in der Politik engagieren soll. Dazu sagt Dessl: „Nur temporär, sonst wird man eines Tages zu sehr Teil von diesem Mechanismus.“

Katharina Dessl dient, wie sie sagt, „der Kultur des gemeinsamen Wirkens und der Partizipation.“ In ihrer Heimatgemeinde hat sie als Kindergartenpädagogin und Kindergartenleiterin gearbeitet und sich nach zahlreichen Ausbildungen 2015 als Beraterin selbstständig gemacht. Seit 2006 ist sie in verschiedenen Funktionen kommunalpolitisch engagiert. Auf ihr Konto geht u.a. die Professionalisierung und Erweiterung der kommunalen Bibliothek. Vor kurzem hat sie das Institut für Organisations- und Persönlichkeitsentwicklung in Linz mitgegründet.

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