Ich habe deiner Ankunft regelrecht entgegengefiebert. Aber jetzt, wo du endlich da bist, muss ich sagen: Ich hab‘ mir dich ganz anders vorgestellt. Ich würde nicht sagen, dass du eine Fehlgeburt bist. Eher ein Frühchen mit angeborenem Gendefekt, den dir deine Eltern – die föderalistische österreichische Vekehrspolitik – leider mitgegeben haben. Um 365 Euro mit allen Verkehrsmitteln in ganz Oberösterreich fahren zu können, ohne sich weiter um Tickets scheren zu müssen (und dasselbe um den dreifachen Preis in ganz Österreich tun zu können): Das hat verlockend und überzeugend geklungen.
Aber jetzt ist in deiner oberösterreichischen Variante der Stadtverkehr von Linz, Wels und Steyr nicht inkludiert. Die muss ich mir extra dazu kaufen, womit du dich erheblich auf über 600 Euro verteuerst). Oder ich gebe 695 Euro für dich aus, damit ich wirklich in ganz OÖ unterwegs sein kann. Wenn du jetzt sagst, dass du damit immer noch um ein Hauseck billiger als ein Auto bist, hast du natürlich recht. Es geht mir auch weniger ums Geld als vielmehr darum, dass deine Eltern offenbar nicht ganz verstanden haben, wozu wir dich brauchen: Du solltest nicht nur eine Pendler-Alternative zum Auto sein, sondern ein Stück Freiheit, das es ohne Ausnahmeklausel und Sonderparagrafen zu einem plakativ-attraktiven Tarif gibt. So wie das die Schweiz mit dem Generalabonnement seit Jahrzehnten hinbekommt: Ein Ticket für den gesamten (!) öffentlichen Verkehr im ganzen Land, dem wir so gerne Kantönli-Geist nachsagen. Ich kann nur hoffen, dass du dich noch auswächst und dir deine Eltern eine ordentlichen Reha zuteil werden lassen.
PS: Du kannst nichts dafür, aber die ÖBB hat uns Vorchdorfer*innen ein neues Steinchen in den öffentlichen Verkehrsweg gelegt. Seit Neuestem dürfen die netten Schaffner*innen von Stern & Hafferl für Fahrten bis Wels, Linz oder sonstwohin weiter als Lambach keine Rückfahrkarten mehr verkaufen, „weil die ÖBB das nicht mehr wollen“.