11. November 2021
Zwei Besonderheiten gab es vor Beginn und zum Schluss der ersten regulären Sitzung des neu gewählten Gemeinderats am Dienstag – kleine Zeichen einer neuen Form der Arbeit vielleicht. Die Beschluss-Routine in neun Tagesordnungspunkten funktionierte ohne nennenswerte Reibungsverluste.
Gemeinderat ist keine Fernsehshow. Für ein eventuelles Video-Publikum seien die Sitzungen „fad“, meinte gar SPÖ-Mandatar Martin Fischer. Das kann als Kompliment durchgehen, denn die Sitzungen des Ortsparlaments in der vorigen Periode hatten mehrfach Sensationswert – im negativen Sinn. Die Regeln für die Abläufe im Gemeinderat, fixiert in den Paragraphen 43 und folgenden der Gemeindeordnung, sind ja ein Korsett, das wenig Spielraum für anregende Unterhaltung bietet.
Insofern ist die Rückkehr zu einer gepflegt-routinierten Langeweile nicht das schlechteste Zeichen. Fast alle Punkte wurden einstimmig und ohne Diskussionen beschlossen. Die beiden Ausnahmen – eine Flächenwidmung und ein Servicevertrag für die Lüftungsanlage der Kitzmantelfabrik – erlebten gesittet durchgeführte Mehrheitsentscheide. Möglicherweise hatte die freundliche Geste der NEOS, allen Mandataren vor der Sitzung eine Süßigkeit zur Stärkung auf den Platz zu legen (… mag man eben), zur Besänftigung der Gemüter beigetragen.
Transparenz-Initiative soll das Ortsparlament attraktiver machen
Mehr Transparenz in der Gemeindepolitik, darauf wurde extra hingewiesen, hatte als Schlagwort parteiübergreifend Konjunktur im Wahlkampf. So gab es auch keinen Widerstand gegen den Vorschlag der Liste Vorchdorf, besonders die Sitzungen des Gemeinderats transparenter zu gestalten.
Das Interesse in der Bevölkerung soll etwa durch Videostreams und/oder -aufzeichnungen der Sitzungen gefördert werden. Präsentationen auf Leinwand sollen es dem Publikum zudem erleichtern, den Inhalten der Verhandlung überhaupt zu folgen. Und das Instrument der Bürgerfragestunde soll öfter genutzt werden. Nach Vorgesprächen mit allen Fraktionen wurden diese Vorschläge jedoch noch nicht als Dringlichkeitsantrag zur sofortigen Entscheidung eingebracht. Sie sollen zunächst in Ruhe im Gemeindevorstand beraten werden, sagte Liste-Vorchdorf-Obmann Albert Sprung.
Spannende Sitzungen? – Knifflige Details
Inspirierende politische Debatten sind deshalb die Ausnahme, weil sie, wenn überhaupt, eher in den vorbereitenden Ausschusssitzungen stattfinden. Vor diesem Hintergrund meinte Martin Fischer (SPÖ), sinnvoller seien mehr Informationen von dort.
Inwieweit Bürgerfragestunden vor oder nach den Sitzungen regelmäßig stattfinden sollen war umstritten. Grünen-Sprecher Reinhard Ammer führte in diesem Zusammenhang sogar ins Feld, dass der Gemeinderat Ausdruck einer repräsentativen Demokratie sei, in dem eben gewählte Vertreter*innen entscheiden. Insgesamt herrschte jedoch Einigkeit darüber, dass Maßnahmen für mehr Transparenz erstrebenswert seien.
Dazu gehören unbestreitbar auch technische Verbesserungen. Die Corona-bedingte Sitzordnung im großen Fabriksaal der Kitzmantelfabrik führt bereits dazu, dass das Publikum die Gemeinderäten nur von hinten sieht. Der Vorsitz-Tisch ist verdeckt und ewig weit entfernt. Hinzu kommt noch, dass die allermeisten Redner*innen einschließlich des Vorsitzenden rein akustisch im Publikumsbereich so gut wie unverständlich sind. Das ist ärgerlich. Es bedürfte sicherlich keines komplizierten Beschlusses, durch mehr Lautsprecher oder andere Maßnahmen zu ermöglichen, dass Interessierte lückenlos mitbekommen, worum es geht.
(Reportage: Michael Praschma)
Es ist zu befürchten, dass dieser angebliche Konsens in Richtung mehr Transparenz wieder nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Ich habe in meiner Funktion als Gemeinderat und Gemeindevorstand beispielsweise mehrfach die LIVE-Übertragung von öffentlichen Sitzungen angeregt und eingefordert. Was da an Gegenwind ankam, würde den Rahmen eines Kommentars hier sprengen. Aber eines der abstrusen diesbezüglichen Argumente des ehemaligen Ortschefs, wonach die Bürger dann auf noch breiterer Ebene mitbekommen würden, wie begrenzt die (rhetorische) Kompetenz mancher Gemeinderäte sei, gibt einem aber doch zu denken. Entweder bin ich Gemeinderat und stelle mich dieser Verantwortung oder ich lasse die Mitarbeit im Ortsparlament sein. Außerdem gelingt es der Marktgemeinde Vorchdorf ja bis heute nicht einmal, Sitzungsprotokolle – wie es die Gemeindeordnung vorsieht – innerhalb von vier Wochen anzufertigen und zu veröffentlichen. Oder auch die rechtzeitige und vollständige Bereitstellung von Unterlagen im Vorfeld von Sitzungen musste ich mir mit meiner Fraktion mehrfach und teilweise über die Gemeindeaufsicht „erstreiten“. Transparenz in Vorchdorf eben.