16. Dezember 2021
Kommentar von Michael Praschma
Die Landes-FPÖ unter Manfred Haimbuchner fährt im Vergleich zur Bundespartei einen etwas gemäßigteren Kurs bei ihrer Corona-Politik. Ein Fixpunkt ist aber auch hier die strikte Ablehnung einer Impfpflicht. Bei der Argumentation leistet sich Haimbuchner allerdings ein klares Foul.
„Der Freie Bauer“ ist von den parteinahen Landwirtschaftszeitungen – jeder der rund 150 Vorchdorfer bäuerlichen Betriebe erhält diese automatisch – mit Abstand am professionellsten aufgemacht: Knackige Titel und Texte, informative Einleitungen, klares Layout – Ende des kollegialen Kompliments; der Inhalt ist auf Parteilinie. Das ist legitim und überrascht nicht.
Ebenso wenig überrascht hier das Thema „Corona-Maßnahmen“. Schließlich ist die Kritik daran derzeit harter Kern der FPÖ-Politik. Und so verurteilt Haimbuchner in der jüngsten Ausgabe des „Freien Bauern“ die geplante Impfpflicht scharf. Dass er dabei nicht wie Herbert Kickl tiermedizinische Entwurmungsmittel zur Behandlung empfiehlt, liegt nicht allein daran, dass beruflich bedingt wohl selbst die meisten freiheitlichen Bauern dabei aussteigen dürften. Nein, Haimbuchner tickt hier anders.
Der geschickte Ansatz des gemäßigten Maßnahmengegners
Der Chef der Landes-FPÖ ist zwar durch seine eigene Corona-Erkrankung inkl. Intensivstation nicht vom Saulus zum Paulus geworden. Er findet sogar, „dass es sinnvoll ist, sich nach umfassender Beratung auch impfen zu lassen“, zitiert der Kurier Haimbuchner. Allerdings: Umso radikaler kämpft er gegen Druck auf Impfunwillige und vor allem die Impfpflicht. Mit einem Eilverfahren beim Verfasssungsgerichtshof will die Landespartei die Impfpflicht noch vor Inkrafttreten des Gesetzes stoppen – wie dies klappen soll (Eilverfahren gibt es dort nicht), ist dabei völlig offen.
Haimbuchner hat sich ja nicht nur in Sachen Corona dem FPÖ-Motto „Freiheit, die wir meinen“ verschrieben. Die Steigerung des Impfdrucks sei moralisch falsch und erzeuge Gegendruck, titelt er im „Freien Bauer“. Die Bundesregierung lasse die Bürger mit Zwängen für ihr eigenes Versagen büßen. Mit dieser Positionierung trifft er eine Stimmungslage, die ja in der Tat sogar bis in die Anhängerschaft der Regierungsparteien reicht, auch bei Impfbefürwortern.
Diesen Hebel nutzt er dann allerdings mit einem äußerst unredlichen Argument: Der ganze Artikel geißelt zwei Jahre Coronapolitik mit durchaus nachvollziehbaren Einschätzungen (wobei gleichwohl der aktive Beitrag der FPÖ selbst zum Scheitern dieser Politik unterm Teppich bleibt) – um dann daraus den vermeintlich logischen Schluss zu ziehen, die FPÖ werde sich daher keinesfalls „einer Mittäterschaft bei der Verhängung einer Impfpflicht schuldig machen“.
Was ist faul an dem Argument?
Die Freiheitlichen waren immer gut darin, mehr oder weniger diffuse Stimmungen aufzuschnappen, griffig auf den Punkt zu bringen und sich damit als volksnah zu präsentieren. Im vorliegenden Fall ist es sogar mehr als eine diffuse Stimmung. Die Maßnahmen-Kritik ist ja längst auch in praktisch allen „Mainstream“-Medien angekommen.
Bloß eines ist völlig unsinnig: Die Frage, ob eine Impfpflicht jetzt tatsächlich nötig ist, hat mit hundert anderen Dingen zu tun, aber sicher nicht damit, ob diese Notwendigkeit fahrlässig oder gar mutwillig entstanden ist, weil die Regierung den Karren gegen die Wand gefahren hat. Das ist ungefähr so geistreich, wie wenn der Unfallchirurg die lebensrettende Behandlung eines Autolenkers davon abhängig machte, ob dieser am Unfall schuldig war.
Nein, bei der Entscheidung über eine gesetzliche Impfpflicht geht es einzig und allein um die Abwägung einer endlich wirksamen Pandemiebekämpfung einerseits und der fachbasierten Einschätzung der Angemessenheit der Impfpflicht andererseits, wobei die Frage der individuellen (!) Freiheit eine von vielen Aspekten ist. Der Rückschluss auf Fehlentscheidungen in der Vergangenheit, wie berechtigt auch immer, gehört nicht dazu. Insofern sind Haimbuchners „deutliche Worte zur Impfpflicht“ Populismus, sonst nichts.
Der Autor (66) schreibt diesen Kommentar aus dem voraussichtlich letzten Tag seiner Quarantäne heraus. Seine Covid-19-Infektion durch auslaufenden Impfschutz sechs Monate nach der zweiten Impfung hat einen bemerkenswert milden Verlauf genommen. Die Symptome endeten gut eine Woche nach dem ersten Auftreten.