16. Dezember 2021
Bürger*innen fragen – der Gemeinderat antwortet. Das Instrument der Bürgerfragestunde soll so etwas wie öffentliche Bürgernähe der Gemeindepolitik fördern. Ob und wie das gelingen kann, zeigte die letzte Gemeinderatssitzung mit nur mäßigem Erfolg.
Im Saal der Kitzmantelfabrik, der für hunderte Menschen gedacht ist, in ein Mikrophon zu sprechen, das allein kann schon selbst bei Menschen mit einigem Selbstvertrauen Lampenfieber erzeugen. Die an sich gut gemeinte Bürgerfragestunde birgt in Vorchdorf aber auch unnötige Barrieren für ein optimales Gelingen.
Die simpelste Küchenpsychologie weiß, an welchen Plätzen in einem Raum mit anderen Menschen man sich unbehaglich fühlt. Der Platz für Fragensteller*innen bei der Bürgerfragestunde am letzten Dienstag erfüllte jedenfalls die Voraussetzungen für maximalen Stress: Zuerst durch das Spalier der Gemeinderatstische, dann mittig vor die Bühne stellen, keine Wand, dafür den Tisch mit Bürgermeister, Vize, Amtsleiter usw. im Rücken und frontal vor sich Gemeinderäte und Publikum (siehe Foto). Eine seitliche Position des Rednerpults, etwa wie bei der vorangegangenen Sitzung im neuen Fabriksaal, wäre sofort eine ganz andere Sache gewesen.
Die Geschäftsordnung – zwischen Kunstform und Korsett
Dass die Bürgerfragstunde in Vorchdorf seit Einführung im Jahr 2009 nie wirklich strahlend erblühte, hat Gründe. Sie ist ein ohnehin recht förmliches Verfahren. Damit das mit Leben erfüllt wird, bedarf es, ja, liebevoller Pflege. Dazu müssen zunächst Hemmschwellen wie die genannte Position des Sprechpults im Raum beseitigt werden. Aber auch die Geschäftsordnung der Bürgerfragestunde macht die Sache an einigen Stellen unnötig schwierig.
So mag z. B. die persönliche Anwesenheit des Fragenden noch eine sinnvolle Bedingung sein. Warum ist es aber nicht möglich, sich durch eine – vielleicht sprachgewandtere – Person vertreten zu lassen, auch für den Fall, selbst verhindert zu sein? Die angesprochenen Gemeinderäte hingegen haben die Möglichkeit, Fragen an ein anderes Mitglied ihrer Fraktion weiterzuleiten. Zusätzlich können sich zuständige Ausschuss-Obleute in die Beantwortung einschalten. Ein klares Ungleichgewicht. Die Möglichkeit, sich – eventuell spontan! – maximal eine Zusatzfrage einfallen zu lassen, macht dies nicht wett.
Was es braucht
Die generelle Kritik an der „Nutzerfreundlichkeit“ von Gemeinderatssitzungen haben wir bereits anlässlich der Novembersitzung formuliert. Es ist klar, dass die Regeln für die höchstens 60 Minuten Bürgerfragestunde nicht so geschmeidig sein können wie bei einem Round-Table-Gespräch oder einer Podiumsdiskussion. Umso wichtiger ist es, den gegebenen Rahmen wenigstens so freundlich und motivierend wie möglich zu gestalten.
Dazu gehört auch, dass – wie diesmal geschehen – Fragende sich nicht plötzlich in Scharmützeln zwischen Vorsitz und einzelnen Mandataren wiederfinden, wie denn nun die Geschäftsordnung zu handhaben sei. Frustrierend ist auch zu erleben, dass offenbar parteipolitisch motiverte Fragen-„Bündel“ etwa von Ex-Mandataren (die in Wirklichkeit mehr als die zugelassenen zwei Fragen enthalten) zu ausufernden Monologen der angesprochenen Gemeinderäte führen – während die kostbare Zeit verrinnt. Oder dass die offenbar unausrottbare Fehde zwischen ÖVP und Liste Vorchdorf über die Frage einer der ÖVP nahestehenden Vorchdorferin die Fragestunde okkupiert – über den Sachverhalt berichtet heute die Kronenzeitung. Augenfälligere Bekanntmachungen zur Bürgerfragestunde könnte man sich schließlich auch noch vorstellen.
Insgesamt wird nicht wirklich spürbar, dass hier Gemeindebürger*innen als der eigentlich „Souverän“ dieses Gremiums im Mittelpunkt stehen und mit größter Zuvorkommenheit behandelt werden. Vielmehr verwandelt sich das Ganze zumindest phasenweise in eine Tribüne politischer Selbstdarstellung.
Dieser Eindruck verdeckt, dass es ja durchaus auch hörenswerte Antworten auf interessante Fragen gibt. Beispiel Projekt Freibadhotel (liegt auf Eis) oder: Was passiert bei der Kulturhauptstadt im Ort? (Zwei Projekte eingereicht.) Wenn Antworten dann in anderen Fällen auch noch etwas weitergehen würden als der engste eigene Zuständigkeitsbereich reicht, wäre das noch erfreulicher. Beispiel Boardinghouse: Was ist der Stand, wer vergibt dort die Wohnungen? – Ja, schon klar, das ist jetzt Sache des privaten Investors, wie Bürgermeister Hans Mitterlehner sagt. Aber spannend wäre es ja doch – und kaum vorstellbar, dass die Gemeinde tatsächlich nicht mehr dazu weiß oder rasch in Erfahrung bringen könnte.
Für eine wirkliche Erfolgsgeschichte bräuchte es ein etwas stärkeres Bemühen, in der gesamten Durchführung der Bürgerfragestunde spürbar (!) zu signalisieren, dass man als Gemeindevertretung die Anliegen der Bevölkerung versteht, die Fragen als Zeichen des Interesses dankbar, vielleicht sogar erfreut aufnimmt und mit echter Service-Einstellung darauf eingeht. Nicht als käme das gar nicht vor. Aber es reicht einfach noch nicht.