2. Februar 2022
Neuer Zündstoff in der Gemeindepolitik: Gemeindevorstand Albert Sprung (Liste Vorchdorf) wirft Bürgermeister Johann Mitterlehner und Amtsleiter Matthäus Radner vor, sie hätten die Einsichtnahme bzw. Zusendung von Unterlagen für eine Gemeindevorstandssitzung „gänzlich verweigert“. Mitterlehner stellt die Sache komplett entgegengesetzt dar.
Worum geht es? Klar ist: Um verantwortungsvoll zu entscheiden, müssen Gemeinderäte die Hintergründe für anstehende Beschlüsse kennen und sich vor einer Entscheidung damit auseinandersetzen können. Das gilt für den Gemeinderat selbst und ebenso für den Gemeindevorstand und die Ausschüsse.
Damit das funktioniert, schreibt die Oö. Gemeindeordnung in § 18a Abs. 5 den Fraktionsobleuten eine zentrale Rolle zu: Sie haben das Recht zu beantragen, dass die Gemeinde ihnen spätestens fünf Tage vor der entsprechenden Sitzung Kopien einzelner Aktenbestandteile als Grundlage für ihre jeweiligen Entscheidungen zur Verfügung stellt.
Aussage gegen Aussage oder Interpretationsspielraum?
Konkreter Anlass der Beschwerde von LV-Fraktionsobmann Sprung an die Aufsichtsbehörde beim Land ist ein E-Mailverkehr zur Gemeindevorstands-Sitzung am 18 Januar: Sprung ersuchte zwei Tage vor der Sitzung das Büro des Bürgermeisters um „Zusendung der Amtsvorträge für die nächste GV-Sitzung“. Die Antwort dazu von Bürgermeister Hans Mitterlehner am folgenden Tag lautet, „dass eine Übergabe von Amtsvorträgen bei den GV-Sitzungen nicht vorgesehen“ sei.
Erstaunlich an dieser Kommunikation ist, dass beide Seiten sich sehr unklar ausdrücken bzw. aneinander vorbeireden. Den Begriff „Amtsvortrag“ kennt weder die Gemeindeordnung noch die Geschäftsordnung des Gemeinderats. Im Sprachgebrauch ist das die mündliche Erläuterung eines zu fassenden Beschlusses, meist durch den zuständigen Vorsitzenden des Ausschusses. Dass Mitterlehner und Sprung hier dasselbe meinen, kann man aber zumindest annehmen.
Sprung wünscht eine Zusendung der Unterlagen, worauf laut Wortlaut der Gemeindeordnung kein Anspruch besteht – sie müssen ihm „übergeben“ werden. Mitterlehner schreibt, dies sei bei den GV-Sitzungen „nicht vorgesehen“. Das war allerdings nicht Sprungs Anliegen, und ob die Übergabe bei oder vor den Sitzungen erfolgt, macht keinen Unterschied: Vorgeschrieben ist die Übergabe spätestens fünf Tage vorher. Der Bürgermeister verweigert also etwas, was er nicht verweigern kann, wobei Sprung aber etwas anderes gefordert hatte.
Noch verwirrender: Was meinten sie jetzt und was stimmt?
Die Vorwürfe Sprungs stehen, wie sein Pressetext verrät, in einem größeren politischen Zusammenhang: Hier geht es um die angebliche Fortführung „der im ‚System Schimpl‘ gängigen Praxis der Desinformation und Intransparenz“. Zwischen dem Erhalt der Tagesordnung für den Gemeindevorstand und der Sitzung gebe es laut Sprung keine Detailinformation mehr, also „keine Möglichkeit, sich für die Sitzung vorzubereiten und sich einzulesen.“
Das stimme nicht, sagt Mitterlehner. Selbstverständlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, auf dem Gemeindeamt die betreffenden einzelnen Aktenbestandteile einzusehen und kopieren zu lassen. Das ist tatsächlich auch die in der Gemeindeordnung festgelegte Vorgangsweise.
Die entscheidende Frage ist: Wurde genau dies verweigert, oder hat die Liste Vorchdorf immer nur – wie im Januar – vergeblich eine Zusendung verlangt? Die nämlich lehnt Mitterlehner auch aus Datenschutzgründen ab, wie er dem INVO.report auf Anfrage mitteilte. Sollten die Kontrahenten es nicht schaffen, sich zumindest für die Zukunft gütlich zu einigen, wird die Aufsichtsbehörde sprechen. Dazu hat sie ein halbes Jahr Frist – Monate, in denen der Zwist weiter gären dürfte.
Tatsache ist, dass die Informationspolitik zu Zeiten, als zwischen den Fraktionen noch ein deutlich größeres Vertrauen herrschte, anders aussah: Sämtliche Fraktionsobleute erhielten unaufgefordert den gesamten Amtsvortrag für die Vorstandssitzungen, sobald dieser vorlag. Die Vorbereitung auf Entscheidungen war damals jedenfalls unkomplizierter.