10.4.2022
„Im Oktober 2021 wird es auch wieder einen Tag der offenen Moschee für die ganze Bevölkerung, diesmal am neuen Standort, geben“ – so stand es im bisher letzten Bericht über das Islamische Kulturzentrum im INVO.report. Haben wir da was verpasst?
Das Islamische Kulturzentrum Vorchdorf nähert sich nach neuerlichen Bauverzögerungen seiner Fertigstellung und ist grundsätzlich schon eröffnet. Was wie ein imposanter Großbau wirkt bietet in Wirklichkeit keine größere Nutzfläche als es in Messenbach der Fall war – bei deutlich geringerer Grundfläche. Der Tag der offenen Moschee ist nun für Sommer/Herbst 2022 geplant.
Herzstück des Baus ist der Gebetsraum, der auf zwei Ebenen ca. 150 m2 umfasst. Zu ebener Erde beten Männer, leicht erhöht die Frauen. Wichtig ist dabei die Qibla, die vom Koran vorgeschriebene Gebetsrichtung zur Kaaba in Mekka, dem höchsten Heiligtum des Islam.
Eine Moschee ist aber nicht nur ein Ort des gemeinschaftlichen Gebets (übrigens dürfen alle Menschen hier beten!), sondern soll zur Wissens- und Wertevermittlung und als sozialer Treffpunkt dienen. So führt ein verlockender Geruch zur geräumigen Küche, in der das Essen für die gemeinsame Mahlzeit nach Sonnenuntergang zubereitet wird – es ist Ramadan, der islamische Fastenmonat.
Neben der Küche wird der Lift eingebaut werden, der schon einmal als Minarett fehlinterpretiert worden ist. Ein solches ist für die Einordnung als Moschee aber nicht Voraussetzung. Es zählt lediglich, dass eine Moschee als solche gebaut wurde, dass sie mindestens von der Morgendämmerung bis kurz nach Sonnenuntergang geöffnet hat und dass es einen Prediger gibt.
Nach langer Vakanz konnte der Islamische Kulturverein einen Prediger finden, der für zwei Jahre im Islamischen Kulturzentrum auch wohnen wird. Die Suche gestaltete sich vor allem deshalb sehr aufwändig, weil es in Österreich keine Möglichkeit zur Ausbildung gibt und vielleicht auch, weil wie in der römisch-katholischen Kirche Frauen von diesem Amt ausgeschlossen sind.
Es gibt einige Räume, an denen hauptsächlich am Wochenende Unterricht und Nachhilfe möglich sind. So wurde z. B. in Zusammenarbeit mit der ehemaligen Hauptschuldirektorin zielgerichtete Unterstützung angeboten. Zwei Jugendräume bieten Platz zu gemeinschaftlichen Aktivitäten und Gesprächen, und ein eigens eingerichteter Jugendvorstand organisiert zahlreiche Unternehmungen wiewöchentliche Sportveranstaltungen, Kulturausflüge und das Projekt „Gestatten Muslim“. Zwei Räume für Frauen und Männer und ein Veranstaltungsraum runden das soziale Angebot ab. In einem kleinen Anbau wäre der Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts möglich, was aber derzeit noch nicht aktuell ist.
Alles in allem ein gelungenes Vereinshaus des Islamischen Kulturvereins Vorchdorf (IKV), das bei unverändertem Einzugsgebiet für Menschen aus Vorchdorf und der näheren Umgebung wie z. B. Pettenbach und Scharnstein Gelegenheit zum Gebet und zum sozialen Miteinander bietet.
Es wird mehrfach und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Tür jederzeit für alle Menschen offensteht!
Objektive Lokalzeitung
„Haben wir da was verpasst?“ Diese Frage stellt der Autor dieses Artikels im einleitenden Absatz. Und die Antwort darauf ist: JA! Als laut Eigendefinition objektive Lokalzeitung sollte es den verantwortlichen Redakteurinnen und Redakteuren ein Anliegen sein, gerade bei einem für Vorchdorf so heiklen und kontroversiell diskutierten Thema nicht nur schmuseweich und leider auch relativierend über das ach so schöne und weltoffene neue „Islamische Kulturzentrum“ zu berichten.
Es wäre auch – wenn man seinen journalistischen Auftrag ernst nimmt – die Aufgabe von INVO.report, jene Punkte anzusprechen, die diesen verlockend liberalen Raum des religiösen Miteinanders gleich in einem anderen Licht erscheinen ließen.
Ich vermisse beispielsweise folgende Fragen:
– Warum betreibt die ALIF regelmäßig Kindesweglegung und bekennt sich nicht endlich zu ihrer Zugehörigkeit und Herkunft, nämlich der Milli Görüs Bewegung, als deren Moschee sie seit Jahren und auch heute noch auf der Webseite der IGMG offiziell geführt wird?
– Wie steht es um das seit Jahren zelebrierte Naheverhältnis zum Gründer der Milli Görüs Bewegung, dem Islamisten und Antisemiten Necmetin Erbakan, dem auch hier in Vorchdorf in regelmäßigen Abständen gehuldigt wurde?
– Warum distanziert man sich bis heute nicht klar und deutlich von der antiwestlichen und antizionistischen Saadet-Partei, deren Mitglied ein langjähriger führender Funktionär der ALIF Vorchdorf war und der deswegen aus der ÖVP ausgeschlossen wurde?
– Hat sich etwas an der Sichtweise geändert, vor dem Hintergrund welcher man seitens ALIF Vorchdorf bei einem Tag der offenen Moschee 2016 noch Kinderbräute und Zwangsehen relativiert und als islamische Tradition geradezu noch verteidigt hat? (Anmerkung: Die Vertreter von ALIF Vorchdorf wurden an diesem Tag von mir persönlich mit einer brandaktuellen, diesbezüglichen Forderung des Imams von Aarhus konfrontiert.)
Diese Liste könnte ich noch beliebig fortsetzen, allerdings hätte die Auswahl obengenannter Fragen durchaus gereicht, um auszuloten, ob das „neue Islamische Kulturzentrum“ in Vorchdorf einem Abgleich mit unseren gelebten westlichen, demokratischen, liberalen und abendländischen Werten wirklich standhält. Also, liebe objektive Lokalzeitung: Ich gehe davon aus, dass dieser Beitrag seine Fortsetzung findet. Für die Erstellung eines umfangreichen Fragenkataloges stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.
Edtmeier Ende!
Lieber Herr Edtmeier,
entschuldigen sie bitte die verzögerte Freischaltung ihres Kommentars, aber ich musste erst prüfen (und bin mir immer noch unsicher), ob der Kommentar unseren Richtlinien (Punkt 3. und 4.) entspricht.
Ich habe in dem Artikel Fragen zum Vorchdorfer Islamischen Kulturverein und zum Vorchdorfer Islamischen Kulturzentrum beantwortet, die mich persönlich und wie ich meine, den Großteil der Vordorferinnen* interessieren.
Nichtsdestotrotz habe ich bei seriösen Expertinnen Rückfrage wegen ihrer über Vorchdorf hinausgehende Betrachtungsweise gehalten und folgendes in Erfahrung gebracht:
Dass ALIF der MG-Strömung nahe steht ist kein Geheimnis. Wo ALIF diesbezüglich „Kindesweglegung“ (die Verwendung dieses Wortes in diesem Zusammenhang hat mich sehr befremdet!) betreiben soll ist unklar, man verwendet ja sogar das gleiche Logo wie MG.
Darüber, wie groß der Einfluss der ursprünglichen türkischen MG-Bewegung auf die heutigen MG-nahen Gruppierungen ist, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Unter seriösen Expert*innen ist aber eigentlich unumstritten, dass er geschwunden ist.
Die sonst aufgeworfenen Fragen konnten auch nach langer Recherche nicht beantwortet werden. Vielleicht sollten sie selbst die Moscheegängerinnen nach der Saadet Partisi fragen? Warum ein Vorchdorfer Lokalmedium sich mit einer Partei beschäftigen soll, die in der Türkei irgendwo bei 1 % rumtümpelt, erklärt sich nicht. Darüber hinaus sind niemandem „westliche“ oder „liberale“ Werte, ja nicht einmal „demokratische“ zwingend vorgeschrieben. Dass man sich dafür aber am besten in einem kritischen Dialog einsetzt, halte ich für den besten Weg.
Anzumerken wäre noch: Moscheegängerinnen wollen die Moschee besuchen und nicht irgendwelchen Verfehlungen huldigen. Ebensowenig wie alle Kirchgängerinnen zwangsläufig Fehler der katholischen Kirche gutheißen.
Andrea Hahn
*Männer sind immer mitgemeint