19. Oktober 2022
Eine Emil-Geschichte
Emil ist Zweitklässler in der Volksschule Vorchdorf. Seine Erlebnisse beleuchten Themen im Ort aus der Sicht eines Achtjährigen. Vor gut vier Wochen ging es um den Schulstart, heute weckt der ungewohnte Anblick eines Kurbelradios sein Interesse.
Freitag ist Oma-Tag. Freitags holt die Hörbach-Oma Emil immer von der Schule ab. Heute ist Freitag, und Oma nimmt Emil in ihren weitgeöffneten Armen vor der Schule in Empfang, nimmt ihn an der Hand und marschiert stolz mit ihrem Enkel ab zum Auto am Schotterparkplatz. Wie Emil sie genießt, diese Oma-Tage! Eigentlich sind es ja Oma-Übernachtungen, denn Emil wird erst nächsten Tag von Papa und Mama abgeholt. Seine kleine Schwester Tonia, eigentlich Antonia (aber seit Emil das ABC lernt, versucht er sich immer wieder an irrwitzigen Namen für sie; statt Antonia nannte er sie Bentonia, Centonia, Dentonia, Entonia… das nervte aber bald die ganze Familie, und seither nennt er Antonia nur noch Tonia)Antonia jedenfalls hat dieses Privileg noch nicht. Sie ist erst drei Jahre alt und bleibt bei Mama und Papa zu Hause.
Ab nach Hörbach also! Als Emil noch ganz klein war, fragte er Oma und Opa immer wieder, warum Hörbach Hörbach heißt. „Wenn es ganz leise ist“, sagte Opa, „dann hörst du den kleinen Bach, aber es muss ganz leise sein.“ Das kleine Bächlein in der Nähe von Oma und Opa ist kaum zu hören. Zu sehen ja, aber zu hören? Opa Anton ist leider vor drei Jahren gestorben, die Geschichte vom Bach aber bleibt in Emils Herzen.
In der gemütlichen Küche bei der Hörbach-Oma riecht es soo gut! Der Duft von Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster steigt Emil in die Nase, und dabei lacht sein Bauch voller Vorfreude. Der Tisch ist gedeckt, und nach dem Händewaschen sitzt Emil auch schon auf seinem Essensplatz, gleich neben Oma.
Der Zwetschkenröster ist Emil noch ins Gesicht geschrieben, als er auf der Kommode gegenüber neben dem Hörbach-Opa-Foto eine eigenartige Lampe entdeckt. Ist es eine Lampe oder doch ein Mixer? „Mama hat so ein Ding für ihre Smoothies“, denkt Emil interessiert. „Oma“, schreit Emil, „was ist das“? Neugierig wartet er auf Omas Antwort, „Wasch dir dein Gesicht und deine Hände, dann erzähle ich dir von diesem sehr nützlichen und vielleicht sogar lebenswichtigen Ding“. Gesagt, getan.
„Vor ein paar Wochen“, so erzählt Oma, „war ich auf einem Vortrag in der Kitzmantelfabrik, da ging’s um den Blackout, da habe ich diese besondere Lampe bestellt, die vor vier Tagen nun angekommen ist“. „Black“, schießt es Emil durch den Kopf,“ das weiß ich, das heißt Schwarz, aber was heißt Blackout? „Blackout“, erklärt Oma, „ist, wenn alles finster wird, weil der Strom ausfällt und daher kein Licht zu Verfügung steht. Das Licht braucht Strom, und bei einem Blackout gibt es keinen Strom mehr. Diese Lampe ist eigentlich ein Notfallradio mit Lampe. An dieser Kurbel musst du drehen und dann hast du für etwa 15 Minuten Licht und kannst die wichtigen Informationen im Radio hören.“
Emil ist fasziniert und gleichzeitig irritiert. „Wieso sollte es keinen Strom geben? Fernsehen braucht Strom, am Tablet spielen braucht Strom, und was eigentlich noch alles?“, rast es durch seinen Kopf!“ Natürlich probiert Emil diese Wunderlampe gleich aus, er kurbelt, bis seine Handgelenke Stopp schreien. Und siehe da, es wird Licht. Fantastisch! Ein Grinsen schmückt sein erstauntes Gesicht. Emil kennt dieses „Phänomen“, selbst Strom zu erzeugen. Im Otelo, unten im Keller der Mittelschule, hat er auf einem Rad so lange gestrampelt, bis diese Anstrengung Licht erzeugte. Also so funktioniert‘s! Nun ist Oma an der Reihe, Emils Fragen zu beantworten. Sie spricht ruhig über alles, was sie von dem Blackout an diesem Abend in der Kitzmantelfabrik hörte. Ein Blackout kann aus verschiedenen Gründen passieren, es ist nur wichtig, gut darauf vorbereitet zu sein, deswegen war Oma auch dort, und deswegen wollte Oma ja sowieso mit Emil sprechen. Denn ein Blackout kann bis zu mehreren Tagen andauern und daher möchte Oma, dass auch Emil schon darüber gehört hat und keine Angst bekommt, falls dies einmal wirklich geschehen sollte.
Also, ein Blackout hat viele Auswirkungen, auf das Licht eben, auf alles, was Strom benötigt, auf das Wasser, ja auch auf die Toilettenspülung, auf das Kochen, den Kühlschrank, auf die Heizung, und telefonieren ist auch nicht lange möglich, auf den Verkehr, denn die Treibstoffversorgung fällt aus, und auch auf die Lebensmittelversorgung, denn wie wir bei Corona gesehen haben, passieren Hamstereinkäufe, und außerdem können die Lebensmittel in den Geschäften weder erhitzt noch gekühlt werden. „Wow“, denkt Emil, „das klingt ja gruselig und aufregend“! – „Oma, was machst du, um dich auf einen Blackout vorzubereiten?“ will Emil wissen.
Oma hat sich schon gut mit dem Blackout beschäftigt und ist um keine Antwort verlegen. Sie zählt ihre persönliche Checkliste auf: Lebensmittel und Wasser für zehn Tage eingelagert, Notfallradio mit Lampe gekauft, Decken und warme Kleidung hat sie sowieso, kochen kann sie Gott sei Dank auf ihrem Tischherd, Hausapotheke aufgerüstet, für ihren Kater Poldi Futter besorgt und Bargeld abgehoben. Voller Spannung und Hochachtung seiner Oma gegenüber lauscht Emil nachdenklich den Worten. „Und was kann ich tun?“, kommt plötzlich aus ihm herausgesprudelt. „Du und ich, wir beide werden morgen mit Papa und Mama über den Blackout reden“, antwortet Oma, „denn das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn nicht sogar einer der wichtigsten in der Vorbereitung auf einen Blackout. Ein Familiennotplan gehört her! Wer wann wo ist und wer wen wann informiert!“ – „Oma, fällt dann die Schule aus, oder was passiert, wenn ich in der Schule bin?“ grübelt Emil.
„Ja, weißt du, Emil, deine Frau Direktorin war auch auf diesem Vortrag, sie hat sicherlich auch schon einen Notfallplan vorbereitet. So wie ich sie verstanden habe, bleiben alle Kinder bis zum Unterrichtsende in der Schule, gehen oder fahren wie gewohnt nach Hause und bleiben bei ihren Familien. Deshalb ist es ja so wichtig, morgen mit Mama und Papa einen Notfallplan für unsere Familie zu besprechen“, betont Oma. „Puuh! Oma, ich will eigentlich keinen Blackout erleben“, seufzt Emil. „Ich auch nicht“, sagt Oma, „vielleicht werden wir auch nie einen Blackout erleben, aber gut vorbereitet zu sein, schadet eben auch nicht! Komm, lass uns noch die Hühner füttern und eine Runde spazieren gehen, die Sonne und die Natur genießen, bevor es dunkel und kalt wird“, schlägt Oma Emil vor.
Für Emil ist es wieder einmal ein spannender Nachmittag bei Oma. Das Blackout-Abenteuer in seinem Kopf beschäftigt ihn noch beim Spaziergang in Hörbach. Am Abend nimmt er sich heimlich das Notfallradio mit Lampenfunktion mit in sein Zimmer, verkriecht sich unter die Decke und kurbelt. Licht. Über den vielen Blackout-Bildern schließt Emil seine Augen, alles wird schwarz, schwarz und leise. So leise, dass er den Bach nun hört. Oder ist es schon ein Traum?
Vom Zivilschutz gibt es einen Vorsorge-Folder mit dem sich die Thematik mit allen Familienmitgliedern besprechen lässt.