Absturz in die Banalität – ausgerechnet zum Kulturhauptstadtjahr

8. Juni 2023
Kommentar von Michael Praschma

Vorchdorf soll sich ein neues Markenzeichen verpassen lassen. Neben einem veränderten Schriftzug soll auch der Slogan „Ein Markt voller Leben“ ersetzt werden und künftig „Tor zum Salzkammergut“ lauten. Erarbeitet und entschieden hat das der Tourismus-Ortsausschuss nach mehreren Workshops und einem Wettbewerb.

Präsentation des neuen Vorchdorf-Logos

Präsentation des neuen Vorchdorf-Logos beim Vernetzungstreffen „Salzkammergut 2024“ (Foto: Willli Hitzenberger/vMedia in vorchdorfonline.at)

Es fällt mir wirklich schwer, nicht ausfallend zu werden. Das einzige, was mich davon abhält, ist der Umstand, dass unter den Personen, die das hier abgebildete Transparent in die Kamera halten, welche sind, die ich aus unterschiedlichen Gründen persönlich bzw. fachlich schätze. Das ist das eine. Und außerdem ist ja der Einsatz für die eigene Gemeinde lobenswert und sollte als solcher tatsächlich nicht schlechtgemacht werden.

Dennoch: Kritik muss auch in solchen Fällen erlaubt sein. Und hier ist sie angebracht – mehr noch: Sie ist bitter notwendig. Was da geschaffen wurde, muss schleunigst und geräuschlos wieder in der Versenkung verschwinden. Hier sind die Gründe.

Juhuuu, wir werden das 17. Tor zum Salzkammergut, mindestens!

Es ist nicht prinzipiell verkehrt, wenn ein Slogan naheliegend erscheint. Aber er kann auch zu naheliegend sein. Ich habe „Tor zum Salzkammergut“ gegoogelt: Alleine auf den ersten drei Ergebnisseiten finden sich 16 Gemeinden oder Regionen, die diesen Slogan verwenden oder zumindest gerne zugeschrieben bekommen. Bitte sehr: Gmunden, Vöcklabruck, Thalgau, Frankenmarkt, Lambach, Attnang-Puchheim, Mondseeland, Bad Mitterndorf, Laakirchen, Fuschl am See, Kirchham, Attergau, Schwanenstadt, Nussdorf, Rußbach, Bad Ischl.

Also: Alleinstellungsmerkmal gleich Null, Banalität hoch Drei. Ist das wirklich niemandem aufgefallen? Ein Slogan ist dazu da, sich unverwechselbar (!) mit einer Marke – hier dem Namen der Gemeinde – zu verbinden. Das ist nun wirklich das kleine Einmaleins in Werbung und Marketing.

Völlig unnütz ist „Tor zum Salzkammergut“ aber aus noch einem weiteren Grund: Anders als „Ein Markt voller Leben“ verengt es die Botschaft über Vorchdorf auf eine absolute Nebensächlichkeit. Ja, man kann von hier aus ins Salzkammergut vordringen, wunderbar, sogar direkt von der Autobahn aus. Aber über irgendeinen Wert der Marktgemeinde Vorchdorf, d. h. im Ort selbst, sagt der Slogan rein gar nichts. Ein Tor durchquert man, fertig. Und wie gesagt: Es ist ein Tor von vielen.

Hinzu kommt der neue Vorchdorf-Schriftzug. Er stellt den Rückfall in eine schon längst zur Allerwelts-Schriftart – Calibri mit minimalen Abweichungen – verkommene Typographie dar, die sich von Bewerbungen bis Microsoft und Daimler-Benz schon so gut wie überall einmal eingenistet hat. Auch hier also Banalität – aus welchem Grund denn bloß?

Begräbnis letzter Klasse für ein bis heute erfolgreiches Logo?
Vorchdorf-Logo im Heimatbuch "Vorchdorf 2000"

Das Vorchdorf-Logo bisher: ein blühendes Erbe aus dem sonst kurzlebigen Ortsmarketing im Jahr 1994 (Foto: Heimatbuch „Vorchdorf 2000“

„Ein Markt voller Leben“ hat sich drei Jahrzehnte lang bewährt, inklusive des ausgefallenen, einprägsamen und zugleich gut lesbaren Schriftzugs.

Und jetzt google man einmal „Ein Markt voller Leben“. Da kommt praktisch nur Vorchdorf. Der Slogan und die Gemeinde sind absolut eins, man findet das nicht nur überall, wo Vorchdorf genannt wird, nein: Es ist als Slogan aus mehreren Gründen fast genial. Denn neben seiner unbestreitbaren Originalität lässt es sich bei Bedarf zu bestimmten Anlässen abwandeln, zu einem Markt voller Kultur, einem Markt voller was auch immer, und das war auch so beabsichtigt. Vor allem aber deutet es auf etwas hin, was sich eben in unserer Gemeinde finden lässt – und darüber hinaus signalisiert es die Herausforderung, dieses Leben immer wieder neu zu schaffen und zu erhalten. Es ist selbst ein Slogan voller Leben!

Das gesamte Logo ist auch nach fast 30 Jahren unverbraucht. Zeitlos aktuell geblieben. Elegant, ohne extravagant oder prahlerisch zu sein. Es gibt einfach überhaupt keinen Grund, es zu ersetzen, schon gar nicht dauerhaft. Hier wütet ein qualitätsvergessener Neuerungswahn, den sich Vorchdorf wahrlich nicht verdient hat. Und nein, das ist keine Geschmackssache; für gutes Design gibt es Maßstäbe.

Ein Vorschlag zur Güte

Wenn es zu weh tun sollte, die investierte Mühe für die Katz sein zu lassen, und weil das Kulturhauptstadtjahr „Salzkammergut 2024“ heißt, könnte sich Vorchdorf nur (!) für die Außendarstellung in diesem Rahmen auch als Tor zum Salzkammergut 2024 positionieren – weniger auffällig gesetzt als „Markt voller Leben“ und nie ohne dieses eigentliche Logo, aber doch als Signal dafür, dass die Kulturhauptstadtjahr-Region von der Autobahn aus gesehen bei uns beginnt, wenn auch nicht ganz ausschließlich. Sei’s! Aber danach bitte wieder nur mehr das buchstäblich gute, alte „Markt voller Leben“!

5 Gedanken zu „Absturz in die Banalität – ausgerechnet zum Kulturhauptstadtjahr

  1. Bernhard Ettinger

    Es gibt dazu keinen Beschluss in den Gremien, auch nicht im Gemeinderat.
    Mehr als eine temporäre „Ergänzung“ kann das meiner Ansicht nach somit gar nicht sein. Inhaltlich kann ich den Kommentaren nur beipflichten.

    Altbürgermeister Kofler hat es letztens trefflich ausgedrückt. Entscheidungen wie der Außenauftritt einer Gemeinde müssen demokratisch legitimiert werden. Intransparente Vereine von ÖVP-Gnaden können das nicht.

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  2. Norbert Krumphuber

    Nachdem ich über 25 Jahre in der Werbebranche gearbeitet habe, kann ich allen hier angeführten Argumenten nur vollinhaltlich zustimmen.
    Wem ist bloß dieses schreckliche Logo eingefallen; abgesehen von der inhaltlichen Aussage und der Entscheidung dafür ?

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  3. Alfred E. Neumann

    Michael Praschmas Entsetzen über neues Logo und Slogan kann ich absolut nachvollziehen. Die Qualität des Ergebnisses lässt den Schluss zu, dass man sich nicht wirklich bemüht hat oder einfach die Falschen am Werk waren.
    Und das ist für mich eine weitere entscheidende Frage: Wie kann es sein, dass ein bunt zusammengewürfelter Tourismus-Ortsausschuss die Kompetenz hat, über derartig gravierende Veränderungen zu entscheiden? Ein Marken-Update oder Relaunch eines Unternehmens entscheidet ja auch nicht irgendein Abteilungsleiter, sondern wohl eher die Geschäftsführung. Kann es sein, dass in den Gemeinderatssitzungen der letzten 18 Monate nie und nimmer über dieses Thema gesprochen wurde? Braucht es dazu denn keine Diskussion in den Gemeindegremien? Da es keine einzige Wortmeldung irgendeines Gemeinderates zu diesem Thema gibt, ist davon auszugehen, dass es sich um einen einstimmigen Beschluss handelt (oder es ist allen einfach nur wurscht). Wann und wer hat diesen Beschluss gefasst?
    Wäre das denn nicht eine einzigartige Chance gewesen, die Bürger*innen miteinzubeziehen, um Feedback und Ideen zu unterschiedlichen Vorschlägen einzuholen?
    So dürfen aber sowohl Entscheidungsweg als auch Ergebnis hinterfragt werden – hätte aber nicht sein müssen, wenn man den Prozess professionell aufgesetzt hätte. Übrigens, hätte dieses Thema zur „Zukunft Vorchdorf“-Truppe gepasst. Aber die haben sich ja ein Schweigegelübde auferlegt (oder es gar verschlafen).

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  4. Franz Steinhaeusler

    Hinweis der Redaktion: Zwecks Lesefreundlichkeit haben wir drei Kommentare des Lesers hier zusammengefasst.

    Rein optisch: ich find das Logo jetzt nicht wirklich kreativ, eher langweilig und altfaderisch, aber ok. Auf so einen Ouptut würd ich jedoch nicht solz sein.

    Na ja „“Ein Tor zum Salzkammerguts“ hat ja auch was gutes: es lenkt zumindest von der Hässlichkeit dieser Marktemeinde ab. Tor zu großem hässlichem Industriegegiet mit einer aus dem Ruder gelaufenen Flächenversiegelung. Eine recht hässlichere Ortschaft wie Feldham kann man nur schwer finden.

    So wahr, so treffend und humorvoll bissig beschrieben!!! Herrlich👍👍

    Ich würde vorschlagen, Linz ist das Tor zum Salzkammergut. Mir fiele noch vieles ein – vielleicht später mehr. Ich belasse es einmal bei diesem kurzen Kommentar.

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  5. Albert Sprung

    Vorchdorf bekommt ein neues Logo mit Slogan, und dieses Faktum geht an den politischen Fraktionen völlig vorüber. Man könnte auch sagen, es gibt ein neues Logo, an den Fraktionen vorbei.

    Dabei stellt sich die Frage, wäre ein neues Logo für Vorchdorf nicht etwas, das alle Fraktionen mittragen sollten, und dass deshalb alle Fraktionen in diesen Prozess involviert sein sollten. Das wäre wohl mein Verständnis und meine Herangehensweise.

    Offensichtlich hat man sich in „alter Manier“ gesagt, wir sind uns genug, was kümmern uns die anderen. Die machen ja sowieso das, was wir ihnen vorgeben. Dieses Gefühl habe ich jedenfalls.

    Also wird Vorchdorf jetzt zum Tor. Eines von vielen Toren zum Salzkammergut. Oder das Tor zum Pfarrgarten-Parkplatz. Das Tor ins Schloss und das Tor zu den Toiletten am Schlossplatz und womöglich öffnet sich ja auch bald für den einen oder anderen die Vorchdorfer Falltür.

    Vielleicht entsteht daraus dann etwas ganz Neues, wie der Slogan: Vorchdorf. Ein Markt voller Tore.

    Wer will schon „Ein Markt voller Leben“ heißen.

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