„Das ist doch nicht norm…“ – GUSCH!

25. Juli 2023
Kommentar von Michael Praschma

Jetzt ist also der bodenlose Unfug, den die Frau Mikl-Leitner kürzlich losgetreten hat, in Vorchdorf gelandet: Das nur scheinbar harmlose Wort „normal“ feiert als Messlatte für die Politik der jeweils anderen fröhliche Urständ. Warum das auf der Stelle aufhören muss? – Bitte sehr.

Von Mikl-Leitner zu Kogler zu Nehammer und Stelzer und jetzt – Überraschung! – zur Liste Vorchdorf (LV). Verzeihung, sollte ich sonst wen im Ort übersehen haben. Die LV macht etwas, das legitim ist, wenn auch nicht besonders originell: Sie benutzt (per Facebook-Beitrag vom 23. Juli) einen aktuellen Hype, nämlich diese Normalitätsdebatte, um prinzipiell berechtigte, aber schon mehrfach gestellte Fragen erneut in den Ring zu werfen. Ein ganz normales Verfahren in der Öffentlichkeitsarbeit.

Erst seit kurzem „normal“ ist es aber, alles Mögliche auf den Prüfstand einer angeblichen Normalität zu stellen. Auf kritische Einwände dagegen heißt es dann, man werde ja wohl noch sagen dürfen, was die breite Mitte der Gesellschaft für, nun ja, eben normal hält. Das aber ist in Wirklichkeit übelste Polemik.

Soll das gesunde Volkempfinden wieder entscheiden?

Denn das Wort „normal“ sagt schon lange nicht mehr, was damit ursprünglich gemeint ist. Vielmehr ist es ein bösartig vergifteter Pfeil: Man tut so, als vertrete man einfach nur einen gesellschaftlichen Konsens gegen irgendwelche kuriosen oder extremen Standpunkte – und bestreitet dabei vielleicht sogar, wie Mikl-Leitner es getan hat, es sei gemeint, dass diese Standpunkte eben abnormal seien. Und während schon alles zustimmend mit dem Kopf wackelt, hört niemand mehr zu, wenn die Gegenfrage kommt: Ja, welche Norm denn? Und bestimmst denn du, was normal ist? Und ist etwas nur deswegen falsch, weil es angeblich nicht normal sein soll?

Der Vorwurf, etwas sei nicht normal, ist ein Totschlagargument, weil es sich wie ein Stück Seife dem Zugriff entwindet – es entzieht sich jeder vernünftigen Überprüfung. Es weckt so etwas wie das nur vermeintlich gesunde Volksempfinden, es ist tatsächlich präfaschistisch, denn, nicht wahr, was tut man denn mit etwas, das nicht normal ist? Richtig: Es muss weg. Und andersherum: Noch die größte Gemeinheit rechtfertig sich stets damit, das sei doch ganz normal. In beiden Fällen gibt es keine weitere Begründung, nicht einmal den Nachweis, dass tatsächlich eine Mehrheit dieser Normalität zustimmt. (Und selbst wenn sie das täte, ist dann die Minderheit rechtlos oder gar automatisch im Unrecht?)

Sie verseuchen die Sprache, und damit die politischen Sitten gleich mit. Wenn mir etwas missfällt, kann ich es ja ungesetzlich nennen oder unsozial, demokratiefeindlich, willlkürlich, intransparent… Dutzende Begriffe gibt es, die sich füllen lassen, konkretisieren oder untermauern, vor allem Begriffe, gegen die man auf gleicher Ebene sinnvoll etwas erwidern kann. Aber „nicht normal“, das ist ein infames Wort, es ist niemals ein Beitrag zu etwas Positivem, es ist fast immer einem konstruktiven Miteinander (war das nicht das große Schlagwort im letzten Wahlkampf?) abträglich.

Bitte, bitte!

Mit großem Wohlwollen kann man dem Beitrag der LV im konkreten Fall unterstellen, dass hier „normal“ ausnahmsweise in seiner eigentlichen Bedeutung benutzt wurde, also: der (rechtlichen) Norm entsprechend. Aber dieser Reiter wurde bewusst auf das durchgehende Pferd des aktuellen Streits um Normalität gesetzt. Und das ist ein Fehler.

Meine verzeifelte Hoffnung ist, dass keiner der anderen Akteure in der Vorchdorfer Politik sich hinreißen lässt, diesem wahnsinnig gewordenen Gaul auch noch die Sporen zu geben und mit der Gegenfrage zu kontern, was denn nun bei der LV normal ist. Bitte, bitte!

5 Gedanken zu „„Das ist doch nicht norm…“ – GUSCH!

  1. Alfred E. Neumann

    Egal, was uns die Hanni Mikl-Leitner eigentlich aus St. Pölten zurufen wollte, es wurde zumindest eine weitere endlose Debatte losgetreten. Ich frage mich einfach, ob es „normal“ ist, …
    -dass die Jugend der sechstgrößten Gemeinde Oberösterreichs ein desolates Schulzentrum besuchen muss und seit einem Jahrzehnt genau nichts passiert? Und das, obwohl Vorchdorf eine schwarze Gemeinde ist und die Entscheider im Land somit Parteikollegen sind und wir einen Landtagsabgeordneten im Gemeinderat sitzen haben, der grüner Bildungssprecher in Linz ist.
    -dass in Stadl-Paura ein Abriss-Gebäude im Ortskern dieser Tage um € 600.000,- versteigert wurde und man hierzulande bereits 8 Monate über einen Rückkauf einer Ein-Euro-Fläche nachdenkt? Und kein Ende absehbar ist.
    -dass der INKOBA-Info-Abend in der Eurowheel-Halle bald 12 Monate her ist und seitdem kein Wort mehr über Verkehrslösungen und -beruhigungen, Schotterabbau etc. zu hören ist? Oder fällt auch das unter Amtsgeheimnis?
    -dass ein roter Gemeindevorstand aus Regau (also ein Politiker, für den Anstand kein Fremdwort sein sollte) in einer schwarzen Gemeinde seit Jahren mittels höchst kreativer Abrechnungswege sein Gehalt aufbessern kann? Die Geheimniskrämerei inkl. Beschlüssen im Prüfungsausschuss lassen nichts Gutes vermuten.
    -dass leider nur eine politische Kraft die vielen untersuchungswürdigen Missstände der Vergangenheit einer Aufklärung zuführen will? Und dabei hätten wir ja einige potentielle Oppositionsparteien im Gemeinderat sitzen. Was sagt uns das?
    -dass Geheimniskrämerei in Ausschüssen beschlossen wird und alle Energie eher in Vertuschung anstatt in Aufarbeitung gesteckt wird? Schade, dass hierzulande gerade die in der Bundespolitik als Aufdecker bekannten Fraktionen keine Sehnsucht nach Transparenz und Wahrheitsfindung zeigen.
    -dass Personen im Prüfungsausschuss sitzen, die als Gemeindevorstand die zur Untersuchung anstehenden Vorgänge rund um den Bauamtsleiter mutmaßlich mitbeschlossen haben? Ich habe schon einmal etwas von Befangenheit gehört.
    -dass ein Bürgermeister seit knapp 2 Jahren nicht in der Lage ist, die Altlasten pragmatisch aufzuarbeiten, stattdessen ständig mit seinen Adlaten nach Besen und Teppichen sucht, unter die man die Sauereien kehren kann?
    -dass der Ortschef nicht fähig ist, endlich Ruhe in die Gemeindepolitik zu bringen und die Bevölkerung mit spannenden Projekten und Ideen begeistert und mitreisst?
    -dass der Vereinsobmann „Zukunft Vorchdorf“ zwar mit keinem Menschen über die Zukunft redet, dafür aber lieber mit einigen Altpolitikern (also quasi der Vergangenheit) im Rahmen einer 15köpfigen Delegation einen Ausflug in meine steirische Heimat unternimmt? Frage: Zahlt das die Gemeinde?
    -dass ein PR-Profi mit Oberhörbacher Dialekt und Schreibstil es mit der Wahrheit nicht so ganz genau nimmt?
    -dass „In ist, wer drin ist“ bei schwarzen WhatsApp-Infogruppen gleichbedeutend mit der Parteimitgliedschaft ist? Oder war es nur der Versuch, einen ganz besonderen Spitznamen zu ergattern, Kim-Ing?
    Und wenn sich jetzt jemand aufgrund der lieben Hanni über das Wort „normal“ aufregt, der soll doch dieses Adjektiv in der ersten Zeile durch „akzeptabel“, „nachvollziehbar“ oder „suuupertoll“ ersetzen und diesen Kommentar nochmals lesen. Inhaltlich ändert sich genau nix, Sauerei bleibt Sauerei. Und das ist eben nicht normal.
    PS: Ich weiß, die Liste ließe sich weiter fortsetzen, aber der Chef vom Dienst mag keine langen Kommentare …

    Antworten
  2. Franz Steinhäusler

    Ja, das ist sehr subjektiv. Ich finde es auch ein billiges Totschlagargument, ein Gespräch, Diskussion damit beenden zu wollen, etwas sei nicht normal. Darauf darum nicht einsteigen und klein beigeben. Da muss man unbedingt nachhaken. Warum ist das nicht nomal? Wer sagt, dass das, dies und jenes nicht normal sei? Wer ist die Autorität, die sagt oder bestimmt, etwas sei normal oder eben nicht? Haben die auch wirklich recht? Ist es Ansichts-/Interpretiersache? Gehts um Drohung, Einschüchterungsversuch, Macht, Angst vor Autoritäts-/Machtverlust? In dem Sinne: „Das ist nicht normal“ – Diskussion zu Ende gewürgt. Oder noch persönlicher: Das, was du behauptest, sagst, ist nicht normal.

    Normal könnte man aber auch definieren als etwas, was für den Großteil der Bevölkerung akzeptabel und tolerierbar ist. Es hängt auch davon ab, ob man eher in einem liberalen Umfeld (z. B. Großstadt Linz, Wien) oder konservativen (wie Vorchdorf mit beträchtlichem ÖVP-Einfluss) lebt und wie weit die katholische Kirche noch direkten Einfluss auf das Leben jeder/s einzelnen hat, schärfer gesagt, sogar in persönlichste Aspekte der Leben der Menschen einmischen will – was eben als normal, akzeptierbar gilt.

    Auch durch die Flower-Power-Zeit und den Vietnam-Krieg hat sich der Begriff „normal“ massiv geändert oder wurde erweitert, weil auf einmal mehr Sachen tolerierbar wurden. Ebenfalls durch Internet und Social Media. Bis auf das, dass andere nicht beleidigt, gedemütigt, vor den Kopf gestoßen werden, die persönliche Freiheit eingeengt wird oder von anderen schikaniert/belästigt/gegängelt wird, es übertriebene Gebote und Verbote gibt, ist der Begriff „normal“ sehr dehnbar und wohl auch sehr individuell.

    Antworten
    1. Gerti Pilar

      Nein! ich möchte gar nicht zu den NORMALEN Menschen zählen, wie Frau Mikl-Leitner und ihre Mitbeter sie haben möchten. Nein, ich gehöre nicht zu der Mehrheit des Volkes mit „gesundem Menschenverstand“………..
      Ich freue mich über jede Begegnung mit ungewöhnlichen Menschen (nicht normalen?) mit verblüffenden Eigenschaften, die mit Widerstand den vielen verdummenden Einflüssen der heutigen Welt trotzen, ein wenig „verrückt“ sind, sich anders sein trauen, nicht in jedes „EVENT“ hineintappen, einfach AUS DER NORM FALLEN und dadurch erst interessant sind.

      Zu meinem Glück kenne ich viele solche Leute, sie bereichern mein Leben UND mein Denken. Mir wären langweilige Menschen auf Dauer zu fad!

      Antworten
  3. Albert Sprung

    Ertappt. Ja, es ist richtig, dass wir den aktuellen „Hype“ um die Begrifflichkeit „normal“ nützen, um auf aktuelle Probleme in Vorchdorf aufmerksam zu machen, oder eben wieder daran zu erinnern, ohne aber jemanden unsere Sichtweise von „Normalität“ aufzudrücken. Das macht einen großen Unterschied.

    Der Begriff „normal“ wird aber leider gerade dazu benutzt, eine eigene Vorstellung von „Norm“ zu definieren oder durchzusetzen. Was als „normal“ angesehen wird, kann stark von der kulturellen, sozialen oder persönlichen Perspektive abhängen. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass das, was für eine Person oder Gruppe „normal“ sein mag, für eine andere Person oder Gruppe nicht unbedingt als „normal“ angesehen wird.

    Die Kennzeichnung bestimmter Verhaltensweisen oder Merkmale als „normal“ führt dazu, dass andere als „abnormal“ oder „anormal“ angesehen werden. Dies kann zur Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung führen.

    Darüber hinaus kann der Begriff „normal“ dazu missbraucht werden, die eigene Sichtweise oder Vorstellung von Normalität durchzusetzen. Dies kann insbesondere in Machtstrukturen oder in Situationen, in denen eine Person oder Gruppe versucht, ihre Normen, Werte und Vorstellungen auf andere zu übertragen, zum Tragen kommen. Und genau das passiert gerade.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert