„Themen aufgreifen, die vielleicht nicht mit dem meisten Lob zu tun haben“

27. September 2023

Vor Kurzem hat die Vorchdorfer ÖVP Matthias Traunbauer, seit knapp zwei Jahren Gemeinderat, zum neuen Gemeindeparteiobmann gewählt. Im Interview positioniert sich Traunbauer auch zu den aktuellen Konfliktpunkten der Gemeindepolitik und seiner Rolle zwischen Bürgermeister und Fraktionsobmann.

Matthias Traunbauer beim ÖVP-Familienparteitag am 10.9.23 (Foto: Willi Hitzenberger/vorchdorfer.at)

„Du bist Inhaber des Vorchdorfer Unternehmens Baumwerk, Vertreter der Gemeinde bei der INKOBA und Mitglied im Bau- und Straßenausschuss; da fragen wir uns, ob die Kapazität für die örtliche Parteiführung reicht – oder ob das etwa ein Job ist, bei dem nichts zu tun ist.“ Traunbauer lacht: Das sei es definitiv nicht, schon gar nicht in Zeiten wie diesen. In den letzten zwei Jahren ist aber in der Firma viel umorganisiert worden, sodass er sich um weniger Dinge wirklich selbst kümmern und auch nicht durchgehend fünf Tage in der Woche greifbar sein muss. „Aber richtig, ich habe zeitlich kein Problem mit zu viel Freizeit.“

Was bringt es eigentlich, Parteiobmann zu sein?

Was in der Gemeinde insgesamt passiert, bestimmt der ÖVP-Bürgermeister. Was die Partei im Gemeinderat treibt, soll der ÖVP-Fraktionsobmann im Griff haben. Was aber soll und kann der Parteiobmann?

Die Position gibt schon Möglichkeiten, sagt Traunbauer. Zum einen sammelt und bündelt der Obmann Interessen, die es in der Gruppe gibt. Seine Forderung dabei sei auch, „mir Gedanken zu machen, wie soll sich die ÖVP zum einen positionieren, oder welche Themen wollen wir aufgreifen. Diese Position hätte ich vorher sicher nicht gehabt.“ Eine so große Gruppe wie jetzt beim Parteitag trifft sich übers Jahr hinweg sonst nicht; trotzdem ist es Traunbauer wichtig, ein breites Stimmungsbild wahrzunehmen – „genauso auf Unzufriedenheit gerichtet“ – und dann z. B. im Vorstand zu diskutieren, was man damit macht.

Eine Besonderheit für die Position der ÖVP in der Gemeinde ist nach Traunbauers Eindruck, dass die Partei, anders als andere, für wirklich jedes Gemeindethema verantwortlich gemacht wird, weil sie eben den Bürgermeister stellt. Allerdings: Trotz allem gebe es in Vorchdorf, auch über die Parteien und Themen hinweg, eine große Übereinstimmung. Das sei das Gute an Kommunalpoplitik.

Zur Einflussverteilung und Einigkeit zwischen Bürgermeister, Parteiobmannn und Fraktionsführer meint Traunbauer, eine festgelegte Funktionsverteilung gebe es eigentlich nicht und „… wir sind uns schon bei den meisten Sachen schnell einig; nicht von vornherein einig, das definitiv nicht.“ Tatsächlich aber sei aber Mario Mayr für die Fraktion am ehesten bei der Tagespolitik zuständig. Da nimmt sich Traunbauer als Obmann eher zurück, es gehe hauptsächlich darum, Themen aufzugreifen, „die man vielleicht nicht angreifen will, die nicht mit dem meisten Lob zu tun haben“.

Ein Befreiungsschlag aus den Dauerkonflikten?

In der Veröffentlichung der ÖVP wurde der Obmannwechsel als richtungweisend bezeichnet. Der INVO.report wollte von Traunbauer wissen, ob darunter vielleicht auch eine Art Befreiungsschlag herauszulesen sei: nämlich aus den gescheiterten, steckengebliebenen oder anscheinend verfahrenen Großprojekten aus der Vorperiode – Bildungscampus, Freibadhotel, Boardinghouse, Generationencampus, die ja alle aus dem Hause ÖVP gekommen sind; ein Befreiungsschlag im Sinne einer für alle nachvollziehbaren Darstellung des Ist-Zustands und einer „Roadmap“, wie es weitergehen soll.

Eine Herausforderung für die Partei sei das schon, sagt Traunbauer. Deswegen sei ihm auch wichtig gewesen, frischen Wind in den Vorstand zu bringen; Leute, die in die letzten drei Jahre gar nicht so involviert waren, „damit man nicht Gefahr läuft, dass man sich da im Kreis dreht“. Ja, es gebe Themen, die sich nicht mehr bewegen in Vorchdorf, und es sei sinnvoll, dazu ein Resumee zu ziehen und zu sagen, wie man damit umgehen könne. Das sei bisher nicht geschehen, aber: „Es sind nämlich ab und an solche Themen besprochen worden, aber eben für mein Empfinden zu wenig.“

Im Vordergrund allerdings stehe für ihn etwas anderes. Er habe „Bammel“, dass Sachen schlechtgeredet werden, teils mit nicht einmal der halben Wahrheit, ähnlich wie bei Corona: Am Anfang seien wir alle betroffen gewesen, am Schluss hätten wir so etwas wie zwei Gesellschaften gehabt. „Deswegen ist meine oberste Priorität, zur Bevölkerung den Kontakt zu halten.“ Darunter lässt sich auch eine transparente Informationspolitik einordnen, meint Traunbauer auf Nachfrage.

Der Elefant im Raum und die Möglichkeiten, damit umzugehen

Sieht Traunbauer eine neue Möglichkeit in seiner jetzigen Rolle, den Dauerzwist mit der Liste Vorchdorf in konstruktive Bahnen zu lenken? – „Natürlich werde ich mit allen politischen Vertretern versuchen, eine möglichst gut funktionierende Gesprächsbasis zu haben. Als Realist sehe ich aber keine wirklichen Möglichkeiten, dass sich der Umgang zwischen LV und anderen Parteien verbessert. Zu dieser Einschätzung komme ich z. B. auch durch die Aussage eines sehr aktiven LV-Mandatars, dass die aggressive Vorgehensweise der LV gegenüber den anderen Parteien eben das ist, was die LV ausmacht und von den Vorchdorfer Bürgern erwartet wird. Ich meine: Gegen Themen aufzeigen und Kritik üben, dagegen kann keiner etwas haben, aber mir ist massive Kritik zu wenig, wenn wirkliche Lösungsansätze ausbleiben.“

Das Thema Gesundheitsdienstleistungszentrum etwa werde bei jeder Möglichkeit speziell von Albert Sprung in ein schlechtes Licht gerückt. Das sei für ihn reiner Populismus, meint Traunbauer: „Dass Albert von diesem Betrieb nicht überzeugt ist, damit kann ich leben. Aber bis jetzt hat das Thema im Gemeinderat stets eine Mehrheit gefunden, das sollte dann auch für die LV ein Signal sein, nicht ständig nur schlecht darüber zu sprechen.“

Auch dass es immer schwerer werde, Leute zu finden, die Funktionen übernehmen, die aber dringendst gesucht werden, hänge damit zusammen, dass sie befürchten, schlecht dargestellt zu werden. Insgesamt ist eine positive Stimmung in Vorchdorf für Traunbauer ein großes Ziel.

Matthias Traunbauer (34) folgt im Amt Christian Beisl nach, der im neuen Parteivorstand für Finanzen zuständig ist. Sein Stellvertreter ist Christian Kronberger. Der gebürtige Vorchdorfer ist seit 2021 Gemeinderat, verheiratet und hat zwei Kinder. Er war mehrere Jahre lang Obmann der Landjugend und stellvertretender Obmann der Marktmusik.

Interview: Michael Praschma

Ein Gedanke zu „„Themen aufgreifen, die vielleicht nicht mit dem meisten Lob zu tun haben“

  1. Albert Sprung

    Das Thema Gesundheitsdienstleistungszentrum wird deshab von der Liste FÜR Vorchdorf aufgegriffen, weil die Gemeinde Vorchdorf dafür bis Ende 2022 gut 500.000 Euro an liquiden Mitteln aufgewendet hat. Und wie es aussieht, werden es sehr bald 600.000 Euro sein. Das sind Fakten. Wir zeigen diese Fakten nur auf. Dass diese Fakten dann ein schlechtes Licht auf das Gesundheitsdienstleistungszentrum werfen, das liegt einzig und alleine an diesen doch sehr erschütternden Fakten. Und: Das ist nicht Populismus, sondeen nur ein Aufzeigen von Fakten.

    Wenn eine Mehrheit im Gemeinderat denkt, dass die Gemeinde weiter hunderttausende Euro in dieses Verlust-Projekt stecken soll, dann müssen sie das bitte einmal den Bürgern von Vorchdorf erklären. Wir sind dafür jedenfalls nicht zu haben. Insbesondere, wenn dieses Geld dann woanders fehlt.

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