Livestream: Gemeinderat auf YouTube in Absurdistan

19. November 2023
Kommentar von Michael Praschma

Die Sitzungen des Gemeinderats per Video gibt es auch weiterhin im Doppelpack: Einmal nur in Echtzeit, das ist der Livestream von der Gemeinde selbst, und einmal als dauerhafte Aufzeichnung von der Liste Vorchdorf (LV). Die Vorteile beider Lösungen zu vereinen, scheiterte ein weiteres Mal aus Gründen, die kaum vernünftig nachvollziehbar sind.

Technisch funktioniert die Liveübertragung der Gemeinderatssitzung inzwischen tadellos, auch die Tonqualität war im zweiten Anlauf am 14. November gut. Jetzt könnte man das ganze auch noch für all jene zugänglich machen, die an Dienstagabenden keine Zeit haben oder sich vielleicht nur für bestimmte Punkte der Tagesordnung interessieren. Das wäre mit einer jederzeit abrufbaren Aufzeichnung ja kein Problem. Doch das lehnte der Gemeinderat wieder einmal ab. Bis auf Weiteres, muss man dazusagen, und auch nur mehrheitlich.

So sieht der Livestream unmittelbar nach Beendigung der Gemeinderats-Sitzung aus (Abbildung: YouTube-Kanal der Gemeinde)

Es bleibt also derweil bei einer reichlich absurden Zweigleisigkeit: Ein in der Aufnahmequalität deutlich überlegenes Video – das der Gemeinde – verschwindet im Nirwana, sobald die Sitzung geendet hat. Eine gezwungenermaßen weniger gute Aufzeichnung – die der LV – steht kurz darauf dauerhaft auf YouTube, nutzerfreundlich unterteilt in Tagesordnungspunkte. „Gezwungenermaßen“, weil die LV den Ton nicht von der Mikrophonanlage nehmen darf und mit einfacherer Ausrüstung arbeiten muss.

Die Katze im Sack mit viel Blabla

Im Wesentlichen mit den genannten Argumenten begründet, beantragte Albert Sprung (LV), den Livestream der Gemeinde nachträglich abrufbar zu machen. Wenig überraschend, kam Widerspruch zuerst aus den Reihen der ÖVP, die das Livestream-Projekt von Anfang an nicht wirklich vorangebracht hat. Überraschend war dann aber doch, mit welcher Sachlichkeit und Sachkenntnis ÖVP-Fraktionsführer Mario Mayr dagegenhielt: In Sprungs Antrag stehe viel Blabla; er, Mayr, sei erstaunt, dass man wieder über die Katze im Sack entscheiden solle. Denn so etwas wie die Kosten brumme Sprung ja gerne anderen auf. „Woher sollen wir wissen, was uns das jetzt kostet? … Auch gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür, infolgedessen ist es schwierig, dass wir einem solchen Alibiantrag zustimmen.“

Was den für eine Gemeinderatssitzung etwas unvornehm formulierten Vorwurf „Blabla“ betrifft, ist es natürlich riskant, im Glashaus mit Steinen zu werfen. Fehlende Kostenangaben bemängeln hört sich nach Sorgfalt an, zeugt hier aber von erschreckender Unkenntnis, denn ein (ohnehin live aufgenommenes) Video auf YouTube hochzuladen, kostet nun mal: gar nichts. Das könnte in Gemeindekreisen durchaus bekannt sein, da der Livestream ja bereits über YouTube verbreitet wird.

Warum nicht warten? – Gegenfrage: Warum warten?

Reinhard Ammer (Grüne) stellte einen Vertagungsantrag. Hintergrund: Die Grünen im Landtag inklusive Ammer hatten – lobenswert! – erst kürzlich eine Änderung der Gemeindeordnung beantragt, um für dauerhafte Gemeinderatsvideos eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. In der Diskussion im Gemeinderat zum Tagesordnungspunkt tauchte dann die Frage auf: Warum nicht warten, bis eben diese gesetzliche Grundlage geschaffen ist? Und die Mehrheit stimmte der Vertagung zu.

Die sehr einfache Gegenfrage lautet: Ja, warum denn warten? Etliche Gemeinden im Land tun es bereits. Der Landtag tut es auch. Es ist nicht zu befürchten, dass irgendein Verantwortlicher dafür ins Gefängnis muss. Und selbst wenn eine extrem enge Auslegung der Gemeindeordnung besagen würde (was überhaupt nicht ausgemacht ist), dass die Gemeinde selbst das nicht darf, dann könnte man immer noch die Daten des technisch besseren Livestreams einem anderen Kanalbetreiber zur Verfügung stellen. Das kann (muss aber nicht) die LV sein, weil dort bereits hunderte Vorchdorfer:innen die Aufzeichnungen abrufen.

Ich befürchte, die ehrliche Antwort auf die Gegenfrage „Warum denn warten?“ ist, dass den meisten von denen, die fürs Warten sind, die ganze mit den Videos ermöglichte Transparenz gegen den Strich geht. Und das ist ein Armutszeugnis.

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