Anton Bruckner: Auch ein wunderlicher und willensstarker Tourist in Oberösterreich

11.3.2024

Heute erscheint im Verlag Anton Pustet ein Buch, das Anton Bruckner aus einem völlig neuen Blickwinkel zeigt. Der Vorchdorfer Autor Florian Sedmak beschreibt Bruckners Leben anhand von 35 Stationen in Oberösterreich. So entsteht eine Art Lebenslandkarte. QR-Codes ermöglichen das Reinhören in Bruckner-Werke, und viele Querverweise in die Gegenwart machen den Ansfeldener Komponisten für uns fassbar.

 

 

Die anspruchsvolle Gestaltung verbindet Altes und Neues, der Text ist unterhaltsam und feinfühlig verfasst, Mundartausdrücke unterstreichen die Erdigkeit des Protagonisten. Grafiken mit den Wirkungsstätten als Muster mit unterschiedlicher Intensitätdienen dem Überblick, nach jedem Kapitel zeigt eine kleine Grafik, wie es weitergeht.
Der INVO.report hat mit Florian Sedmak gesprochen.

INVO.report: Florian, du schreibst selbst, dass Bruckner als komplett wissenschaftlich erforscht gilt. Wieso gibt es dann „Dickschädels Reisen“?
Florian Sedmak: Ich habe das Thema sozusagen „geerbt“. Norbert Trawöger, künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters Linz, hatte von zwei Verlagen Anfragen und hat mich gebeten, eine zu übernehmen, weil ich schon wegen eines anderen Projekts mit ihm in Kontakt war. Ich hatte keinen besonderen Bezug zu Bruckner, habe mich aber von Trawögers Bruckner-Leidenschaft anstecken lassen, die Bruckner auch als schrägen Menschen sieht und ihn nicht verherrlicht.

Florian Sedmak

I.r.: Wie kam es zu der Idee, die Lebensorte Bruckners mit Menschen und Orten der Gegenwart zu verbinden?
F.S.: Ich wollte nichts schreiben, was über die Orte mit einem Klick erfahrbar ist, sondern jeden Ort mit einer besonderen Leidenschaft oder Facette von Bruckner in Verbindung bringen. Ich habe z. B. eine Zeitlang in Ottensheim gelebt und gearbeitet und mich hat die Drahtseilbrücke, die sogenannte Überfuhr, damals schon fasziniert. Bruckner hat die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch genutzt. Oder die Verbindung Bruckners Vorliebe für Most (bis zu seiner Übersiedelung nach Wien) mit dem St. Marienkirchner Mostmuseum, in dem Mostherstellung einst und heute gezeigt wird.

I.r: Wie bist du zu den Personen aus der Gegenwart gekommen?
F.S.: Teilweise im Zuge der Recherche, oder ich habe die Personen schon vorher gekannt, wie z. B. Klaus Sonnleitner als Bruckners Nachfolger als Stiftsorganist von St. Florian. Als Bruckners Mutter in Ebelsberg lebte, könnte man sie als Sozialfall bezeichnen, so suchte ich das Gespräch mit einer Sozialarbeiterin aus Ebelsberg. Meine Sympathie für die kleine Brauerei in Neufelden brachte ich mit der (mit Bruckners Umzug nach Wien einsetzenden) Vorliebe für das dortige süffige Bier in Verbindung, das eine große Rolle in Bruckners Leben spielte.

I.r.: Das Buch ist nicht nur sehr umfang-, sondern auch sehr facettenreich. Kannst du den Zeitaufwand für das gesamte Buch inklusive des wahrscheinlich hohen Rechercheaufwands beziffern?
F.S.: Von der Idee bis zur Fertigstellung ist ungefähr ein Jahr vergangen. Ich habe mich überblicksmäßig eingelesen, wollte mich nicht in Details verlieren. Viele Orte waren mir bereits gut genug bekannt, andere habe ich auch im Rahmen von Ausflügen besucht. Als Texter bin ich es gewohnt, mich an Deadlines zu halten und überraschte den Verlag mit einer überpünktlichen Abgabe.

I.r.: Wie kommt man auf die Idee, für einen Verstorbenen ein Horoskop erstellen zu lassen?
F.S.: Da besondere Begabungen oft in Sternenkonstellationen als in die Wiege gelegt beschrieben werden, war das ein interessanter Aspekt für mich.

I.r.: Du verbindest den Zählzwang Bruckners mit dem Datensammelkonzern Alphabet, den damaligen Leiter der Garstner Gefängnisdirektor mit den Jailhouse Rock-Urhebern Jerry Leiber und Mike Stoller und die Sängerknaben Bruckner und Hitler – wie kommt man auf solche Querverweise?
F.S.: Ich habe ja schon viel Erfahrung als Texter. Texter wird man, wenn man gerne liest und sich für viele Dinge interessiert. Dieses Wissen muss man dann mit der Sprache kombinieren. Dadurch war es möglich, dass alle Stationen gleichberechtigt im Buch vorkommen, obwohl sie eine unterschiedliche Qualität hatten.

Kegeln, zechen und schmausen mit einem großen Musiker

Aus der Verlagsinformation: Der 200. Geburtstag von Anton Bruckner liefert 2024 einen hochwillkommenen Anlass für einen informellen Streifzug durch weite Teile seines Heimatbundeslandes. Trotz der damaligen Beschwerlichkeit des Reisens besuchte oder bewohnte der so wunderliche wie willensstarke Landlergeiger, Lehrer, Sinfoniker, Tourist und Organist insgesamt an die drei Dutzend oberösterreichische Orte: um alte Kollegen und Verwandte zu treffen und Orgeln so zu traktieren, dass sie anschließend repariert werden müssen. Um zu kegeln, zu zechen und zu schmausen. Um auf Sommerfrische zu gehen und All-inclusive-Urlaub im Kloster zu machen. Um seine Faszination für das Morbide auszuleben. Um Musikunterricht zu nehmen und zu geben, von einer schweren psychischen Krise zu genesen, zwanghaft Dinge zu zählen und die persönliche Bestzeit im Tauchen zu verbessern.
Viele Jahrzehnte später hält Dickschädels Reisen an Ort und Stelle Nachschau und knüpft bei verschiedensten Begegnungen an Bruckner und seine Zeit an.

Die Bruckner-Orte:
Ansfelden, Attersee, Bad Goisern, Bad Ischl, Bad Kreuzen, Eferding, Enns, Gmunden, Grein, Hörsching, Kirchdorf an der Krems, Klaus an der Phyrnbahn, Kremsmünster, Kronstorf, Leonding, Linz, Luftenberg an der Donau, Micheldorf, Neufelden im Mühlkreis, Ottensheim, Perg, Ried im Innkreis, Schlierbach, Schwanenstadt, Sierning, St. Florian, St. Marienkirchen an der Polsenz, Steyr, Steyregg, Ternberg, Vöcklabruck, Wels, Wilhering, Windhaag bei Freistadt, Wolfern

Florian Sedmak: Dickschädels Reisen. Verlag Anton Pustet, 2024, 272 S. € 25,–
Hinweis: Der Autor gehört zum Redaktionskreis des INVO.reports.

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