Ein Freibad für ein Hotel

Vorchdorf, 25. März 2021

Wie viele Andere sind auch die Freibad-Anrainer überrascht, als sie im Sommer 2020 in der dritten Ausgabe von GRÜNerLEBEN – der Zeitung der Vorchdorfer Grünen – vom geplanten Hotelprojekt im Vorchdorfer Freibad erfahren. Wie ist es überhaupt zum Projekt gekommen? Und wo steht es gerade? Versuch einer Rekonstruktion.

2019 (und davor?): Standortsuche

* Auf wen die Idee für das aktuelle Hotelprojekt beim Freibad zurückgeht, ist auch nach unseren Recherchen unklar. Wie Bürgermeister Gunter Schimpl im Gespräch mit Invo erklärt, habe die Gemeinde Standorte für das Hotel gesucht – und sich schließlich „für einen Standort im Zentrum entschieden“, nachdem Möglichkeiten am Ortsrand geprüft worden seien. Die Standortsuche muss 2019 gelaufen sein, vielleicht sogar schon früher.
* Die Notwendigkeit des Projekts erklärt Schimpl mit der Bettennot im Ort. Und mit dem Umstand, dass auf dem ehemaligen Feuerwehr- und Rot-Kreuz-Gelände in der Bahnhofstraße nun doch kein Hotel entstehe, sondern ein „Boarding House“. Obwohl die Gemeinde für den Standort definitiv ein Hotel vorgesehen hatte und nicht gezwungen war, dem „Boarding House“-Konzept zuzustimmen und von der ursprünglichen Zweckwidmung abzuweichen.

April 2020: Der 1. Grundsatzbeschluss

* In der Gemeinderatssitzung am 28. April 2020 wird der Grundsatzbeschluss für das Hotelprojekt gefasst. Warum auch immer, sind an diesem Tag lediglich 20 GemeinderätInnen anwesend. 17 fehlen. Laut Protokoll berichtet Bürgermeister Schimpl: „Mit einem regional tätigen Hotelentwickler, welcher teilweise auch als Investor und Betreiber aktiv ist, konnte einiges konkretisiert werden.“ Schimpl ersucht die Gemeinderät*Innen um einen Grundsatzbeschluss, der mit dem Satz beginnt: „Die Marktgemeinde Vorchdorf ist bereit, die für die Hotelerrichtung erforderliche Grundstücksfläche im Ausmaß von ca. 3.000 m2 zum Zwecke der Errichtung eines Hotels zu veräußern.“ Der Grundsatzbeschluss beinhaltet auch eine Tiefgarage, die dem Veranstaltungsbetrieb der Kitzmantelfabrik zugute kommen soll.
* „Ziel ist es, sollte sowohl der Hotelentwickler als auch die Marktgemeinde Vorchdorf zu letzen Schritten bereit sein, das Hotel rechtzeitig für das Kulturhauptstadtjahr 2o24 in Betrieb geht“ (wortwörtliches Zitat). Weiter aus dem Protokoll: „Vorgespräche mit begleitenden Behörden sind sehr positiv verlaufen. Bei Recherchen und eingeholten Informationen zum Hotelentwickler konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die von ihm entwickelten und teilweise selbst betriebenen Tourismusbetriebe gut aufgestellt sind und aufgrund des Geschäftsmodells und des bisherigen wirtschaftlichen Erfolgs die Betriebe gut durch die Corona Zeit kommen. Am Standort wird nach wie vor großes Interesse gezeigt, die Konzeptionierung als Businesshotel wird den Vorchdorfer Anforderungen sehr gerecht, zusätzlich ist angedacht, speziell in den Sommermonaten, Angebote für die allgemeine touristische Nutzung und für Sportorganisationen zu schnüren.“
* Die einzige dazu protokollierte Wortmeldung macht Norbert Ellinger von den Grünen, der bei geschickter Bauweise einen wechselseitigen Nutzen von Hotel und Freibad sieht und eine Bauweise einfordert, die dem Klimawandel Rechnung trägt. Die 20 anwesenden MandatarInnen bewilligen Schimpls Antrag einstimmig.

Juli 2020: Die Öffentlichkeit erfährt erstmals vom Projekt

* Ende Juli 2020 erfährt die Bevölkerung aus der Grünen-Zeitung GRÜNerLEBEN erstmals vom geplanten Projekt – offenbar nicht zur Freude von Bürgermeister Schimpl, der in einem Telefonat mit Freibad-Anrainer Wolfgang Leibetseder sagen wird, „die Grünen seien damit zu früh hinausgegangen“, als das Projekt noch „ein ungelegtes Ei“ gewesen sei. Weder die Anrainer Franz Preinstorfer noch Wolfgang Leibetseder und seine Lebensgefährtin Inge Nussbaumer sind von der Gemeinde über das Vorhaben informiert worden. Auch sie erfahren davon aus der Zeitung.
Die Grünen fordern  darin „ein klimafittes Gebäude mit hohen energietechnischen und ökologischen Standards, das auch das Freibad selber aufwertet“, keine Verschlechterung für die Badegäste und mehr Beschattung auf den verbleibenden Liegeflächen, „etwa durch zusätzliche Bäume“.

September 2020: Der 2. Grundsatzbeschluss

* Bei der Gemeinderatssitzung am 29. September 2020 beschließen die 21 anwesenden GemeinderätInnen – 18 fehlen – einstimmig einen Projekttopf in der Höhe von 3.000 Euro und setzen einen Verkaufspreis von 120,- Euro pro m2 an.
Bürgermeister Schimpl berichtet, das Hotelprojekt mache „rasante Fortschritte“. Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits monatliche Treffen einer Projektgruppe mit VertreterInnen aller Parteien, wobei Schimpl die Unterstützung von Martin Fischer besonders hervorhebt.
* Wie Schimpl weiter berichtet, sei es „laut Information des Investors“ möglich, „im Rahmen der Corona-Impuls-Programme eine zusätzliche Förderung von 7 % zu lukrieren. Diese Förderung wird aber nur schlagend, wenn das Projekt bis 28.02.2022 vollständig fertiggestellt und abgerechnet ist. Vorteil ist, dass sich die Förderung über das Gesamtprojekt, demnach nach heutigem Wissensstand, auch auf die vorgesehene Tiefgarage für die Kitzmantelfabrik erstreckt.“

17 Monate für Rechtliches und Bau

* Daraus ergebe sich, dass für sämtliche wasser-, bau- und gewerberechtliche Verfahren sowie die Hotelerrichtung nur 17 Monate Zeit bleiben und der Baubeginn idealerweise im April 2021 erfolgen sollte: „Diese kurze und intensive Bauphase würde aber bedeuten, dass das Almtalbad Vorchdorf nächste Saison nicht betrieben werden kann. Dementsprechend ist für die Bevölkerung ein entsprechendes Ersatzangebot herzustellen. (Gutscheinsystem ähnlich Taxigutscheine für die umliegenden Bäder, Bädererlebnisbus und evtl. ergänzend für die Traunseetram und Linienbus nach Laakirchen).“
* Gemeinderat Josef Scherleitner erkundigt sich, was passiere, wenn im Zuge des Tiefgaragenbaus Altlasten zu Tage kämen. Antwort: „Der Vorsitzende teilt mit, dass 2 Etagen unter dem Hotel geplant sind und merkt an, wenn dabei Altlasten zu tage kommen, standardisierte Verfahren zur Sicherung und Sanierung bestehen.“

September 2020: Der 3. Grundsatzbeschluss

* Einige Tagesordnungspunkte später beschließen die 21 anwesenden GemeinderätInnen in der gleichen Sitzung am 29. September für das Hotelprojekt einstimmig auch noch die Umwidmung von Grünland- und Verkehrsflächen-Parzellen “ in Sondergebiet des Baulandes: Tourismus“ im Ausmaß von über 4.350 m2. Betroffen sind die Parzellen T 352 (ca. 3.520 m2), T 369 (ca. 83 m2), .368 (ca. 514 m2) und T 894/2 (ca. 235 m2).
* Wie Martin Fischer ausführt, wird das Hotel „als Businesshotel mit Nutzungserweiterung Kultur- und Sporthotel entwickelt. Die Beckenanlage des Almtalbads Vorchdorf wird ein integrierter Bestandteil des Projektes inklusive Publikumszugang. Ein großer Vorteil für den Betrieb des Hotels ist die Fußläufigkeit zu weiteren Sportstätten wie beispielsweise Tennisplatz, Sporthallen, Fußballplatz, Stockschützenhalle, Kletterhalle, Almuferwanderweg, Radwege etc.“

Oktober 2020: Sonderangebot Hochwasserschutz

* Am 15. Oktober 2020 bekommt Freibad-Anrainerin Inge Nussbaumer Besuch von Gemeinderat Josef Leichtfried, der offensichtlich als Gesandter der Marktgemeinde sinngemäß mit Andeutungen vorstellig wird, dass man den Hochwasserschutz der Liegenschaft verbessern könne – ohne auf das Hotelprojekt einzugehen. Inge Nussbaumer kann sich keinen Reim auf den Besuch und Leichtfrieds Aussagen machen.
* Am Nachmittag ruft Bürgermeister Schimpl persönlich auf dem Handy von Wolfgang Leibetseder an. Er eröffnet das Gespräch – von dem eine Aufzeichnung existiert – mit der Information dass „der Techniker am 29. oder 30. komme“ und fragt, ob Leibetseder und Nussbaumer an diesen Tagen Zeit hätten. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es sich um den Wassertechniker und den Hochwasserschutz handelt.
Schimpl betont, dass man nun die einmalige Chance hätte, „die Liegenschaft aus dem Hochwasser herauszubringen“, wenn man nur geschickt genug vorgehe. Er würde Leibetseder und Nussbaumer da „gerne mitnehmen“ und die Liegenschaft dadurch aufwerten helfen. Als Leibetseder kein Interesse zeigt, sondern Details zum geplanten Projekt erfahren will, sagt Schimpl, man könne das Projekt natürlich auch ganz ohne Berücksichtigung des Grundstücks von Leibetseder und Nussbaumer durchziehen. Allen Fragen nach dem Hotel weicht Schimpl mit dem Hinweis auf den zu vereinbarenden Termin mit Wassertechniker, Investor und Gemeinde aus – der bis heute nicht zustande gekommen ist.

Herbst 2020: Die Kündigung

* Überzeugt von der kurzfristigen Machbarkeit des Projektes und einem Baubeginn im April 2021, vermittelt die Marktgemeinde ihren mühsam gefundenen Bademeister ins Freibad von dessen Heimatgemeinde Altmünster und sagt auch den Pächtern des Freibadbuffets ab. Von der Entscheidung für die Aussetzung des Freibadbetriebs ist auch das Geschäftsverhältnis mit dem Lieferanten Donau-Chemie und den Servicebetrieben betroffen, die das Freibad technisch betreuen.

Jänner 2021: Die Stellungnahme des Ortsplaners

Als Ortsplaner im Auftrag der Marktgemeinde Vorchdorf legen die Hinterwirth Architekten aus Gmunden aus ortsplanerischer Perspektive eine Stellungnahme zum Hotelprojekt ab, deren zusammenfassende Beurteilung lautet wie folgt: „Aus ortsplanerischer Sicht ist das gegenständliche Umwidmungsverfahren zwecks der geplanten Errichtung des ‚Businesshotel‘ – unter der Voraussetzung, dass das hochwasserrechtliche Einreichprojekt (Hochwasserfreistellung der Liegenschaft) vom Ziviltechnikerbüro Gunz umgesetzt werden kann, möglich.“

Jänner 2021: Zur Unterschrift

In Vorchdorfer Arztpraxen und Geschäftslokalen liegen Unterschriftenlisten mit einer Petition gegen das Projekt auf.

14. Jänner 2021: Brunnenschutzgebiet

Die Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft des Landes Oberösterreich teilt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit, dass eine wasserrechtliche Stellungnahme zum Projekt nicht möglich sei, da es sich beim Freibadgelände um Schutzgebiet für einen Brunnen handele, wozu im Projekt keine Angaben gemacht worden seien.

19. Jänner 2021: Die Verständigung

Mit einem Schreiben des Markgemeindeamts Vorchdorf wird Dr. Preinstorfer von der geplanten Umwidmung in Kenntnis gesetzt.

26. Jänner 2021: Schau in die „Krone“

Die Oberösterreich-Ausgabe der Kronen-Zeitung berichtet, dass der Hotelbaubeginn ungewiss sei. Bürgermeister Schimpl erklärt laut Krone, dass Corona auch bei diesem Projekt vieles erschwert habe – und dass es „einen breiten Schulterschluss“ in der Gemeinde gebe. Die Eröffnung müsse allerspätestens im Kulturhauptstadtjahr 2024 erfolgen.

Februar 2021: Die Suche

* Bürgermeister Schimpl informiert die Projektgruppe und die Gemeindevorstände, dass das Freibad in der Saison 2021 geöffnet bleibt und auch eine Rettung des Badebetriebs 2022 möglich sei.
* Aufgrund der Auflösung der Vereinbarungen mit dem Bademeister und dem Buffetbetreiber sucht die Marktgemeinde Vorchdorf seit Februar Personal bzw. einen neuen Buffetbetreiber.

11. Februar 2021: Die Löschung des Brunnens

Wie die Bezirkshauptmannschaft Gmunden der Direktion Umwelt und Wasserwirtschaft des Landes Oberösterreich am 23. Februar 2021 mitteilt, hat das für das Hochwasserprojekt zuständige Büro Gunz im Auftrag der Marktgemeinde Vorchdorf um Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes ersucht, womit auch das Schutzgebiet für den Brunnen wegfällt.

März 2021: Einspruch

Im Auftrag von Medizinalrat Dr. Franz Preinstorfer bringt die Linzer Anwaltskanzlei Denkmair-Hutter-Hüttner-Waldl eine Stellungnahme zur und Einwendungen gegen die Flächen-Umwidmung für das Hotelprojekt ein. Darin stellen die Anwälte unter anderem fest, dass die Umwidmung ihrer Interpretation der Gesetze nach unter anderem aus Gründen des Hochwasserschutzes unzulässig, keine Interessenabwägung zwischen öffentlichen und touristischen Bedürfnissen vorgenommen worden sei und das Projekt de facto auf eine Privatisierung des öffentlichen Freibades hinauslaufe. Die Darstellung der Gemeinde, dass die ganze technische Infrastruktur für das Projekt vorhanden sei, sei falsch, da die Kanalisation in der Nachbarschaft des Freibades amtsbekannterweise bereits jetzt ohne Hotel überlastet sei. Auch Inge Nussbaumer und Wolfgang Leibetseder lassen sich von Denkmair-Hutter-Hüttner-Waldl vertreten und bringen eine gesonderte Stellungnahme ein.

18. März 2021: Die wasserrechtliche Verhandlung

Obwohl Ausläufer eines Hochwassers auch die Liegenschaft von Franz Preinstorfer erreichen, wird der Arzt im Ruhestand – anders als seine Nachbarn Inge Nussbaumer und Wolfgang Leibetseder und Grundstücksanrainer Karl Plaichinger – nicht zur wasserrechtlichen Verhandlung am 18. März 2021 in der Kitzmantelfabrik eingeladen. Wolfgang Leibetseder nimmt in anwaltlicher Begleitung an der Verhandlung teil.

Dabei erschließt sich Leibetseder das Ausmaß der notwendigen Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz, für den meterlange Mauern errichtet werden müssen. Im Bereich des Beachvolleyball-Platzes muss ein 1.200 m2 großes Rückhaltebecken mit einer Absenkung von mindestens einem halben Meter anlegt werden.
Bei der Verhandlung stellt sich auch heraus, dass der Zaun des Freibadgeländes zur Dürren Laudach hin 1 Meter zu weit am Wasser steht, was den Hochwasserschutzbestimmungen widerspricht. Den Zaun einfach zu versetzen ist nicht ohne weiteres möglich, da es dabei zu einer Schwächung der Dammkrone kommen könnte. Die Holzbrücke über die Laudach und das WC für die SpielplatzbesucherInnen und die am Almuferweg Gehenden dürften wasserrechtlich überhaupt nicht verhandelt worden sein.
Der Vertreter des Landes merkt an, dass Projekte wie das Pool- bzw. Sporthotel wegen der großflächigen Versiegelung von Boden grundsätzlich kritisch zu bewerten seien.

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