„Ich habe nichts gegen das Hotel.“

23. April 2021
Reportage von Michael Praschma

Dass ein Schlachthof und ein Hotel ideale Nachbarn wären, bezweifelte der Kommentar vom 3. April recht deutlich. Wir sprachen mit Fritz Pöll darüber – aber auch über die aktuelle betriebliche Situation der alteingesessenen Fleischhauerei in der Bahnhofstraße.

Der Chef der Friedrich Pöll Gesellschaft m. b. H. und Co. KG wirkt nicht wie jemand, der das Licht seines Unternehmens unter den Scheffel stellt. Er weiß gut, was seine Kundschaft schätzt; er hat erst im November sechs Goldmedaillen für seine Produkte von einem internationalen Fachwettbewerb heimgetragen – und er hat Antworten auch auf kritische Fragen.

Vegetarier als Freunde des Fleischhauers?

Hier ist eine Branche, die durch hemmungslose Preisschlachten, ausländische Konkurrenz und erdrückende Auflagen mit dem Rücken zur Wand steht. So der Eindruck, wenn man etwa erfährt, dass von 1400 Metzgereien, die es 1960 in Wien gab, keine 10 Prozent überlebt haben. Fritz Pöll bestätigt auch, dass sich nur noch wenige Fleischhauereien den eigenen Schlachtbetrieb überhaupt leisten können. Warum kann er es dann?

Ein wesentlicher Faktor ist zweifellos, sich nicht allein auf ein Standbein stützen zu müssen. Die Fleischverarbeitung und -veredelung ist erfolgreich eingeführt und verkauft außer im eigenen Geschäft auch noch an Lebensmittelmärkte, die Gastronomie und im Catering. Der Schlachthof liefert zudem an den Großhandel.

Für Pöll ausschlaggebend ist aber das gestiegene Qualitätsbewusstsein, das durch die Corona-Pandemie noch einen Schub erfahren habe. Und er stimmt sogar seinem Berufskollegen Huber von der Biofleischerei Sonnberg in Unterweißenbach zu, der Vegetarier als seine Freunde bezeichnete. Absurd? Nein – offenbar bringen Vegetarier gar nicht so viele andere vom Fleischkonsum ab, sorgen aber dafür, dass Fleisch ethischer und qualitätsbewusster gekauft wird.

An diesem Punkt trifft sich die Entwicklung mit der Unternehmenspolitik des Vorchdorfer Traditionsbetriebs: Die Tiere, die Pöll geliefert bekommt, stammen aus einem Radius von maximal 15–20 Kilometern, häufig vom Landwirt verladen. Also wenig Transportstress. Bei der gesamten Schlachtung sorgen durchgehend drei Tierärzte für die Einhaltung aller Standards. Und die mäßige Größe des Betriebs bringt es mit sich, dass die Mitarbeiter „Allrounder“ sind, die nicht bloß abstrakte Kennzahlen für die Fleischqualität kennen, sondern auch noch ein Gespür für die Begutachtung mit dem Auge haben.

Ein Schlachthof ist kein Rosengarten …

Und was ist nun mit den Belästigungen für die Nachbarschaft? – Ja, es gibt sie, das ist kein Gerücht. Sondern ein Geruch, ziemlich eindeutig, und manchmal auch ein Lärm. Doch Fritz Pöll hat eine ganze Reihe von „Aber“ auf Lager. Auch wenn er nicht bestreitet, dass ein Schlachthof eben ein Schlachthof ist. Was eben auch bedeutet, dass es dort nicht nach Rosen duftet.

„Ich muss überlegen, wann wir die letzte Beschwerde gehabt haben“, sagt Pöll. 1–2 im Jahr seien es inzwischen nur mehr. Denn da ist einiges unternommen worden: Eine Lärmschutzwand, Anweisungen an die Fahrer, die Kühlung auszustellen, eine Kühlung für den Bluttank… „Von dem Tank kommt nichts mehr. Aber ich kann nichts tun, wenn der Wagen von der Tierkörperverwertung vorher warmes Blut aufgenommen hat. Wenn er damit bei mir auftankt, geht diese Luft eben nach draußen.“ Er will darauf hinwirken, dass die Touren bei ihm beginnen, denn von dem gekühlten Blut allein geht praktisch kein Geruch aus.

Wenn das Hotel „Freibadhotel“ wegen der Stellungnahme des Umweltanwalts weiter nach Norden rückt, würde das die Situation entspannen, meint Fritz Pöll. Der Wind würde eventuelle Geruchsbelästigungen wenn überhaupt, dann noch seltener dorthin tragen. „Nein, ich habe nichts gegen dieses Hotel.“

… und Belebung des Ortskerns ist kein Wunschkonzert

Produzierendes und verarbeitendes Gewerbe mitten im Ort war früher gang und gäbe: Werkstätten, Schmieden, Gerbereien… Es hat immer Dinge gegeben, die dabei „gestört“ haben. Doch mit dem Wegzug dieser Betriebe ist auch Leben im Ort verlorengegangen. Leben, das sich sogar „lohnen“ kann.

Denn die wöchentlich 150–200 selbst anliefernden Landwirte lassen auch wieder Geld in den örtlichen Geschäften und bekommen etwas von Vorchdorf mit, weiß Fritz Pöll. Und umgekehrt ist seine Schlachterei auch ein Rad im Getriebe, das es den Bauern im Gemeindegebiet und ein gutes Stück darüber hinaus ein bisschen leichter macht zu überleben, weil sie nicht allein von den Einkäufern großer Unternehmen abhängig sind. Die Regionalität eines Betriebes wirkt sich also auch auf Faktoren der Lebensqualität und der sonstigen Wirtschaft aus.

Hier, sagt Pöll, ist er sich seiner Position sicher. Den Schlachtbetrieb abtrennen und in ein Gewerbegebiet verlegen? Die Idee hat im Raum gestanden, berichtet er. Aber bei Grundpreisen von 100 Euro pro Quadratmeter? Und mit den hohen Investitionen für den jetzigen Standort, die längst nicht abgeschrieben sind? Das schaut eher nach einer Überlegung für die nächste Generation aus.

Links zum Thema:

Firmenwebsite der Fleischhauerei Pöll

Thema Transparenz in der Fleischindustrie: Wiener Zeitung vom 15.11.2020

Entwicklung des Fleischkonsums in Österreich: Der Standard vom 28.8.2020

Kritische Position zur (industriellen) Fleischproduktion: Global 2000

 

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