„Unser Dorf soll hässlich werden.“

3. Mai 2021

Mit legendären Sendungen über den lieblosen Umgang mit der Landschaft sowie der Bau- und Kulturgeschichte hat der bayerische Filmer und Autor Dieter Wieland ab den 1970er Jahren ein Fernsehwerk geschaffen, das auch hier in Vorchdorf und heute in der Klimakrise nichts an Aktualität eingebüßt hat – im Gegenteil.
„Ein Kahlschlag geht durchs Land: Begradigung, Bereinigung, Erschließung, Beschleunigung, Kanalisierung, Neuordnung, Verordnung, Verödung. Das Land wird hergerichtet, abgerichtet, hingerichtet. Am Ende bleibt nur das Korsett des öden Rasters, der Triumph des rechten Winkels: Serienlandschaft. ‚Neuordnung im ländlichen Raum‘, war das die Ordnung, die wir wollten?“
Es ist eine rhetorische Frage, die der 1937 geborene Dieter Wieland  in unverkennbarem Tonfall und einem seiner schier unzähligen Beiträge für den Bayerischen Rundfunk formuliert. Jener Instiution, deren Kulturabteilung Wieland ab 1964 aufbauen hilft. Mit Fernseh-Features, in denen er in ruhigem, ja fast melancholischem Ton die systematische Zerstörung der gewachsenen Dörfer und der kleinräumigen Kulturlandschaft im Bayern seiner Kindheit und Jugend beschreibt. Eine Zerstörung, wie sie auch in Oberösterreich mit dem Wirtschaftswunder beginnt – und die bis heute nicht wirklich aufgehört hat.
„Dem Land wurde nicht nur seine Schönheit geklaut, sondern auch sein natürlicher Reichtum“, sagt der Bewusstseinsbilder für Baukultur und Landschaft 2017 in einem Fernsehinterview zu seinem 80. Geburtstag: „Da musste ich was sagen.“

Nachträgliches Bombardement

So erlebt der studierte Historiker mit, wie die von den Zerstörungen des Krieges weitgehend unberührte Provinz mit den Mitteln der Modernisierung „nachträglich und bezahlt mit Steuergeldern bombardiert werden, weil das Alte mit einem Mal nichts mehr wert war.“
Auch in Vorchdorf können sich Ältere noch lebhaft an traditionelle Bauten erinnern, die verschwunden sind; an Wege, die verbreitert, begradigt und asphaltiert wurden – so wie der einst gepflastere Tanglberg.
Im TV prägt Wieland, der das Fernsehen als Medium der Aufklärung versteht, einen ganz persönlichen dokumentarischen Stil: Oft ist er selbst mit Bauherren, Fachleuten und Dorfbewohnern im Bild; zu hören bekommt man ihn jedoch meist nur aus dem Off.

Grün kaputt

So entstehen legendäre kurze Filme wie Grün kaputt aus dem Jahr 1983, zu dem Wieland auch eine Ausstellung konzipiert. Wie der Film beschreibt auch sie, wie menschlicher Lebensraum schrittweise zu einem zersiedelten, autogerechten und reiz- wie gesichtslosen Etwas wird. Dem hält Wieland den Reiz gewachsener, fußläufiger Altstädte und Ortskerne entgegen: „Da wollen doch alle hin. Das Neubaugebiet schaut sich keiner freiwillig an.“

In ein ähnliches Horn stößt Unser Dorf soll hässlich werden, das sich des maßlosen Neubaus in alten Bau- und Siedlungsstrukturen annnimt. Nahtlos schließt sich daran „Typisch deutsch“ – Das saubere Dorf  an.

„Unsere Enkel und Urenkel werden es büßen“

Jahrzehnte nach ihrer Erstausstrahlung hat Wielands Zivilisationskritik nichts an Aktualität eingebüßt. Sondern macht im Gegenteil gerade für jüngere Generationen anschaulich und nachvollziehbar, wie ihr Lebensraum zu seinem gegenwärtigen Look & Feel gekommen ist.
Als einer der Ersten denkt Wieland schon seinerzeit an die Folgekosten unseres Lebensstils für die Enkel- und Urenkelgeneration: „Wir sind Egozentriker und denken nur an uns. Wir leben in Saus und Braus, was uns nicht zusteht, und unsere Enkel und Urenkel werden es büßen müssen. Fläche spielt keine Rolle mehr für uns, und wir haben jeden Maßstab verloren. Im Moment zählt nur mehr das Geld.“

Worauf es ankommt

Doch mit der wohlfeilen Rolle des Kritikers und Mahners gibt sich Wieland nicht zufrieden. Immer wirbt er auch für Qualität und Angemessenheit, wie in seinem nicht minder legendären Film über Die große Kunst, ein kleines Haus zu bauen.


Wie man dörfliche Lebensqualität zurückgewinnen kann, zeigt sein ausgesprochen sehenswerter Film über Die Dorfstraße in Bayersoien, in der er nebenbei einen Satz mit Ewigkeitswert fallen lässt: Dass es, sinngemäß gesagt, immer auf das Herz und Hirn derer ankommt, die etwas anpacken – und weit weniger auf die Normen, Richtlinien und Dienstwege.

Tipp: Der zornige Filmpoet – Feature über Dieter Wieland

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