13. Mai 2021
Zweieinhalb Jahre vor Programmstart ist das Salzkammergut-Projekt Kulturhauptstadt Europas „Originale 2024„, an dem sich auch Vorchdorf beteiligt, an einem überaus spannenden Punkt angekommen: Vor gut einem Jahr wurde die kollektive Projektleitung im Team durch ein Intendantenmodell mit Stephan Rabl abgelöst, das zumindest mit dieser Besetzung scheiterte. Wie es weitergeht, wird maßgeblich an der neuen künstlerische Leitung liegen, die seit einigen Wochen gesucht wird. Mit der im Februar ausgeschiedenen 2024-Veteranin Heidi Zednik hat INVO.report über die Anfänge des Projekts ebenso gesprochen wie über die unerwartet turbulente Entwicklung.
Der Krach um Stephan Rabl ist österreichweit durch die Medien gegangen: Viele Beteiligte warfen dem kurzzeitigen Intendanten der in Bad Ischl und im Salzkammergut angesiedelten Kulturhauptstadt Europas 2024 mangelndes Feingefühl und Intransparenz vor. Darunter auch Bad Ischls Altbürgermeister Hannes Heide, der zusammen mit dem im vergangenen Dezember verstorbenen Klaus Wallinger (Kino Ebensee) einst für die Initialzündung des Mammutprojektes sorgte.
Heide war es auch, der die Ablöse des niederösterreichischen Kinder- und Jugendtheaterexperten Rabl offensiv und letztlich erfolgreich betrieb. Massiven Widerstand dagegen hatten die ÖVP-Bürgermeister von Gmunden, Gschwandt, Scharnstein und Vorchdorf geleistet, die Rabl unbedingt halten wollten. Als jedoch Gmundens Bürgermeister Stefan Krapf seine Meinung änderte und das Lager wechselte, erwies sich das Gewicht der Ortsvorsteher im nördlichen Salzkammergut als zu gering.
Einsamer Solist
Rabl musste gehen – und tat das ohne weiteren Kommentar. Gerüchten zufolge soll Rabl einzelnen Bürgermeistern Infrastrukturmittel aus dem Kulturhauptstadt-Budget zugesagt haben. Doch außer Rabl und den Bürgermeistern selbst weiß niemand nichts Genaues nicht: „Stephan Rabl hat darauf bestanden, alle Gespräche alleine zu führen, und hat nie jemand anderen mitgenommen“, erinnert sich Heidi Zednik, die in der öffentlichen Wahrnehmung zusammen mit ihrer Künstlerkollegin Petra Kodym und dem verdienten Festivalmacher und Kurator Gottfried Hattinger als eines der „Opfer“ von Rabl gilt. Als solches sieht sich die oberösterreichische Künstlerin und Kulturgestalterin – die so lange in den USA gelebt habt, dass ihr Deutsch dauerhaft englisch eingefärbt ist – aber gar nicht. Ganz im Gegenteil: Sie nimmt den gegangenen Intendanten in Schutz. „Ich habe immer gesagt, dass man Stephan Rabl nicht vorwerfen darf, dass er Stephan Rabl ist“, sagt Zednik, „er hat seinen Job mit Leidenschaft und totalem Engagement gemacht.“
Ein strukturelles Problem
Wo aber lag dann das Problem? „Am Wort Intendant“, ist Zednik, die im Jänner 2021 endgültig bei der Originale ausgestiegen ist, heute überzeugt. Denn die Geschichte der Kulturhauptstadt Europas 2024 ist von Anfang an eine Geschichte des gleichberechtigten Teamworks gewesen: Von der inhaltlichen Erarbeitung des sogenannten Bid Book über das Bewerbungsverfahren bis zu den ersten konkreten Umsetzungsschritten nach dem Kulturhauptstadt-Zuschlag für das Salzkammergut mit der Bannerstadt Bad Ischl – alles wurde von jenem kleinen Kollektiv geleistet, zu dem Heidi Zednik von Anfang an gehörte: „Diese Führungsstruktur war auch einer der Gründe, warum das Salzkammergut den Zuschlag bekommen hat“, betont die Künstlerin mit Atelier in Ebensee und Wohnsitz in Altmünster. Auch Gottfried Hattinger, ehemaliger Leiter des Festivals der Regionen, der lange nach Zednik zum Team kam, wollte das Kollektivprinzip nach kurzer Eingewöhnungsphase nicht mehr missen: „Gottfried wollte kein Chef mehr sein“, erinnert sich Zednik.
Dann aber kamen Corona und der erste Lockdown. Das 2024-Team ging in den Homeoffice-Modus. Als es daraus wieder zurückkehrte, war alles anders: Innerhalb weniger Wochen war die Organisationsstruktur wie von Zauberhand umgebaut worden: von einer kollektiven Führung zu einer Top-Down-Struktur mit künstlerischer und wirtschaftlicher Doppelspitze. Im European Capital of Culture in Brüssel stieß dies auf deutliche Kritik.
Umbau von Zauberhand
Wem die Zauberhand gehörte , weiß Zednik bis heute nicht: „Es war faszinierend, dieses Machtspiel zu beobachten, das innerhalb von ein paar Wochen über die Bühne gegangen ist.“ Als Motiv vermutet Zednik die „Angst vor dem Neuen und Ungewohnten“, wie es eine Teamleitung darstellt – und den Wunsch der Salzkammergut-Kommunen nach mehr Kontrolle und besserer Einflussmöglichkeit. Mit der Bestellung von Stephan Rabl war der Wunsch in Erfüllung gegangen und der alte Teamgeist kaputt.
Gottfried Hattinger zog sich als Erster zurück, Petra Kodym und Heidi Zednik – denen eine feste Anstellung bei der Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut 2024 GmbH verwehrt blieb – gingen später. „Es war wie eine Scheidung“, sagt Zednik, die heute wieder mit dem Projekt versöhnt ist, nachdem sie alle Phasen einer Trennung durchgemacht hat. „Letztlich habe ich akzeptiert, dass ich in eine solche Struktur nicht hinein passe.“
„Nett, aber unbequem“
Für die Zukunft der Originale ist sie optimistisch: „Ich habe die Kommunikationstour in Altmünster besucht und gefunden, dass die Geschäftsführerin Manuela Reichert das ausgezeichnet gemacht hat. Sie holt jetzt in Gesprächen mit den Bürgermeistern wieder alle Gemeinden ins Boot, und ich denke, dass die Originale ihr Ziel erreichen kann: nämlich, einen ganz großen Impuls für unser Zusammenleben in der Zukunft unter anderen Vorzeichen zu geben.“ Sie selbst, die wegen ihres Faibles für Klarheit und Gerechtigkeit als „nett, aber unbequem“ gilt, engagiert sich jetzt im Verein Kulturvision Salzkammergut. Das ist die Nachfolgeorganisation jenes Vereins, den das ursprüngliche Bewerbungsteam gegründet hatte und der heute einen Anteil von 5 % an der Kulturhauptstadt-GmbH hält – wodurch Heidi Zednik auch nach ihrem Ausscheiden in Sachen Originale noch immer ein kleines Zukunftswörtchen mitzureden hat.