„Politik ist eigentlich einfach, man muss nur den Leuten zuhören“

Liste-Vorchdorf-Spitzenkandidat Albert Sprung im Gespräch mit INVO.report

29. August 2021

Albert Sprung ist seit 2019 ordentliches Gemeinderatsmitglied, zuvor war er schon als Ersatzmitglied und im Sozialausschuss für die ÖVP aktiv. Zum Bruch zwischen ÖVP und ihm kam es im April 2020 wegen Unstimmigkeiten betreffend des Gesundheitszentrums. Im Gemeinderat blieb er dank persönlichem Mandat trotzdem. Im Herbst kandidiert er mit eigener Liste auch als Bürgermeister.

Wir beginnen damit: Was war für dich ein entbehrlicher oder unsinniger Beschluss in den letzten 6 Jahren?

Da gibt es mehrere. Einer ist die Herangehensweise beim Altenheim. Da wurde eine riesige Fläche verbaut, was so mit Sicherheit nicht nötig gewesen wäre. Außerdem hätte man das sicher auch so lösen können, dass am gleichen Standort gebaut wird, der Altbau aber bis zur Fertigstellung stehen bleibt. Das wäre eine unglaubliche Erleichterung für Bewohner und Bewohnerinnen, Angehörige und auch für das Personal gewesen.
Der zweite Beschluss betrifft die Verabschiedungshalle. Einen Architekturwettbewerb für einen Standort auszuschreiben, auf den man gar keinen Zugriff hat, ist schon grob fahrlässig. Die Kosten sind zu einem großen Teil durch die notwendige Umplanung und die entstandene Verzögerung explodiert.
Das dritte absurde Projekt ist das Gesundheitszentrum bzw. das „Ärztezentrum ohne Ärzte“, wie ich es gerne nenne, das einen jährlichen Verlust von € 100.000,- macht. Wenn die Gemeinde Unternehmer spielen will, dann sollte sie das wenigstens ordentlich machen.

Was ist das, was die Liste Vorchdorf inhaltlich von den anderen Parteien unterscheidet?

Wir garantieren einen Kassasturz – thematisch und finanziell.
Das ist notwendig, um für Vorchdorf den Hebel an der richtigen Stelle anzusetzen. Wir werden mit Sicherheit nicht alles abdrehen, aber uns alles genau anschauen.
Vorchdorf ist seit dem letzten Jahr eine Abgangsgemeinde. Wir brauchen also mehr Geld, als wir einnehmen. Im Moment ist auf Grund der Corona-Situation keine Sanktion seitens Land damit verbunden. Sollte sich das wieder ändern, büßen wir dadurch enorm viel Gestaltungsfreiheit ein. Dem sollten wir schleunigst entgegenwirken.
Was uns sonst noch unterscheidet, ist der sehr große Frauenanteil. Unter den ersten 11 Kandidat*innen sind bei uns mehr als die Hälfte Frauen. Außerdem sind wir ein junges Team.
Für mich ist es außerdem enorm wichtig, mit den Vorchdorfer*innen im Austausch zu bleiben – das ist gut für die Projekte.

Wie wollt ihr diesen Kassasturz, der für euch an erster Stelle steht, konkret angehen?

Wir werden die Finanzen analysieren. Mit Planung, Budgetierung und Controlling kenne ich mich ganz gut aus, ich habe einige Zeit in einer Steuerberatungskanzlei im Bereich Planung, Budgetierung und Controlling gearbeitet. Da muss man bei einigen Projekten gegensteuern. Ich werde mir einen Überblick über die Projekte verschaffen, die gerade in Planung und Umsetzung sind, um herauszufinden, was welchen Status hat. Vielleicht macht es Sinn, das eine oder andere noch zu stoppen.

Wodurch könnte der Gemeinderat wieder zu einem konstruktiven Gremium werden?

Bisher hat vor allem Gunter Schimpl die Entscheidungen mit einem sehr kleinen Kreis von Eingeweihten getroffen. Ideen von anderen Fraktionen sind nur selten aufgegriffen worden. Das muss sich ändern. Es müssen wieder alle eingebunden werden, dann kann das mit der Zusammenarbeit wieder funktionieren. Außerdem bin ich dafür, dass diejenigen, die etwas einbringen, es auch umsetzen können sollten, wenn sie das wollen. Dann gibt’s auch keinen Ideendiebstahl oder die Situation, dass jemand anderer die Lorbeeren dafür erntet.
Der Ideenfindungsprozess nach der Wahl wird jedenfalls essenziell für die Zukunft sein. Außerdem gehört die Bevölkerung gefragt, was die davon halten.

Vorchdorf wird in naher Zukunft kaum finanziellen Spielraum haben – wo könnte gespart werden, und wo macht es Sinn zu investieren?

Ich würde sofort das Therapeutenzentrum – weil Ärztezentrum ist es ja keins geworden – zusperren. Damit hätten wir auf einen Schlag mehr als € 100.000,- im Jahr eingespart. Aber letztlich ist unser Ziel ein ausgeglichener Haushalt, kein kaputtsparen. Investieren würden wir in Projekte für Familien, für Jugendliche und für Kinder, egal ob das ein ordentlicher Spielplatz ist oder ein Pumptrack. Ich weiß nicht, wie,viele man davon mit € 100.000,- umzusetzen könnte, sicher ein paar.
Im Grunde ist Politik ja ganz einfach. Man muss den Leuten nur zuhören, was sie sich wünschen und was ihre Anliegen sind. Natürlich, wenn man Kinder in dem Alter hat, ist man näher dran, aber man erfährt das auch, wenn man mit den Leuten redet.
Es gibt auch ein paar Straßenübergänge, da gehört unbedingt ein Zebrastreifen hin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es am Land jemanden gibt, der oder die da etwas dagegen haben könnte, und wenn doch, kann man sicher entsprechend Druck machen…

Die Parteienlandschaft in Vorchdorf wird bunter. Was erwartest du dir für die nächste Legislaturperiode?

Mit fast 300 Unterstützern, die unterschrieben haben, und 74 Kandidaten auf unserem Wahlvorschlag sind wir mit ziemlicher Sicherheit im Gemeinderat. Alles andere ist schwierig vorherzusehen. Jedenfalls treten wir an, um den Bürgermeister zu „knacken“. Dann könnten wir für die Vorchdorferinnen und Vorchdorfer tatsächlich etwas weiterbringen. Es gibt eine Menge guter Ideen. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir die laufend präsentieren.

Erwartest du im Gemeindrat eine Rückkehr zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit?

Wir werden jedenfalls allen Fraktionen die Hand reichen, um konstruktiv für Vorchdorf zu arbeiten. Unser Antrag zum Thema „leistbares Wohnen“ wurde ja einstimmig im Gemeinderat beschlossen, aber in den letzten Monaten sind auch viele unserer Anträge abgelehnt worden: zu Sicherheit im Straßenverkehr, zu Transparenz und zu Meinungsfreiheit. Die letzte Gemeinderatssitzung, die schon Hans Mitterlehner geleitet hat, war extrem schwach geführt worden, obwohl sie eigentlich nur drei Tagesordnungspunkte hatte. Er tritt außerdem an, um sich während der kommenden Periode von einem Parteikollegen ablösen zu lassen. Was ist das für eine Ansage?
Ich könnte mir außerdem vorstellen, einen Bürgerrat zu installieren, aber da muss ich mich erst genauer erkundigen, wie so etwas funktionieren könnte – da gibt es ja gute Beispiele in Vorarlberg.
Bevor ich’s vergesse: Eines möchte ich noch betonen; wir arbeiten nicht mit Herrn Edtmeier zusammen. Unsere Werbung, unsere Plakate, unsere Presseaussendungen und unsere Wortmeldungen im Gemeinderat machen wir ganz allein. Das kommt von unserem Team, von den Leuten, die bei uns mitarbeiten. Das ist viel authentischer. Wir müssen uns nach keinem richten, nach Linz nicht und nach Wien auch nicht. Das ist sicher der Vorteil der Liste Vorchdorf, wenn man sich einzig nach den Bedürfnissen in Vorchdorf richten kann.

3 Gedanken zu „„Politik ist eigentlich einfach, man muss nur den Leuten zuhören“

  1. Arm.In.Wolfff

    (Name ist der Redaktion bekannt.)
    Sehr geehrter Herr Sprung, für mich ein spannendes Interview mit sehr klaren Aussagen. Ich habe ja erst durch den INVO.report begonnen, mich genauer mit der lokalen Politik auseinanderzusetzen. Dass Vorchdorf kritische Geister benötigt, zeigt ja diese Plattform und die zwischenzeitlich unzähligen Berichte, die leider sehr oft nur durch Geldverschwendung, nicht vorhandene Planung sowie desaströse Abwicklungen glänzen. Für mich völlig unverständlich, dass hier niemand ernsthafte Konsequenzen zu spüren bekommt. Die klassischen Parteien scheinen dem endlich abtretenden Bürgermeister wohl jahrelang nur blind oder zumindest mit Scheuklappen gefolgt zu sein. Dinge kritisch zu hinterfragen anstatt einfach immer nur die Hand mit zu heben, wäre da und dort mehr als angebracht gewesen. Hier braucht es wohl wirklich eine unabhängige Opposition, die Missstände aufzeigt und ggf. auch den Finger auf die Wunden legt. Diese Unabhängigkeit Ihrer Liste gefällt mir und ich finde, es sollte sich ausreichend Platz im Gemeinderat dafür finden. Bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl geht es mir ja ausschließlich um den Ort und nicht um das (Bundes)Land! Bei der Landtagswahl kann ich ja durchaus einer Altpartei meine Stimme spenden (auch eine wirkliche Herausforderung, aber das ist eine ganz andere Geschichte …). Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Ausdauer im Abwehrkampf gegen die unglaublichen Missstände und viel Kreativität für sinnvolle Projekte. Das Schöne daran ist ja, dass Vorchdorf dafür jede Menge Möglichkeiten bietet.

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  2. Albert Sprung

    Vorab möchte ich betonen, dass die Therapeuten im Vorchdorfer Gesundheitszentrum wirklich hervorragende Arbeit leisten!

    Das ändert aber leider nichts an der Tatsache, dass die Gemeinde Vorchdorf für dieses Projekt alleine im Jahr 2020 118.000 Euro an Verlusten („Abgangsdeckung“) verabschiedet hat sowie für das kommende Jahr bereits mit einem zusätzlichen Abgang von weiteren 106.500 Euro rechnet.

    Um die wahre Dimension dieses Defizits erfassen zu können, muss man nur die einzelnen Positionen, also die Einnahmen und Ausgaben, gegenüberstellen: Ausgaben von 136.500 Euro stehen Einnahmen von gerade einmal 30.000 Euro gegenüber! Anders ausgedrückt bedeutet das, dass man die Einnahmen schlichtweg verfünffachen (!!!) müsste, um ein positives Ergebnis zu erwirtschaften!

    Man braucht über kein betriebswirtschaftliches Detailwissen zu verfügen, um sofort zu erkennen, dass das im Bereich des Unmöglichen liegt!

    Die Verantwortlichen für dieses Desaster, allen voran die aktuelle Politspitze in Vorchdorf, spielt hier auf unsere Kosten Unternehmer, mit dem fatalen Ergebnis, dass bis heute rd. 500.000 Euro für das Projekt „Gesundheitszentrum“ verabschiedet wurden. Das wirklich Tragische daran ist, dass absolut keine Besserung in Aussicht ist und somit kein Ende der massiven Verluste! Da sich ja schon bisher alle Planzahlen als falsch erwiesen haben, ist zu befürchten, dass die budgetierten Verluste noch höher ausfallen könnten.

    Ein Projekt, das derartige Verluste verursacht, kann einfach nicht im öffentlichen Interesse sein! Die Konsequenz muss sein, hier rasch zu reagieren und das Gesundheitszentrum in der jetzigen Form umgehend zu schließen, zumal die Gemeinde die Mittel für unzählige andere Vorhaben benötigt, die dann aber für die gesamte Bevölkerung sicht- und spürbar sind. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

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  3. Reimund Nikelski

    Vielen Dank INVO.report für dieses Interview.
    Interessant für jeden Gemeindebürger zu lesen, wie der Kandidat so tickt.
    Ich kann es kaum erwarten, weitere Präsentationen der Liste Vorchdorf zu hören und zu lesen.

    P.S. Die Wahlplakate und Ständer der Liste sollten aber unbedingt noch mehr werden,
    sonst wird das NICHTS !

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