Gemeinderats-Videos nur, wenn alle einverstanden sind?

16. Februar 2022

Hier kochten vereinzelt die Emotionen hoch. Der Gemeinderat diskutierte, ob die Sitzungen künftig im Internet übertragen werden sollen. Dass es dazu eine individuelle Zustimmung der einzelnen Mandatar*innen braucht, schien manchen zwingend – Stichwort Persönlichkeitsschutz und Recht am eigenen Bild. So allgemein stimmt das aber nicht.

Anlass der Debatte am 8. Februar war ein Antrag der Liste Vorchdorf: Ein Grundsatzbeschluss sollte die entsprechenden Schritte einleiten, damit Sitzungen des Gemeinderats live im Internet übertragen werden und für eine begrenzte Zeit auf der Gemeinde-Website abrufbar sind.

Gemeinderatssitzung

Bald auch im Video? – Konstituierende Sitzung des Gemeinderates 2021 (Foto: Willi Hitzenberger)

Bedenken gab es dazu etliche: Die Einhaltung von Persönlichkeits- sowie Bild-und Tonrechten sei dabei nicht gewährleistet, auch nicht, wer im Bild gezeigt werden dürfe. Einfach zu filmen, ohne die Gemeinderäte zu fragen, das ginge nicht, und eine Speicherung der Aufzeichnung sei laut Gemeindeordnung auch nicht möglich. Dass Albert Sprung (Liste Vorchdorf) für eigene Zwecke – und wie er versicherte, ohne Veröffentlichungsabsicht – eine Videoaufzeichnung vornahm, sorgte vereinzelt für helle Empörung: Dies müsse von jeder Person, die im Bild ist, erlaubt werden!

Erlaubt ist nicht alles – doch mehr, als manche meinen

Videaufzeichnungen etwa aus dem Nationalrat oder dem Landtag sind längst selbstverständlich. Sie zeigen das Redepult, aber auch das Plenum und das Verhalten einzelner Abgeordneter. Und sie bleiben gespeichert. Die Oö. Gemeindeordnung erlaubt seit 2018 die „Übertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen durch die Gemeinde im Internet“. Nur das Publikum darf nicht ins Bild. Bereits zuvor war es zulässig, Ton- und Bildaufzeichnungen zu machen.

Diese Berechtigungen wären widersinnig, wenn sie generell noch einmal von jedem einzelnen Mandatar „erlaubt“ werden müssten. Das ergibt sich auch klar aus den Überlegungen der entsprechenden Regierungsvorlage zur Änderung der Gemeindeordnung (S. 21–23). Gerade damit wollte der Landtag nämlich die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dem Datenschutz gerecht zu werden, denn:

„Indem … nur der Beratungs- und Beschlussfassungsprozess als solcher, der die Debatte sowie das Abstimmungsverhalten der an der Gemeinderatssitzung mitwirkenden Personen umfasst, gefilmt und übertragen werden darf, bestehen hinsichtlich der datenschutzrechtlich erforderlichen Interessenabwägung und dem Gebot des gelindesten Mittels jedenfalls keine Bedenken.“

Natürlich können aus datenschutzrechtlichen Gründen einzelne Teile z. B. anonymisiert werden. Das betrifft aber, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, sicher nicht Äußerungen oder das Verhalten von Mandatar*innen bei der Sitzung.

Das Recht am eigenen Bild hat Grenzen

Auch Politiker*innen dürfen nicht in jeder Situation ungefragt gefilmt oder fotografiert werden, wenn das dann öffentlich wird. Aber z. B. als Gemeinderäte während einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ist ihre Zustimmung nicht erforderlich, wenn ein berechtigtes Informationsbedürfnis besteht. Genau das ist aber spätestens durch den Willen des Gesetzgebers, die Übertragung der Sitzungen zuzulassen, gegeben.

Im Landtag sind Ton- und Bildaufnahmen durch Zustimmung des Ersten Präsidenten bzw. der Präsidentin erlaubt. Das wird regelmäßig auch auf die gespeicherten Aufzeichnungen bezogen. Hier herrscht allerdings die Praxis, dass von allen Abgeordneten zum Beginn der Periode eine Zustimmung eingeholt wird. Diese wurde aber bisher nie in auch nur einem Fall verweigert. Ob nun diese Zustimmung rechtlich tatsächlich erforderlich ist, kann auch die Landtagsdirektion nicht sagen.

Unzulässsig wird die Sache allerdings stets dann, wenn etwa die Intimsphäre einer Person z. B. durch extreme Nahaufnahmen verletzt wird. Was erlaubt ist oder nicht, ist eine Frage der Interessenabwägung im Einzelfall. Jedenfalls gelten hier andere Maßstäbe als bei Privatpersonen oder auch bei Politiker*innen innerhalb ihrer Privatsphäre – zu der eine öffentliche Veranstaltung aber nicht gehört.

Nur Livestream oder auch Speicherung für später?

Das Internet vergisst nicht – Befürchtungen in diese Richtung gab es auch bei der Diskussion über die Idee, die Videoaufzeichnungen sollten abrufbar bleiben. Allerdings kann ja auch eine ausschließliche Live-Übertragung am Computer gespeichert werden – und manipuliert! Das ist bei der „offiziellen“ Speicherung nicht zu befürchten.

Der Gesetzestext und die Beratungsunterlagen des Landes geben zu der Frage nichts her. „Übertragung im Internet“ muss nicht heißen: ausschließlich live! Hätte der Landtag Letzteres gemeint, würde es so im Gesetz stehen. Denn die Abgeordneten kennen ja die eigene Praxis im Landtag genau. Und dort stehen die Videos ab 2007 bis heute zur Verfügung.

Der Antrag der Liste Vorchdorf wurde übrigens mehrheitlich vertagt.

Kommentar: Informationsfreiheit und Datenschutz sind ein klassischer Gegensatz. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man einem Privatmenschen sagt, er solle sich nicht so anstellen; erhabe doch  nichts zu verbergen: Er hat das Recht, sich „so anzustellen“. Ein demokratisch gewähltes Gremium wie der Gemeinderat sollte allerdings generell nichts zu verbergen haben, zumindest solange es in öffentlichen Sitzungen Thema ist.
(Michael Praschma)

Ein Gedanke zu „Gemeinderats-Videos nur, wenn alle einverstanden sind?

  1. Franz Steinhaeusler

    Sehe da auch kein Problem. Es ist ja keine private Party, sondern wo Verantwortliche öffentliche Diskussionen austragen und Entscheidungen getroffen werden. Denke, die Bürger haben das Recht, hier das transparent miterleben zu können.

    Ich würde mich zwar auch nicht unbedingt wohlfühlen dabei, aber denke, als Politiker, Gemeinderat etc. sollte man das als öffentliche Person aushalten müssen, gefilmt zu werden.

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