Generationencampus – oder eher Gewinn für Investoren?

3. März 2022

„Generationencampus“, „Xundheit“, „Gesundheitsdienstleistungszentrum“…. das haben viele Vorchdorferinnen1 schon gehört. Aber was bedeutet das? Wie funktioniert es, wenn mehrere Generationen zusammenleben? Und wieso macht Vorchdorf Werbung für einzelne Therapeutinnen? Hier ein Versuch, der Sache auf den Grund zu gehen.

Das gesamte Grundstück gegenüber dem Bezirksseniorenheim wurde 2015 an die Gemeinde Vorchdorf verkauft. Laut FPÖ hatte die Verkäuferin die Erwartung, dass ein sozialer Bau mit Gesundheitseinrichtungen und Sozialwohnungen entstehen sollte. Im Juli 2017 hielt man in einer Gemeinderatssitzung fest: Als Funktionseinheiten des Generationen-Campus Vorchdorf sind ein Gesundheitsdienstleistungszentrum (GDZ), bedarfsgerechte Wohnungen sowie ein „Mehr-Generationen-Raum“ vorgesehen.

Die Marktgemeinde Vorchdorf hat dieses Areal angekauft, alles darauf fachgerecht abgerissen und baureif gemacht. Aus einer Ausschreibung und Projektpräsentation mit Hearing ging eine Art Projektkonsortium mit drei Partnern als Sieger hervor – mit anspruchsvollen sozialen Leitzielen, nämlich „neben Selbstverständlichkeiten wie barrierefreies Design und bedarfsgerechtes Wohnen ein innovatives soziales Konzept zur Entwicklung der Gemeinschaft, dem Aufbau von Synergieeffekten zwischen den MieterInnen und der Integration der umliegenden Vorchdorfer Nachbarschaft“.

Interessant ist der Vergleich dieser Leitziele von Syncare mit den schon etwas bescheideneren Projektdarstellungen der beiden anderen Partner Trio und Arinco bis hin zur von der Gemeinde betriebenen Website des jetzigen Generationencampus‚.

Was ist heute von diesen drei Bereichen Gesundheitsdienstleistungszentrum (GDZ), bedarfsgerechte Wohnungen sowie ein Mehr-Generationen-Raum übrig?

Zum Bereich bedarfsgerechte Wohnungen meldet Stöttinger Immobilien, dass die 24 Zwei- und Dreizimmerwohnungen barrierefrei erreicht werden können. Als Besonderheit wird hervorgehoben, dass ein eCar zur allgemeinen Verfügung bereitsteht. Inwieweit dieses auch genutzt wird oder nur Betriebskosten verursacht, ist zu hinterfragen. Weitere „innovative Wohnideen“, besonders im Sinne eines Generationencampus sind bisher nicht auszumachen. Das betreubare bzw bedarfsgerechte Wohnen zur Miete ist anscheinend einem reinen Eigentumswohnungsprojekt gewichen.

Im Mehr-Generationen-Raum ist Roswitha Mörl mit einem Rückentherapie-Center eingemietet. Dieser steht also nicht zur Belebung des geplanten Mehr-Generationen-Miteinanders zur Verfügung.

Der spannendste Bereich ist das Gesundheitsdienstleistungszentrum: Die Gemeinde Vorchdorf hat zehn Therapieräume und einen Geräteraum gemietet und eingerichtet, konnte aber weder Ärztinnen noch Therapeutinnen als fixe Mieter gewinnen. Die Lösung sollte die Firma Xundheit sein, die an vier Standorten Praxen für Kassen- und Wahltherapien betreibt. Xundheit wollte aber Vorchdorf nicht als eigene Praxis betreiben, sondern bot der Gemeinde ein Franchisekonzept an. Vorchdorf ist bisher die einzige Franchisenehmerin.

Klientinnen können mit bislang acht Therapeutinnen über ein Buchungssystem Termine vereinbaren. Die Bezahlung der Therapeutinnen erfolgt durch die Sozialversicherung oder durch die Klientinnen. Die Gemeinde Vorchdorf rechnet die gebuchten Stunden mit den Therapeutinnen ab. Die Gemeinde hat hier also keine fixen Mieteinnahmen, sondern ist direkt von der Auslastung abhängig.

Das geplante Gesundheitsdienstleistungszentrum (GDZ) wird also mangels anderweitiger Player von der Gemeinde als Unternehmerin im Franchise betrieben. Die Firma Xundheit hatte offenbar keinen Glauben an eine wirtschaftliche Nutzung wie an ihren anderen Standorten. Die Gemeinde trägt somit alle Einrichtungskosten, zahlt Miete, Franchisegebühren etc.

Laut Liste Vorchdorf beläuft sich die Summe der verabschiedeten Ausgaben mittlerweile auf € 561.960 brutto, davon alleine € 315.400 Abgangsdeckung aus dem operativen Betrieb. Die Einnahmen wurden 2020 und 2021 jeweils mit € 30.000 budgetiert. 2020 wurden knapp € 6.500 tatsächlich eingenommen. Ob zukünftig – ohne Pandemie-Einschränkungen – mehr drin sein wird, muss sich erweisen. Doch selbst die budgetierten Einnahmen wären bei weitem nicht kostendeckend.

Für Gemeindebürgerinnen stellt sich also die (Sinn-)Frage, ob entweder

  • das GDZ in absehbarer Zeit zumindest alle Aufwendungen wieder einbringt, oder
  • wir alle für die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für einzelne Therapeutinnen große Summen aufwenden sollen.

Als Ausstiegsszenario käme eine Kündigung des Mietvertrags (mit 30. Juni möglich), des Franchisevertrags und anderer eventueller Verträge (Web Generationencampus) infrage.

1 Männer sind immer mitgemeint.

 

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