Keine Frage der Ehre: Ehrenfeld II und der Mangel an Unrechtsbewusstsein – Chronologie einer Spekulation

13. Mai 2022

Etwas, an dem die Wirtschaft krankt, ist die fortschreitende Verwandlung der Unternehmer in Spekulanten. (…) Er nutzt aus, er benutzt das Unternehmen und die Arbeiter, um Profit zu machen. (…): Das bereitet ihm keine Probleme, denn der Spekulant benutzt, instrumentalisiert, »frisst« Menschen und Mittel für sein Ziel, den Profit.
(
Papst Franziskus im Mai 2017 in Genua)

Über das Betriebsbaugebiet Ehrenfeld II in Ohlsdorf und dessen Implikationen für Vorchdorf berichteten wir ja schon am 20. Februar dieses Jahres. Anfang März erreichte die Aufregung rund um die gerodeten 18 ha Wald in Ohlsdorf und den (Alt-)Industriellen Hans Asamer eine neue, weitere Eskalationsstufe. Und da auch die Beziehungen zu Vorchdorf vielfältig gegeben sind (INKOBA-Gemeinschaft, Wiederaufforstungskompensation für Ohlsdorfer Rodung in Vorchdorf), widmen wir uns ein weiteres Mal diesem Thema.

 

Was vor dem März geschah

Viele werden sich erinnern: Der vermeintlich ehemalige Industrielle und Bürgermeister von Ohlsdorf, Hans Asamer, kaufte von den Bundesforsten und einer Wirtsfamilie 18 Hektar Waldfläche, bemühte sich 2020 erfolgreich um deren Umwidmung zu Betriebsbaugebiet durch die örtliche Bauinstanz und veräußerte das – nun als Projekt Ehrenfeld II bezeichnete – Areal nach der Rodung umgehend wieder an die belgische Betriebsansiedlungsfirma VGP Group Van Geet.

Zahllose Unstimmigkeiten und viele Kritikpunkte

Verbunden damit wurden eine Reihe Kritikpunkte laut, die seither die Öffentlichkeit wie auch die Landes- und die Bundespolitik beschäftigen. Unter anderem hatte man mit der Rodung begonnen, noch bevor die verpflichtenden kompensatorischen Ausgleichsflächen für die Aufforstung feststanden.

Viel schwerer wiegt, dass es unter den vielen benötigten Verfahren für die Umwidmung auch eine Reihe negativer Stellungnahmen offizieller Behördenstellen gegeben hatte. Damit unzufrieden, gab die Gemeinde Ohlsdorf kurzerhand ein privates Gegengutachten in Auftrag. Finanziert wurde dieses von Hans Asamer selbst und es gelangte zum erwartbaren Ergebnis: Sowohl Ohlsdorf als auch die Bezirksbehörde und nicht zuletzt das Land OÖ stellten danach der Widmung und Rodung des 25 Fußballfelder großen Areals einen positiven Bescheid aus. Sie alle folgten damit offensichtlich den privaten statt den öffentlichen Interessen gehorchenden GutachterInnen.

Und auch die Bundesebene geriet in die Kritik, weil die Bundesforste (ÖBf) doch eigentlich zum Erhalt von Natur und Waldfläche schon von Gesetzes wegen angehalten wären. Denn was Hans Asamer nicht vorgeworfen werden kann: Die Optionsverträge, die er sich seitens der ÖBf gesichert hatte, machten von vorneherein kein Geheimnis daraus, dass der Wald von Seiten des neuen Besitzers weder er-halten noch das Grundstück be-halten werden sollte. Auch den ÖBf musste mithin unmissverständlich klar sein, dass es hier nicht um einen „dringenden Bedarf“ seitens der Firma Asamer ging, sondern um die Entwicklung und Aufschließung eines riesigen Areals zum Zwecke schnöden finanziellen Gewinns.

So weit, so bekannt. „Bei Waldverkäufen sind wir in Zukunft vorsichtiger”, sagte Bundesforste-Vorstand Schöppl inzwischen. Aber es ist ja nicht der Mangel an Vorsicht, sondern der Mangel an verantwortungsvollem Umgang mit der Ressource Natur und dem Volksvermögen, was vielen BürgerInnen sauer aufstößt. Vorsicht in diesem Kontext würde ja wohl nur heißen, noch geheimer, den Deal also auf noch verschlungeneren Pfade abzuwickeln.

Neue Vorwürfe seit der Rodung: Land OÖ ermittelt gegen Hans Asamer, der das Offensichtliche leugnete, zumindest vorerst

Anonyme Hinweise aus der Bevölkerung führten seit der umstrittenen Rodung sogar zu Ermittlungen durch das Land OÖ. Hans Asamer wird bezichtigt, illegal Schotter abzubauen. Der Vorwurf kann nicht als Kavaliersdelikt abgetan werden, denn über weite Teile von Ehrenfeld II sind laut OÖ. Umweltamt bis zu 6 Meter Schotter abtransportiert worden. Allein in den Semesterferien sollen laut Beobachtern 50.000 Kubikmeter in Schottergruben verbracht und dort gewerblich verarbeitet worden sein.

Vordergründig steht hierbei der Vorwurf im Raum, Kies werde als ein ”Abfallprodukt” des technischen Aufschließungsprozesses rechtswidrig zur Betonherstellung verwendet und so versilbert. Der Verdachtsfall lässt sich indes nicht allein auf illegale Bereicherung beschränken. Denn eine solche Vorgehensweise wäre laut Umweltamt nach Baurecht und Bergrecht gesondert prüfpflichtig, da die Schotterqualität ja auch die Betonqualität bedingt.

Umweltanwalt Martin Donat übte daher heftige Kritik: „Das Projekt bewegt sich in einem Bermuda-Dreieck aus Forst-, Bau- und Bergbaurecht.” Diese Grauzone müsse beseitigt werden. Grundsätzlich könne nach einer Prüfung der Schotter auch rechtmäßig als Produkt für die Betonherstellung genutzt werden. „Hier hätte man sich aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung erspart”, konnte Donat seinen Ärger gegenüber der OÖN nicht mehr zurückhalten.

Pikant ist zusätzlich, abseits des mutmaßlichen Rechtsbruchs, dass Hans Asamer die Verwendung des abgetragenen Kieses zur Schotterherstellung heftig bestritten und behauptet hatte, dieser werde nur zwischengelagert, zur Verwendung von Schüttmaterial bei künftigen Baustellen.

Tags darauf und wohl wegen der Beibringung weiteren belastenden Materials, räumte jedoch der Geschäftsführer der mit der ”Baureifmachung” beauftragten Firma Asamer Kies- und Betonwerke, Michael Stur, ein, dass das Material auch für die Betonherstellung verwendet werde. „Unserer Auffassung nach kann der Kies, der bei der Baureifmachung anfällt, problemlos für die Betonherstellung verwendet werden”, so Sturs Kommentar gegenüber den OÖN.

Woher rührt der Sinneswandel? Warum wurden Fakten geleugnet?

Woher der Sinneswandel rührt und warum zuvor Tatsachen geleugnet wurden, blieb und bleibt seither unbeantwortet. Erst recht von Hans Asamer.

Viele wundern sich, warum in solch entscheidenden Fragen Genehmigungspflichten nicht von vornherein verbindlich und unmissverständlich geregelt sind, was offenbar ja auch der Rechtsmeinung des Umweltamtes entspricht, formuliert in der ebenso einfachen wie klaren Weise: Um den Schotter wie in einer gewerblichen Schottergrube als Produkt abzubauen, das etwa zur Herstellung von Beton verwendet werden darf, wäre eine Abbau-Genehmigung notwendig.

Da, wie erwähnt, Asamers Rechtsauffassung eine andere ist, wurde das Unternehmen um eine Stellungnahme gebeten, anhand derer das Umweltamt im Anschluss prüfen wollte, ob alle Auflagen eingehalten, ob alle rechtlichen Vorgaben erfüllt wurden. Diese Stellungnahme dürfte inzwischen eingegangen sein und derzeit zur Prüfung bei den Behörden liegen. Eine Entscheidung sollte demnächst fallen.

UVP als mutmaßlicher Dreh- und Angelpunkt

Warum aber hatte Hans Asamer diese Verwendung zuvor bestritten? Der Verdacht liegt nahe, dass stimmt, was in der Umweltanwaltschaft vermutet wird: Hans Asamer habe sich die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sparen wollen, deshalb war er unehrlich und das ist zunächst unfair gegenüber all jenen, die regulär und also genehmigten Schotterabbau betreiben. Unfair und Unrecht ist und bleibt es aber auch der Natur und Umwelt gegenüber!

Würde die nun laufende Prüfung durch die Umweltabteilung des Landes OÖ für Asamers Schotterabbau eine UVP-Genehmigungspflicht ergeben, so würde wohl über das Gebiet ein Baustopp verhängt werden, bis die Prüfung umweltrelevanter Fakten der UVP abgeschlossen wäre.

Für den Projektbetreiber Asamer wäre das vermutlich der worst case, ein Fall, der jedenfalls vermieden hätte werden sollen, also ein Unfall, der einen Verfall des maximalen Gewinns durch Zeitverlust bedeutet hätte. Und das bei offenem Ausgang des Prüfverfahrens.

Denn eine UVP bedeutet zunächst vor allem die viel gründlichere und vertiefte Prüfung der Auswirkungen eines Projektes auf die Umwelt, woraus naturgemäß eine markant längere Untersuchung folgt: eine Verlängerung bis zu einem Jahr wäre möglich, zusätzlich belastet würde das durch das durchaus offenes Ende des Prüfverfahrens. Weil nach Ökonomen-Lesart bekanntlich Zeit gleich Geld ist, wünscht sich ein solches Verfahren vermutlich kein Projektentwickler, erst recht nicht, wenn dieses so spekulativ angelegt wurde wie Ehrenfeld II: Da gilt es, jedem Risiko möglichst aus dem Weg zu gehen.

In diesem Verständnis muss es als nachvollziehendes Kalkül verstanden werden, dass das Projekt eine Widmungsgröße im Ausmaß der vielfach kolportierten 18ha umfasste, denn eine UVP-Pflicht besteht laut Umweltanwaltschaft vereinfacht gesagt erst ab einer Widmungsgröße von 20 ha. Ein Schelm, wer an einen Zufall glaubt: Erst recht aber irritierte uns im Zuge unserer Recherchen, dass die Größe des projektierten Areals auf der Website von Hans Asamers Sohn Kurt Asamer nicht mit 18, sondern 19ha ausgegeben wird.- Da dürften wohl die Marketing- und die Rechtsabteilung des “Pensionisten“ Asamer mangelhaft mitsammen kommuniziert haben.

Wessen Projekt aber ist ”Ehrenfeld II” eigentlich?

Pardon, verlesen? Ist Ehrenfeld II nun das Projekt von Vater Hans oder Sohn Kurt Asamer? Offenbar eine weitere der unzähligen Ungereimtheiten, denn Kurt Asamer selbst beschreibt auf seiner Homepage ”Ehrenfeld II” als eines von 15 eigenen Projekten der Kurt Asamer Beteiligungs- und Management GmbH, mit den ebenso nüchternen wie kurzen Worten: „Gewerbeimmobilien Projekt: Ankauf, Aufschließung und Verkauf von 19 ha Betriebsbaugebiet entlang der Westautobahn in OÖ.“

Wie groß also ist die gerodete Fläche wirklich?

Noch größer als Kurt Asamer gibt die projektierte Fläche unseren Recherchen nach die aktuelle INKOBA-Homepage an (jener auf INVOreport schon mehrfach gewürdigte Interkommunaler Betriebsansiedlungs-Gemeindebund), demnach handelt es sich bei Ehrenfeldt II um 20 ha: „Hier hat KR Hans Asamer von zwei Grundbesitzern Optionsverträge über 200.000 m2, die nun gemeinsam mit uns aufgeschlossen und entwickelt werden. Vor allem bei den Behördenverfahren sind wir als INKOBA ein wichtiger Partner, da wir das öffentliche Interesse einer Region, in der immerhin 60.000 Menschen leben, vertreten und auch entsprechend ernst genommen werden.”- In dieser Dimension aber müsste in jedem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.

Zumindest über die tatsächlich gerodete Fläche ist die Öffentlichkeit seit einigen Tagen dank des bis dato jüngsten Skandals im Detail informiert: Eine gutachtliche Kontrolle des Rodungsumfangs, deren Bekanntgabe zunächst verschleppt wurde, fand nun von Behördenseite doch das Licht an die Öffentlichkeit: Es sind 191.000 Quadratmeter, um exakt 3093 mehr, als der Widmungswerber beantragt hatte. Gegenüber der OÖN gab Asamer an, dass man sich da ”innerhalb der Toleranzschwelle” befinde und ihm das daher – so Hans Asamer wörtlich – ”wurscht” sei.

Das Wurschtigkeitsgefühls des Herrn Asamer sei ihm unbenommen. Über seine menschliche Befindlichkeit gibt es beredt Auskunft.

Hingegen könnte es den staunenden BeobachterInnen angesichts der vielen Ungeheuerlichkeiten, die sich viele Beteiligte in dieser Causa leisten und geleistet haben, die Rede verschlagen. Fragen aber, auf die sich die interessierte Öffentlichkeit (mit allerdings geringer Hoffnung) Antworten erwartet, stellen sich dennoch reihenweise ein, Fragen etwa wie diese:

  • Wieso kann ein in öffentlichem Auftrag und von öffentlichen Stellen erstelltes Gutachten offenbar durch ein privates Gutachten, das noch dazu von dem mit dem ersten Gutachten unzufriedenen Widmungswerber finanziert wird, einfach ausgehebelt werden, indem alle Instanzen nachfolgend dem Erkenntnis des zweiten Gutachtens folgen?
  • Ist es demokratisch, jede missliebige Entscheidung einer wiederholten Abstimmung, jeder aus wirtschaftlicher Sicht unerwünschten Stellungnahme ein neues, privates Gutachten entgegenzustellen?
  • Geht man in diesem Fall entgegen vieler Indizien aus von dem durch nichts begründeten Fall, alle Verfahrensschritte seien nicht durch Freunderlwirtschaft oder Schlimmeres, dafür aber korrekt und in lauterer Weise zustande gekommen, stellt sich immer noch die Frage: Wenn es am Ende solcher Verfahren für die entscheidenden Behördeninstanzen letztlich immer um schlichte Interessensabwägung geht, in wie vielen Fällen – sagen wir mal die letzten 3 Jahre – in wie vielen Fällen haben die obersten Instanzen tatsächlich einmal für das Interesse der Natur und der Umwelt entschieden?
  • Wessen Interessen vertrat die damalige Gemeindevertretung Ohlsdorf tatsächlich, als sie – offenbar unzufrieden mit dem Ergebnis des ersten Gutachtens, das den Ort dringend zum Erhalt der 180.000 m2 großen Waldfläche geraten hatte – ein Gegengutachten in Auftrag gaben?- Cui bono? Der Antragsteller Hans Asamer ist Altbürgermeister der Gemeinde, gehörte zur gleichen Partei wie der widmende Bürgermeister Ohlsdorfs und auf bzw. von seinem Konto gingen auch hohe Parteispenden an die Wer-zahlt-schafft-an-Ich-liebe-das-ÖVP!
  • Oder aber einmal anders gefragt: Wie überzeugt ein Immobilienentwickler die öffentliche Hand von einem vermeintlich massiven öffentlichen Interesse an Betriebsbaufläche, wenn unbekannt und ungenannt bleibt, welcher Betrieb sich tatsächlich ansiedeln wird?
  • Erweist man nicht dem ohnedies labilen Vertrauen in Demokratie damit einen Bärendienst, wenn öffentliche Interessen solcherart unverschämt mit Füßen getreten werden?

Eine Fortsetzung der Skandalgeschichte, so darf angenommen werden, liegt sehr im Bereich des Wahrscheinlichen. Wir werden weiter darüber berichten.

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