M.a.D. #11: 250 Tage danach – Quo vadis, Vorchdorf?

2. Juni 2022
Meinung am Donnerstag

Kann sich noch jemand an den Plakat- und Schilderwald erinnern, damals, als unser Markt mit Frohbotschaften von gephotoshopten Spitzenkandidat*innen zugepflastert war? Das war Wahlkampf in Oberösterreich – in Vorchdorf aber eher eine Schlacht.

Seit der Gemeinderatswahl sind nun acht Monate vergangen. Ältere unter uns haben schon einige Wahlkämpfe überlebt, und als gelernte Österreicher*innen waren wir es eigentlich gewohnt, dass sich die Wahlkampfrhetorik nach dem Urnengang meist rasch beruhigt hat: Feinde aus dem Wahlkampf wurden zu Freunden in einer Koalition. Der politische Alltag übernimmt rasch wieder das Kommando, der Blutdruck bei Freund und Feind normalisiert sich, die meisten Versprechungen verflüchtigen sich zeitnah.

Und wie steht´s nun um Vorchdorf?

Ihr unorthodoxer Kampfstil hat der Vorchdorfer Ortsliste dazu verholfen, Rot, Grün und Blau aus dem Stand zu überholen. Das Wahlvolk schien also durchaus einen Wunsch nach Veränderung zu haben. Aber gibt es die auch? Die Schlacht um Vorchdorf hat mit der Wahl definitiv nicht geendet. Es wird weiterhin scharf geschossen, sehr scharf: Vorwürfe, Unterstellungen, Anzeigen, Aufsichtsbeschwerden, bis hin zu (angeblichen) Polizeieinsätzen am Gemeindeamt, alles regelmäßig nachlesbar.

Da Vorchdorf einige (diplomatisch formuliert) diskussionswürdige Projekte laufen hat, sollte die Opposition ja viel Futter finden. Man könnte aber eher den Eindruck bekommen,

  • dass die Landespolitik einen noch engeren Schulterschluss von Schwarz und Blau auf Ortsebene einfordert
  • dass Blau von den wenigen Vernünftigen verlassen wurde und der verbliebene Rest lieber Schulbus fährt als Verantwortung zu übernehmen
  • dass sich Rot der Gemeindearbeit durch den Auszug vor Abstimmungen lieber gleich entzieht
  • dass sich Grün tapfer um ein wenig Eigenständigkeit bemüht, z. B. mit der Forderung nach Zusammenkunft eines bereits vor einem Jahr selbst etablierten Untersuchungsausschusses
  • dass die bürgerliche Alternative unter einer örtlichen Quotenregelung leidet; Gerüchten zufolge decken sich Selbstbewusstsein und Sachkenntnis in den Ausschüssen nicht immer. Leider haben die Stimmen für den Mann auf Platz 2 nicht gereicht, denn damit wäre wohl ein deutliches Mehr an (Lebens-)Erfahrung ins Ortsparlament eingezogen. Der pinke Eypeltauer aus Linz hätte mit seinem scharfen Blick für Ungereimtheiten bei uns seine wahre Freude, während man vor Ort lieber die rosarote Brille trägt.
  • dass Orange sehr engagiert erscheint, aber als recht aggressive Kampfgruppe zu wenig Sympathisanten findet, um die anvisierten Änderungen politisch auch umzusetzen. Ich bleibe skeptisch, ob dieser Weg zum Erfolg führt oder man sich damit mehr selbst schadet.
  • dass anscheinend alle Etablierten dem örtlichen Schwarz helfen, damit Dinge aus dem Fokus geraten oder gar vergessen werden; also doch miteinander – aber halt nicht mit allen.
Vorchdorf: Wir sind nicht so (?)

Das weit verbreitete Verständnis von Oppositionspolitik, nämlich die Regierenden und ihr Tun kritisch zu hinterfragen, funktioniert bei uns also nicht. Irgendwie auch verständlich, da wiedergewählte Gemeinderäte kreativ abgewickelte Projekte der Vergangenheit – wissentlich oder unwissentlich – ja mitgetragen haben.

Das fehlende Gespür der politischen Novizen rächt sich gnadenlos. Mit dem Kopf durch die Wand löst Probleme nicht, führt nur zu Kopfschmerzen – bei sich selbst, beim politischen Mitbewerb und wohl auch bei der Wählerschaft. Den Finger in die Wunde zu legen ist in Wahlkampfzeiten bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Danach muss aber ein Chirurg her, die Wunde säubern und vernähen, sonst droht eine Blutvergiftung. Ich bin kein Mediziner, aber die aktuellen Symptome liefern auch für einen Laien wie mich eine fast lebensbedrohende Diagnose für die nächsten fünfeinhalb Jahre.

Mein persönliches Fazit

Anstatt miteinander (ein Wahlkampfversprechen fast aller Beteiligten!) nach einer Lösung der übernommenen Probleme zu suchen, geht es nur um ein gegenseitiges Anpatzen. Die Fronten sind mehr als verhärtet, frei nach dem Motto: Die Neulinge gegen den Rest. Das wird aber die Probleme nicht lösen! Das lässt keinen Blick auf Chancen für die Zukunft zu! Das vertieft die Gräben noch weiter! Und das geht zumindest mir als Bürger und Wähler höllisch auf die Nerven. Es tut sich also nix, mehr noch, es wird eher schlechter.

Ich bleibe dabei: Was fehlt, ist ein erfahrener Manager, der eine Bestandsaufnahme erstellt, um dann umgehend gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, bei denen alle das Gesicht wahren können. Eine Art Regierungsprogramm also, mit Projektlisten, Verantwortlichkeiten, Zeitschienen, auch, um dem Bürger vermitteln zu können, woran unsere Ortspolitik eigentlich arbeitet.

Politik braucht Konfliktlösungskompetenz, aber auch Kompromisse. In Vorchdorf ist beides leider nicht in Sichtweite.

Einen schönen Donnerstag
wünscht Alfred E. Neumann

2 Gedanken zu „M.a.D. #11: 250 Tage danach – Quo vadis, Vorchdorf?

  1. Albert Sprung

    Lieber Alfred E. Neumann,
    ich glaube nicht, dass wir hier in der Vorchdorfer Politlandschaft in den Kategorien Freund und Feind denken. Das darf ich allen Fraktionen unterstellen. Für die Liste für Vorchdorf gilt das jedenfalls. Dass man sich aber in der Sache des öfteren nicht einig ist, darf man politischen Fraktionen schon zugestehen.
    Aber dass offenbar einige nicht zwischen Sach- und Beziehungsebene unterscheiden können – allen voran der nicht-händeschüttelnde Bürgermeister – das mag jeder für sich selbst beurteilen. Wie weit ein „mockierender“ Dorfoberster überhaupt noch für Vorchdorf tragbar ist, der noch dazu Artikel in der Gemeindezeitung umschreiben lässt, und diesen dann mit einem gänzlich anderen Foto unter dem Namen des Bau- und Straßenbau-Ausschuss-Obmanns abdrucken lässt, auch diese Frage sollte sich jeder selbst beantworten.
    Aggressive Kampftruppe? Mitnichten. Wir pochen lediglich darauf, das Gelöbnis auf die österreichischen Gesetzte ernst zu nehmen.
    Die Liste für Vorchdorf hat bereits eine ganze Reihe von Anträgen gestellt und wichtige Denkanstöße geliefert. Stichwort Unterlagen für die Ausschüsse. Die frühere Praxis war, dass man uninformiert und ohne Unterlagen, einzig mit der Tagesordnung in den Ausschuss kam, und dort dann die Detailinfos erhielt, über die abgestimmt wurde. Sich in dieser kurzen Zeit in der Sitzung ein umfassendes Bild machen zu können, das ist aus unserer Sicht nicht möglich. Professionell ist etwas anderes. Wir waren nicht ganz unbeteiligt, dass jetzt bei allen Ausschüssen und beim Gemeindevorstand die Unterlagen gesetzeskonform „spätestens fünf Tage vor der Sitzung“ übergeben werden.
    Als bürgernahe Bewegung haben wir das Ohr bei den Bürgerinnen und Bürgern, und die Menschen wissen, dass wir ihre Probleme und Sorgen ernst nehmen. Unser Hauptgrund, in den Gemeinderat zu gehen, war und ist schlicht und ergreifend der hehre Gedanke, Vorchdorf zu dem zu machen, was es sein könnte: ein wirtschaftlich starker Ort ohne Skandale und politische Mauscheleien. In dem es genug Gestaltungsmöglichkeiten gibt für alt und jung. Ein Ort für Familien, für Vereine, ein Ort der Bildung und Kultur. Deshalb engagieren wir uns.

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    1. Alfred E. Neumann

      Natürlich freut mich eine flotte Reaktion auf meine Meinung am Donnerstag, lieber Herr Sprung! Natürlich scheint es auf der Hand zu liegen, dass in den 13 Jahren vor der letzten Wahl Entscheidungen getroffen wurden, die man zumindest hinterfragen darf – sowohl hinsichtlich Inhalten als auch Abläufen. Natürlich denkt man sich seinen Teil, wenn der Amtsinhaber seinen Wiederantritt verkündet, um dann urplötzlich seine Meinung zu ändern (um dann mit seinem Arbeitsstil auch in der Privatwirtschaft bis dato auf wenig Gegenliebe zu stoßen). Natürlich finde ich das Engagement eines Teiles Ihres Team gut – aber natürlich empfinde ich den Stil der Auseinandersetzung als absolut untragbar (mir ist unklar ist, was ein „mockierender“ Bürgermeister ist, aber ich befürchte, es ist keine Liebeserklärung). Natürlich bleibe ich daher bei meiner Meinung: so, wie es jetzt ist, wird es nicht gut gehen. Leider – und sehr schade für Vorchdorf und seine vielen Möglichkeiten.
      Noch einen schönen Donnerstag.

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