Sommergespräche #6: Hermann Aigner

30. August 2022

Sieben Jahre ist es inzwischen her, dass sich Hermann Aigner total aus der Kommunalpolitik zurückgezogen hat. Eine Zeit, in der der langjährige Miba-Betriebsrat, SPÖ-Mandatar und Vizebürgermeister beträchtliche Gelassenheit entwickelt hat – auch wenn im Gespräch über 30 Jahre Engagement für seine Partei und das Gemeinwesen die Emotionen bald wieder da sind.

„Dass ich mich emotional verstricken lasse, ist eine meiner Schwächen“, sagt Aigner, der – aus konservativ-katholischer Bauernfamilie stammend – nur durch einen Fauxpas der ÖVP zur SPÖ kam: Als junger Mann betätigte sich Aigner so erfolgreich als DJ im Volksheim, dass er sich damit auch für die 15-Uhr-Tees im Gasthaus Denk empfahl, die dort von den jungen Konservativen veranstaltet wurden. Als der Hobby-DJ dort mit seinen Platten aufkreuzte, beschied ihm ein ÖVP-Funktionär höflich, aber bestimmt, dass man leider niemand an die Plattenteller lassen könne, der bei den Roten im Volksheim auflegen würde.

Via Betriebsrat in die Kommunalpolitik

„Ihr kriegt’s mich nimmer“, dachte sich der gelernte Elektriker, der in der SPÖ-dominierten Elektrowerkstätte der Miba in Vorchdorf politisiert – und dann dazu angestachelt wurde, bei den Betriebsratswahlen mit einer zweiten linken Liste zu kandidieren. „Dann hat mich der Teufel geholt, als wir auf Anhieb drei von fünf Mandaten gewonnen haben, womit uns auch der Vorsitz zugestanden ist“, erzählt Aigner beim Gespräch im großen Garten seines Hauses in Weidach launig.
Da die theoretisch saubere Trennung der Elektrikerarbeit von sechs bis zehn und der Betriebsratstätigkeit von zehn bis zwei in der Praxis nicht funktionierte, ließ er sich bald für seine Funktion als Arbeitnehmervertreter freistellen. Was dem in Laakirchen amtierenden Miba-Zentralbetriebsratsvorsitzenden und damaligen Vorchdorfer Vizebürgermeister Karl Dutzler nicht entging, der seinen jungen Kollegen auch kommunalpolitisch in die Pflicht nahm. Mit der Folge, dass Aigner von 1985 bis 2015 im Vorchdorfer Gemeinderat saß, im Gemeindevorstand mitmischte, die SPÖ-Fraktion führte und als Vizebürgermeister fungierte.

Rücktritt als Protestakt

Fragt man den Kuba-Fan mit Faible für indianische Kulturen heute, ob sich das immens zeitaufwändige ehrenamtliche Engagement letztlich gelohnt hat, antwortet Aigner nach kurzem Nachdenken mit Ja: „Vor allem im Wohn- und Sozialausschuss hast du Menschen wirklich konkret helfen können, auch wenn es dafür keine politischen Lorbeeren zu ernten gegeben hat: Wenn du einem eine Wohnung verschafft hast, waren dir fünf andere böse, die sie nicht bekommen haben.“
Zehn Jahre lang leitete Aigner auch den Planungsausschuss und erarbeitete sich dabei eine gehörige Expertise in Fragen der Ortsentwicklung und der Raumplanung. Das erste örtliche Entwicklungskonzept für 2000 bis 2010 geht maßgeblich auf Aigners Konto. Den Ausschussvorsitz legte er dann zum Entsetzen von Bürgermeister Schwaha aus Protest zurück, als gegen den entsprechenden Gemeinderatsbeschluss zentrumsferne Einkaufsflächen gewidmet und nördlich der Autobahn gebaut wurde.

Alkohol: keine kommunalpolitische Lösung

Dass es ihm gelang, im Gemeinderat eine Mehrheit gegen das von Hans Asamer betriebene Projekt eines Einkaufszentrums an der Autobahn gegen die Stimmen der ÖVP zu verhindern, ist für Aigner sein größter politischer Erfolg.
Als Tiefpunkte stehen hingegen zwei gescheiterte Anläufe auf den Bürgermeistersessel da. Eine Wahl verlor Aigner klar, nachdem er die Stimmung im Ort falsch eingeschätzt hatte; bei der zweiten Gelegenheit hatte er mit der Opposition in zahlreichen Treffen ein Bündnis geschmiedet. Es scheiterte, als ein Mandatar – dessen Namen Aigner nicht in den Mund nehmen will, sondern ihn bloß als „der Grüne“ bezeichnet – wortbrüchig wurde und im entscheidenden Moment umfiel: „Das hat schon weh getan, aber ich bin in vielen Situationen einfach zu gutgläubig und vertrauensselig gewesen.“
Heute ist Aigner frei von Groll und hat mit den Akteuren aus seiner politischen Ära ein gutes Einvernehmen. Dass alle Differenzen bei einem gemeinsamen Bier nach den Sitzungen ausgeräumt wurden, hält er für eine Legende: „Viele sind erst nach dem zweiten oder dritten Bier mit dem herausgerückt, was sie eigentlich in der Sitzung sagen hätten sollen, und die meisten unter Alkoholeinwirkung geborenen Ideen und Kompromisse haben sich bei nüchterner Betrachtung am nächsten Tag als unbrauchbar erwiesen.“

Da hilft kein Mediator

An der Kommunalpolitik von heute vermisst er mitunter die Bereitschaft, sich fachlich für die Aufgaben zu qualifizieren: „Für meine jährliche Budgetrede habe ich mich tagelang vorbereitet, den Budgetentwurf analysiert und die Zahlen hinterfragt. Heute wird das Budget kommentarlos durchgewunken, weil sich keiner mehr so eine Arbeit antut.“
An den Entwicklungen der letzten Jahre stößt ihm auch Anderes sauer auf: Dilettantische Verkehrsplanungen, ein eklatanter Mangel an echten Radwegen, die übermäßige Bodenversiegelung und der exzessive Wohnbau, mit dem das überreich vorhandene Kapital in Betongold gegossen wird: „Da werden vor allem Anlageobjekte gebaut.“
Obwohl Aigner ein durch und durch politischer Mensch geblieben ist, interessiert er sich nur mehr am Rande für das politische Geschehen im Ort. Das liegt an den lähmenden Konflikten – nicht nur, aber vor allem – zwischen ÖVP und Liste Vorchdorf im Gemeinderat: „Da will keiner nachgeben, aber Politik besteht nun einmal im Interessenausgleich. Ich sehe auf keiner Seite die Bereitschaft zum Kompromiss und glaube auch nicht, dass ein Mediator etwas bewirken kann. Wenn, dann müsste er schon außerordentlich gut sein.“

 

 

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