Gemeinderat: Wenn die Rhetorik vor die Hunde geht

17. Dezember 2022

Am Dienstag, dem 13. Dezember ist der Vorchdorfer Gemeinderat ein letztes Mal für 2022 zusammengekommen. Die Tagesordnung war mit 11 Punkten überschaubar, weshalb mit einer kompakten Sitzung zu rechnen war – und einer intensiveren Diskussion über Punkt 9: Den Liste-Vorchdorf-Antrag, die Gemeinde möge vom Rückkaufsrecht des vor knapp 5 Jahren um einen Euro verkauften Grundstücks in der Bahnhofstrasse 14 Gebrauch machen.

Aber der Reihe nach: Eines der großen Themen ist das Budget 2023. Der entsprechende Vorschlagsentwurf sieht erstmals Einnahmen und Ausgaben von über 20 Mio. Euro vor. Bemerkens- und anerkennenswert ist, dass trotz der wirklich herausforderndem Rahmenbedingungen  ein ausgeglichenes Budget zustande gekommen ist. Allerdings war bzw. ist dafür die Entnahme einer kleinen Rücklage notwendig gewesen. Zu Einwänden gegen den Budgetentwurf nimmt Finanzausschuss-Obmann Franz Amering Stellung. Dabei lässt er es sich nicht nehmen, die Mitglieder wie auch die Projekte des Vereins Zukunft Vorchdorf vorzustellen. Eines davon: Die Ortsbildmesse 2024 nach Vorchdorf zu holen. Nebenbei begründet Amering auch die Entscheidung des Gremiums, eine Interviewanfrage des INVO.report abzulehnen. Mit dem Argument, man habe sich im Verein darauf verständigt, überhaupt keine Interviews zu geben – was angesichts des Umstandes, dass die Organisation ihre Projekte mit Steuergeldern umsetzt, erstaunlich ist.

Dauerbrenner Xundheit!

Einen wunden Punkt tippt die Liste Vorchdorf in der Budgetdiskussion einmal mehr an, indem sie die neuerlichen Verluste des Gesundheitsdienstleistungszentrums in der Lambacherstraße nochmals explizit anspricht. Bettina Hutterer von den Grünen wirft die spannende Frage auf, ob ein derartiges Zentrum nicht vor allem eine soziale Investition sei, die als solche nicht zwingend gewinnbringend sein müsse. Ihre Fraktionskollegin Ulli Ellinger unterstreicht die Notwendigkeit, den Bildungscampus endlich zu realisieren und weist auf den budgetär eingeplanten Sozialmarkt hin. Ebenfalls im Budget vorgesehen: Der Ausbau der kommunalen Photovoltaik, um die Energiekosten im Rahmen zu halten. Wie von den Grünen zu hören ist, hat der zuständige Ausschuss darüber hinaus auch einen Katalog mit Energiesparmaßnahmen erarbeitet, über den bald im Gemeinderat abgestimmt werden soll.

Parkplätze und Ortskernbelebung

Gerhard Radner von der ÖVP gibt sich als besonders fleißiger Mandatar zu erkennen: Er hat sich die Mühe gemacht, den um die 500 Seiten starken und auf der Amtstafel der Gemeinde-Homepage öffentlich einsehbaren Budgetentwurf von A bis Z zu studieren. Lobenswert erscheinen ihm beispielsweise die kostenlosen Parkplätze, weil „die ja nicht selbstverständlich sind und der Gemeinde Geld kosten“. Wenig später ist in Elisabeth Steinbachs (NEOS) Bericht des Prüfungsausschusses zu hören, dass die von der Marktgemeinde in Auftrag gegebene Parkraumüberwachung schon seit 2019 mehr kostet als sie bringt.

Ein eigener Punkt auf der Tagesordnung ist das nahende Ende des Leerstandes in den ehemaligen Geschäftslokalen von Familie Mischkreu, welche die Gemeinde erworben hat. Es gibt nach mehrjährigem Warten und Suchen – Reinhard Ammer (Grüne) begrüßt, dass sich die Gemeinde viel Zeit für diese Entscheidung genommen hat – einen Interessenten. Mit einem Pachtvertrag ausgestattet, wird er am Schlossplatzeck in den kommenden Monaten die „Renaissance-Krämerei“ einrichten: Auf knapp 120 Quadratmetern wird eine der kleinsten Bäckereien Österreichs samt kleinem Café entstehen. Wohl stellvertretend für viele Andere wünscht Ammer dem Konzept „ganz viel Erfolg“, geht es doch um einen Beitrag zur Belebung des Ortskerns.

Ein-Euro-Boarding House

Dann nähert sich die Sitzung dem Thema mit dem wohl größten Zündstoff: Der Wunsch der Liste Vorchdorf, die Gemeinde möge die Rückkaufsoption für die Liegenschaft in der Bahnhofstraße 14 wahrnehmen, wird – nach durchaus interessanten Wortmeldungen – auf Antrag der ÖVP vertagt. In die Kritik der Bürgerliste geraten auch Bauamtsleiter und Bürgermeister, weil beide seitens der Gemeinde nicht frühzeitig auf diese Option hingewiesen hätten. Obwohl Listenführer Sprung darauf verweist, dass man allen Gemeinderät*innen vorab sämtliche Unterlagen übermittelt habe, gibt es Bedenken hinsichtlich der Kosten des Rückkaufs sowie der zukünftigen Verwertung. Allerdings wird auch von anderen Fraktionen betont, dass man nicht grundsätzlich gegen einen Rückkauf sei, alle wollen aber mehr Zeit zum Überlegen. Am 20. Dezember 2022 sei außerdem ein Brainstorming des Gemeindevorstands angesetzt, um alle Für und Wider dieser Option abzuwägen. Schließlich will man, wie es VP-Fraktionsobmann Beisl formuliert, „nicht die Katze im Sack kaufen“.

FPÖ-Rückzieher

Obwohl die FPÖ den Antrag der Liste Vorchdorf mitunterzeichnet hat, macht Vizebürgermeister Alexander Schuster in der Sitzung einen Rückzieher. Nun kann er nicht mehr zustimmen, weil „man die Kosten nicht kennt und Zahlen braucht“. „Wenn uns diese Kosten erschlagen, müssen wir das dann der Bevölkerung erklären“, untermauert er seine Befürchtungen. Hans Limberger von der Liste Vorchdorf kontert, dass alle Informationen und auch Kosten auf dem Tisch lägen und sich nichts mehr ändern werde. Überzeugt gibt sich Limberger auch, dass die zusätzlichen Forderungen des aktuellen Eigentümers unberechtigt seien. Laut diesem ist das Projekt eines Boarding House aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr umsetzbar und er sei grundsätzlich für eine Rückabwicklung offen. Zur Erinnerung: Der überschaubare Kaufpreis von 1 Euro wurde vom damaligen Bürgermeister Schimpl damit argumentiert, dass man so den Bau von Eigentumswohnungen vermeiden könne. Hinsichtlich einer zukünftigen Nutzung verweist Limberger auf einen Kommentar eines unserer Leser, wonach man ja auch über eine Begrünung und spätere Verwertung nachdenken könne.

Reinhard Ammer betont durchaus emotional, dass es „keiner ausschließt, dass wir zurückkaufen“ und fordert eindringlich, sich mehr Zeit für die Entscheidung zu nehmen. Eher polemisch als sachdienlich wirkt der freiheitliche Hinweis auf ein damaliges Kaufangebot  des heutigen Gemeinderats Limberger. Vielleicht liegt auch darin einer der Auslöser für das folgende Finale Furioso beim Tagesordnungspunkt „Allfälliges“.

Allfälliges ist diesmal ganz Vieles

Unter das Allfällige fällt zunächst eine Beschwerde von Josef Scherleitner (ÖVP) wegen seiner gelöschten Postings auf der Facebook-Site des politischen Mitbewerbs. Parteikollege Matthias Traunbauer stellt das inakzeptable Verhaltens einzelner, auch namentlich genannter Gemeinderäte gegenüber Mitarbeitern der Verwaltung an den Pranger. Von dort geht es in der Diskussion mit dem angeblichen Schilderskandal in den Brodwinkel und zurück zum Live-Stream: Das Filmen der Gemeindemitarbeiter lässt ÖVP-Mandatar Gerhard Radner nach eigenem Bekunden das Herz bluten. Amtsleiterin Klocker interveniert und bedankt sich ausdrücklich für das Verpixeln ebendieser. Kurz darauf werden Mario Mayr (ÖVP), die zwischenzeitlich in seinem Besitz befindliche und seinerzeit ohne Genehmigung errichtete Gartenhütte sowie deren aktuelle Umwidmung wieder ein Thema – was im Auditorium zumindest vereinzelt für das Gefühl sorgt, dass einige Gemeinderäte kurz vor Weihnachten noch über das Jahr Unverdautes loswerden wollen.

Die Eskalation

Als Hans Limberger von der Liste Vorchdorf wieder das Wort ergreift, beschwert er sich einmal mehr über die Unvollständigkeit der Unterlagen, die er von der Gemeinde für eine INKOBA-Sitzung angefordert hat. Dann brennen alle Sicherungen durch: Limberger wirft mit beleidigenden Äußerungen dermaßen um sich, dass Fraktionsführer Albert Sprung eingreift und sich bei den Gemeinderät*innen für seinen Kollegen entschuldigt. Gemeinderat Leichtfried (ÖVP) zeigt sich von den unwürdigen Umgangsformen entsetzt; Markus Prall (FPÖ) spricht gleich unverhohlen eine Rücktrittsaufforderung an Gemeinderäte aus, die sich nicht benehmen können.

Die Sitzung endet dann doch noch halbwegs versöhnlich, als Bürgermeister Mitterlehner – sich auf die INVO.report-Wünsche ans Christkind beziehend – appelliert, die Mitarbeiter*innen der Gemeinde aus den politischen Konflikten zu halten:  „Lasst’s meine Mitarbeiter in Ruh‘! Wir sind ersetzbar, aber unsere Leut‘ nicht!“ Den wenigen noch verbliebenen Mandatar*innen wünscht er für 2023 Gesundheit, Glück und Zufriedenheit um mit den Worten „Alles für unser Vorchdorf“ zu enden.

Die Liste Vorchdorf und insbesondere Hans Limberger tragen anderntags noch ihren Teil zum Weihnachtsfrieden bei: Limberger, indem er sich per persönlicher Elektropost an die von ihm Angegriffenen und öffentlich in den sozialen Medien für seine Entgleisung entschuldigt. Und die Liste Vorchdorf, indem sie den für handelnden Personen wenig schmeichelhaften Teil aus der Aufzeichnung löscht. Mit dem Hinweis, dass sich da manche Fraktion nicht mit Ruhm bekleckert habe.

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