19. Januar 2022
Vertrauen in die Politik ist mühselig aufzubauen, aber schnell verspielt. Das gilt von der Bundesebene bis herab in dörfliche Gemeinden. In Vorchdorf steht daher jetzt nach den Wahlen viel auf dem Spiel. Ausgerechnet die umfassende Studie einer großen US-Unternehmensberatung zeigt sehr konkrete Risiken, aber auch Chancen auf.
Die gute Nachricht vorweg: Politik auf Gemeindeebene steht in Österreich recht solide da. Zwei Drittel der Menschen vertrauen ihren Bürgermeister*innen laut einer Studie des Gemeindebunds. Das ist zwar eine Interessenvertretung, doch das Ergebnis deckt sich mit anderen Umfragen.
Ganz anders sieht es mit der Bundespolitik aus. Das „Systemvertrauen“ ist aktuell auf dem tiefsten Punkt seit 2018, seitdem der Österreichische Demokratiemonitor z. B. fragt, wie das politische System in Österreich funktioniert. „Knapp zwei Drittel der Befragten verlangen daher zur Stärkung der Demokratie mehr Transparenz im Regierungshandeln. Zudem wünscht sich mehr als die Hälfte eine grundlegende Änderung der politischen Kultur – etwa mehr Ehrlichkeit, Respekt vor der Justiz, weniger Machtdenken und mehr Unrechtsbewusstsein.“ wie der ORF der Umfrage entnimmt.
Und wie sieht es In Vorchdorf aus?
Die Vorchdorfer*innen ticken grundsätzlich bei der positiven Beurteilung der Gemeindepolitik nicht viel anders als der Durchschnitt. Das ergab bereits die repräsentative Umfrage für das Heimatbuch 2000. Aber eine Garantie ohne Ablaufdatum gibt es darauf nicht. Einige Indizien kann man als Warnsignal deuten:
- Beim Umgang der Gemeinde mit der Bevölkerung sahen die Befragten bei unserer Umfrage im Juli 2021 am zweithäufigsten Verbesserungsbedarf. Und nur drei Plätze weiter ging es um (mangelhafte) Bürger*innen-Information und -Beteiligung.
- Der aggressive Wahlkampf 2021 in Vorchdorf hat zur heftigsten Stimmenverschiebung seit Langem geführt. Dies war eine relativ klare „Unzufriedenheitswahl“.
- Dass dies auch die Parteien schon im Vorfeld gespürt haben, lässt sich daran ablesen, welche Slogans vor allem in der Plakatwerbung im Vordergrund standen: Politik auf Augenhöhe, Bürgernähe, Ehrlichkeit, Miteinander, Transparenz. Man beschwört ja nicht vorrangig das, was man für „eh klar“ hält.
Hinzu kommt, dass ein sehr viel größerer Trend auch vor dem Vertrauen in die Ortspolitik nicht haltmacht: Stark verkürzt beschreibbar mit den Schlagwörtern „Polarisierung/Spaltung“ und „Wutbürger“, schwappt dieser Trend auch in die Gemeinden und versetzt Bürgermeister*innen in Sorge, selbst wenn ein Thema kaum etwas mit der Gemeindepolitik zu tun hat.
Das Vertrauen auch in die Vorchdorfer Politik ließe sich retten
Vertrauen ist einer der stärksten Hebel, um eine nachhaltige Entwicklung und Mitarbeit sowie die Einhaltung gesellschaftlicher Spielregeln in Kommunen zu fördern. Dazu muss aber die Bevölkerung erleben (!), dass die Gemeinde erfüllt, was sie verspricht. Es reicht nicht, dass die Verantwortlichen einen guten Job machen – es muss transparent und offen sein. Fehlt dieses Vertrauen, sinkt nicht nur irgendeine diffuse Stimmung. Die Menschen zögern dann auch zunehmend, sich zu engagieren, privat und sogar geschäftlich.
Das sind zunächst bloß die Grunderkenntnisse der erwähnten Untersuchung der Boston Consulting Group (englisch; Lesezeit ca. 30′, viele praktische Beispiele). Weitere zentrale Erkenntnisse zur „Vertrauenspolitik“ auf Gemeindeebene in einer Auswahl:
➤ Was fördert das Vertrauen in die Gemeinde?
- Erkennbare Kompetenz beim verbindlichen Erfüllen der kommunalen Aufgaben
- Spürbare Fairness bei der Behandlung von Menschen bei Bearbeitung wie auch im Ergebnis von Maßnahmen
- Bürgernähe im Sinne von engem, häufigem Austausch mit wechselseitigem Einfluss auf die andere Seite
- Transparenz, d. h. eindeutige offene Informationspolitik, die die Meschen handlungsfähiger macht
- Vernetzung von Menschen untereinander, auch mithilfe digitaler Werkzeuge
- … Dies alles gelingt um so besser, je näher am unmittelbaren Erfahrungsbereich der Menschen es erlebbar ist. Gemeinden von überschaubarer Größe haben daher gute Voraussetzungen.
➤ Wodurch geht das Vertrauen in die Gemeinde verloren?
- … zunächst dadurch, dass die Gemeinde in einem oder mehreren der zuvor genannten Punkte versagt
- Verzicht auf vertrauensbildende Maßnahmen, etwa weil sie zu aufwändig sind – ohne kreativ zu überlegen, wie es trotzdem ginge
- Vollendete Tatsachen beim Beschluss von Vorhaben, die durch Widerstände von Betroffenen erheblich erschwert werden können
- Komplizierter oder unmöglicher Zugang zu (aktuellen!) Informationen, die für Menschen in der Gemeinde relevant sind
- Mangelhafte Inklusion: Menschen bestimmter Gruppen werden bei der Beteiligung benachteiligt
„Sozialer Klimaschutz“ durch Vertrauen ist eine Überlebensfrage auch für Vorchdorf
Langfristig kann die Erosion des Vertrauens in eine Gemeinde schwere Folgen nach sich ziehen, wenn z. B. der Zuzug von Menschen oder die Investitionsbereitschaft von Privaten und Geschäftsleuten sinkt. Andersherum besteht die Chance auf erhebliche positive Effekte – vor allem, wenn sich durch genauere Durchleuchtung der Situation herausstellt, dass vielleicht gar nicht die gesamte Gemeindepolitik und -verwaltung anders aufgezogen werden muss.
Manchmal – auch das eine Erkenntnis von BCG – gibt es eng abgrenzbare Handlungsfelder, wo sich mit vertretbarem Aufwand viel Vertrauen (zurück-)gewinnen lässt. Vor allem aber gilt: Unterm Strich und längerfristig kostet fehlendes Vertrauen mehr als man spart, wenn man es vernachlässigt.